Lindner: Mit Win- und Wachstumsinitiative gegen wirtschaftliche Schwäche
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands als unbefriedigend bezeichnet. In der Regierungsbefragung des Bundestages sagte der Minister am Mittwoch, 25. September 2024, das Land verliere an Wettbewerbsfähigkeit. Voraussetzung für Spitzenpositionen bei sozialer Absicherung und ökologischen Standards seien wirtschaftliche Spitzenleistungen.
„Liberalisieren und deregulieren“
Um gegenzusteuern, verwies Lindner auf die sogenannte Win-Initiative der Bundesregierung (Wachstum- und Innovationskapital für Deutschland), die auf den Weg gebracht worden. Darin verpflichte sich die Bundesregierung, die Rahmenbedingungen zu liberalisieren und zu deregulieren, damit private Kapitalgeber mehr Risikokapital zur Verfügung stellen.
Er erinnerte zudem an 120 Maßnahmen der Wachstumsinitiative und an geplante Rekordinvestitionen im Haushalt 2025. Steuerliche Anreize, Reformen beim Bürgergeld, der Abbau „überflüssiger Bürokratie“, eine Reform des Lieferkettengesetzes sollen Handwerk, Mittelstand und Industrie mehr private Investitionen ermöglichen. Die Maßnahmen zielten auf die Angebotsseite der Wirtschaft ab, die zu lange vernachlässigt worden sei. Alle soziale und ökologische Politik habe ein stabiles wirtschaftliches Fundament zur Voraussetzung, betonte der Minister.
Lemke: Mehr in Hochwasserschutz investieren
Neben dem Finanzminister stellte sich auch die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) den Fragen der Abgeordneten. Sie brachte eingangs ihre Sorge über das Hochwasser an der Oder zum Ausdruck. Die Menschen dort könnten sich darauf verlassen, dass Hochwasser- und Katastrophenschutz sowie Nachbarschaftshilfe funktionieren.
In den Hochwasserschutz müsse mehr investiert werden, um sich an die Klimabedingungen anzupassen. Ihr Ministerium habe ein aktualisiertes Hochwasserschutzgesetz vorgelegt, das bis Jahresende im Bundeskabinett beschlossen und dem Bundestag zugeleitet werden. Für Maßnahmen zum Hochwasserschutz würden 3,5 Milliarden Euro bereitgestellt.
Lemke ging auch auf den Einsturz der Carola-Brücke in Dresden mit den Folgen für die dortigen Verkehrsteilnehmer ein. Investitionen in die Brücken-Infrastruktur seien viele Jahre vernachlässigt worden. Bund und Länder stünden hier gemeinsam in der Verantwortung.
Effekte der Wachstumsinitiative
Der SPD-Abgeordnete Michael Schrodi wollte vom Bundesfinanzminister wissen, welche Effekte er sich von den geplanten Maßnahmen der Wachstumsinitiative erhofft. Lindner verwies auf die für den 27. September geplanten Einschätzungen der Wirtschaftsforschungsinstitute, die die Maßnahmen der Wachstumsinitiative allerdings nur zum Teil berücksichtigen könnten. Die Wachstumsinitiative sei ein erster Schritt, weitere müssten folgen.
Lindner sprach von strukturellen Problemen und konjunkturellen Belastungsfaktoren, wobei sich die Regierung auf die strukturellen Herausforderungen konzentriere. Beispielsweise wünsche sich die Automobilindustrie Klarheit über die Technologieoffenheit im Hinblick auf den Verbrenner bis 2035. Ein Handelskrieg mit China im Bereich der Automobilwirtschaft müsse unterbunden werden.
Privatisierung der Commerzbank
Mehrere Fragen betrafen den Ausstieg des Bundes bei der Commerzbank und den Einstieg der italienischen Großbank Unicredit. Mechthilde Wittmann (CDU/CSU) fragte nach der Strategie der Bundesregierung und deren Beteiligung an den Prozessen. Deutschland sei an einem stabilen Bankensystem interessiert, sagte der Minister. Die Kreditversorgung des Mittelstandes müsse sichergestellt sein. Der Bund sei verpflichtet, seine Anteile diskriminierungsfrei zu veräußern.
Operativ obliege dies der Finanzagentur des Bundes, die Entscheidungen würden im Interministeriellen Lenkungsausschuss getroffen. Die Bundesregierung unterstütze die Eigenständigkeit der Commerzbank, wolle sie aber privatisieren. Sein Interesse sei es, ordnungspolitisch und europarechtlich richtig zu handeln und die Interessen der Steuerzahler zu achten, sagte Lindner.
Dem AfD-Abgeordneten Kay Gottschalk entgegnete er, die Bundesregierung wolle nicht dauerhaft an einer Geschäftsbank im Wettbewerb beteiligt sein. Die „Stilistik“ des Vorgehens der Unicredit habe allerdings überrascht.
Nettoausgabenpfad und globale Mindeststeuer
Max Mordhorst (FDP) erkundigt sich nach den Haushaltsdaten, die am 15. Oktober an die Europäische Kommission gemeldet werden müssen. Die Kommission habe Deutschland den Nettoausgabenpfad vorgegeben, sagte der Minister. Er sprach sich dafür aus, diesen Pfad zu akzeptieren und nicht für eine Verlängerung einzutreten. „Deutschland sollte durch Vorbild führen“, sagte Lindner.
Deborah Düring (Bündnis 90/Die Grünen) wollte wissen, wie Deutschland die Ziele des von 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen beschlossenen Paktes für die Zukunft umsetzen will. Lindner hob darauf ab, dass für die Bundesregierung die Prozesse innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit Priorität verfolgt würden. Die Einführung einer globalen Mindeststeuer im Kontext der OECD dürfe nicht durch anderes gestört werden.
Steuerstrafverfahren und innere Sicherheit
Christian Görke (Gruppe Die Linke) befürchtete, dass durch die geplante Verkürzung von Aufbewahrungsfristen für Steuerunterlagen im Zuge des Bürokratieabbaus wichtige Beweise im bei Cum/Ex- und Cum/Cum-Strafverfahren vernichtet werden. Lindner sagte, die Regierung habe alle Einwände berücksichtigt und eine maßvolle Verkürzung der Fristen vorgenommen, um sowohl den Interessen der Strafverfolgung als auch des Bürokratieabbaus gerecht zu werden.
Die finanzielle Ausstattung für die innere Sicherheit im Haushalt 2025 thematisierte Klaus Ernst (Gruppe BSW). Lindner sagte, die Regierung setze einen Schwerpunkt auf die innere Sicherheit. Umgekehrt wünsche er sich mehr Engagement des BSW bei der äußeren Sicherheit. Deutschland stehe an der Seite der Ukraine.
Automobilindustrie und Flottengrenzwerte
Umweltministerin Lemke erwiderte auf eine Frage des CDU-Abgeordneten Christian Hirte zum Verbrenner-Verbot, die Situation in der Automobilindustrie sei besorgniserregend, ein Risiko für den Standort Deutschland. Die Planungssicherheit, die die Marktteilnehmer von der Politik gefordert hätten, habe ihnen Europa gegeben, die Entscheidung sei gemeinsam verabschiedet worden. Wenn die Flottengrenzwerte abgeschafft würden, gäbe Europa seine Klimaschutzziele auf, was „fatal“ wäre.
Zum gleichen Thema entgegnete die Ministerin dem SPD-Abgeordneten Thomas Lutze, eine Revision der Flottengrenzwerte müsste auf europäischer Ebene stattfinden. Zum Vorschlag des FDP-Abgeordneten Dr. Christoph Hoffmann, dem Treibstoff etwas mehr Biokraftstoffe, etwa aus Brasilien, beizumischen, sagte Lemke, es werden einen Mix von verschiedenen Antrieben und Treibstoffen gegen. Diese Kraftstoffe müssten sorgfältig dort eingesetzt werde, wo sie am effizientesten vorhanden sind.
Nukleare Abfälle und Hochwasserschutz
Dunja Kreiser (SPD) erkundigte sich nach der Rückholung der in der Asse bei Wolfenbüttel unterirdisch gelagerten nuklearen Abfälle aus dem vorigen Jahrhundert, die herausgeholt werden sollen. Dort hätten sich die Wasserzuflüsse geändert, sagte Lemke. Weltweit gebe es keine Erfahrungen, wie solche Abfälle zurückgeholt werden können. Das Ergebnis der am 19. September begonnenen Raumverträglichkeitsprüfung werde Mitte März 2025 vorliegen.
Prof. Dr. Armin Grau (Bündnis 90/Die Grünen) fragte die Ministerin nach dem konkreten Hochwasserschutz. Mit der Novelle des Hochwasserschutzgesetzes solle der Bau von Hochwasserschutzanlagen beschleunigt werden, sagte Lemke. An vielen Stellten dauere es zu lange, bis ein Deich oder Polder errichtet worden ist. Bund und Länder hätten Hochwasserschutz-Programme aufgelegt, um natürliche Überschwemmungsflächen zu schaffen. (vom/25.09.2024)