Opposition übt scharfe Kritik am Haushaltsentwurf der Bundesregierung
Im Anschluss an die Einbringungsrede von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) folgte am Dienstag, 10. September 2024, eine gut eineinhalbstündige Allgemeine Finanzdebatte zum Bundeshaushalt 2025 (20/12400). Im Einzelnen ging es dabei um die erste Lesung des Einzelplans 08 des Bundesministeriums der Finanzen, des Einzelplans 20 des Bundesrechnungshofes, des Einzelplans 32 der Bundesschuld und des Einzelplans 60 der Allgemeinen Finanzverwaltung. Die vier Einzelpläne wurden am Freitag, 13. September, zur weiteren Beratung an den federführenden Haushaltsausschuss überwiesen. 2024, andauernden Beratungen sämtlicher Einzelpläne des Bundes an den Haushaltsausschuss überwiesen werden.
Bereits am 10. September waren nach erster Lesung im Rahmen der Allgemeinen Finanzdebatte der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2025 (20/12772) und der Gesetzentwurf über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2024 (Nachtragshaushaltsgesetz 2024, 20/12770) zur weiteren Beratung an den Haushaltsausschuss überwiesen worden.
CDU/CSU: Unrealistisch, unehrlich, verantwortungslos
Von einer Einigung der Ampel im Haushaltsstreit kann aus Sicht von Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) keine Rede sein. Mit dem vorgelegten Haushaltsentwurf werde nun das Ergebnis dieser Nicht-Einigung in den Bundestag delegiert und dies auch noch als „Souveränitätsgewinn für das Parlament verkauft“, bemängelte er. Der Entwurf sei „maximal unrealistisch, unehrlich und verantwortungslos“. Kein Haushaltsentwurf zuvor habe vom Umfang her so viele ungedeckte Positionen enthalten, befand der Unionsabgeordnete. „Es ist sicher davon auszugehen, dass Ihnen im Laufe des nächsten Jahres das Geld ausgehen wird“, prognostizierte Middelberg.
Die Ampel habe nicht nur eine Globale Minderausgabe (GMA) in Höhe von zwölf Milliarden Euro für den Gesamthaushalt eingeplant, sondern darüber hinaus noch 4,3 Milliarden Euro an Minderausgaben in den Einzeletats. Im Klima- und Transformationsfonds (KTF) schlummerten zudem noch ungedeckte Positionen im Umfang von zwölf Milliarden Euro. Demgegenüber stünde eine völlig unrealistische Einnahmeplanung mit zusätzlichen Steuereinnahmen in Höhe von sechs Milliarden Euro, sagte Middelberg.
SPD: Nicht bei Bildung, Demokratie und Zivilgesellschaft sparen
Dennis Rohde (SPD) erinnerte an Vorschläge zur Haushaltskonsolidierung, die sein Vorredner gemacht habe. Middelberg habe angeregt, die Bildungsprogramme zusammenzustreichen, „vorneweg das Zukunftschancenprogramm für die Schwächsten in unserer Gesellschaft“. Außerdem habe der Unionsabgeordnete gefordert, die „Demokratie- und Zivilgesellschaftsprogramme“ zusammenzustreichen. „In dieser Zeit bei Bildung, Demokratie und Zivilgesellschaft sparen zu wollen – auf diese Ideen muss man erst mal kommen“, sagte Rohde. Seine Fraktion werde immer für Demokratie und die unveräußerlichen und universellen Menschenrechte kämpfen, machte er deutlich: „Ganz besonders in diesem Haushalt.“
Rohde kündigte an, weiterhin der Ukraine helfen zu wollen. Damit werde die internationale Ordnung geschützt. Sollte es nicht gelingen, das eingefrorene Vermögen zu nutzen, um Waffen zu kaufen, „sind wir wieder am Ball“. Zur Friedenspolitik gehöre aber auch, die humanitäre Situation in den Blick zu nehmen und Fluchtursachen zu bekämpfen. Optimistisch zeigte sich der SPD-Abgeordnete mit Blick auf das von der Ampel geplante Wirtschaftspaket. Wer kritisiere, im Haushalt sei das Bürgergeld zu niedrig und die Steuereinnahmen zu hoch veranschlagt, „der glaubt nicht an die Wirtschaftskraft in diesem Land“.
AfD: Nicht durchfinanziert und verfassungswidrig
Peter Boehringer (AfD) hält den Haushalt schon angesichts der „völlig ungeklärten“ Globalen Minderausgaben von zwölf Milliarden Euro für nicht durchfinanziert und damit für verfassungswidrig. Dieser Betrag stelle aber nur die Spitze des Eisbergs dar. Zusätzlich fänden sich in fast allen Einzelplänen und dem KTF „lokale GMA-Anforderungen“. Diese summieren sich laut Boehringer auf mehr als 27 Milliarden Euro, was für insgesamt 39 Milliarden Euro an GMAs sorge. Unter den Minderausgaben finde sich auch eine Milliarde Euro bei der Bundeswehr. „Das ist unrealistisch“, so der AfD-Abgeordnete. Schließlich suche man verzweifelt Geld „für die Verlängerung des Ukrainekrieges, der nicht der unsere ist“.
Geradezu lächerlich, so Boehringer, sei zudem die Annahme beim Bürgergeld. Dank der „rechtsvergessenen Zuwanderungs- und Sozialpolitik für alle Welt“ werde viel mehr Geld benötigt. Budgetiert würden für 2025 aber 5,5 Milliarden Euro weniger als für 2024.
Grüne: Kein Kaputtsparen beim Klima
Sven-Christian Kindler (Bündnis 90/Die Grünen) zeigte sich erfreut, dass es im Haushalt ein Kaputtsparen beim Klima nicht gebe. „Das wird es auch in Zukunft mit uns nicht geben“, betonte er. Einen Sparkurs, wie von der Union gefordert, „der unser Land entzweit hätte“, werde es nicht geben. Mit dem Haushalt würden Prioritäten gesetzt, beispielsweise für die Versorgung und Absicherung von Kindern, so Kindler weiter. „Für uns Grüne ist die Bekämpfung von Kinderarmut ein Top-Thema in dieser Koalition.“ Auch beim Klimaschutz handle die Bundesregierung. Der KTF bleibe, trotz des Urteils aus Karlsruhe, „im Kern erhalten“.
Dennoch, so Kindler, sei der Haushalt noch nicht zu Ende gedacht. „Mir ist nicht klar, wie man ernsthaft angesichts dieser aktuellen Weltlage die humanitäre Hilfe und die Entwicklungszusammenarbeit so drastisch kürzen kann“, sagte er. Gleichzeitig forderte er mehr militärische Unterstützung für die Ukraine. „Unsere Freiheit wird in der Ukraine verteidigt“, sagte Kindler.
FDP: Investitionssumme wird gegenüber 2021 verdoppelt
Christoph Meyer (FDP) wies darauf hin, dass die Investitionssumme im Haushalt im Vergleich zu 2021 verdoppelt werde. Dennoch gelte es, private Investitionen anzureizen, weshalb die 49 Maßnahmen zur Wirtschaftswende mit dem Haushalt verknüpft werden müssten. Interessant, so Meyer sei es, welche Maßnahmen denn die Union mitzutragen bereit sei.
Beim Thema Bürgergeld sei darauf hinzuweisen, dass die Union den aktuellen Mechanismus vor zwei Jahren selbst mitbeschlossen habe. Beim Thema Schuldenbremse sei nicht klar, wo die Union stehe. Ob nun das CDU-Grundsatzprogramm von Friedrich Merz und Carsten Linnemann gelte, fragte Meyer. Oder ob man dem Berliner Bürgermeister Kai Wegner folge, der Meyer zufolge in Berlin die Notlage aufgrund der Flüchtlingssituation ausrufen wolle.
Linke: Weder Haushaltswahrheit noch Haushaltsklarheit
Christian Görke (Gruppe Die Linke) verteilte die Note mangelhaft. Eine Überbuchung von mindestens 24 Milliarden Euro habe mit Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit gar nichts zu tun.
Statt zu tricksen, müsse man sich um den „obszönen Reichtum beim deutschen Geldadel“ kümmern und die Schuldenbremse angehen, damit dringende Investitionen und die Entlastung der Mittel finanzierbar sind.
BSW: Luftbuchungen und unrealistische Prognosen
Amira Mohamed Ali (Gruppe BSW) sprach von einem Haushalt voller Luftbuchungen und unrealistischer Prognosen. Die Ampel wisse, dass ihnen der Haushalt in ein paar Monaten um die Ohren fliegen könne.
SPD, Grünen und FDP sei dies aber egal, so Mohamed Ali,weil es Ihnen nur um sich selbst und um Ihre Pöstchen geht„.
Ausgaben des Bundesfinanzministeriums
Das Bundesfinanzministerium soll im nächsten Jahr 10,14 Milliarden Euro ausgeben können, in diesem Jahr sind es mit 9,81 Milliarden Euro etwas weniger. Bei den Einnahmen wird ein Anstieg erwartet: von 242,25 Millionen Euro auf 408,8 Millionen Euro. Die Ausgaben für die Zollverwaltung schlagen mit 3,3 Milliarden Euro zu Buche (2024: 3,18 Milliarden Euro). 1,53 Milliarden Euro soll das Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) erhalten, das IT-Leistungen für Behörden und Organisationen des Bundes bereitstellt (2024: 1,6 Millionen Euro).
Die Finanzierung der Nachfolgeeinrichtungen der Treuhandanstalt schlägt mit 441,03 Millionen Euro zu Buche (2024: 427,19 Millionen Euro). Das Bundeszentralamt für Steuern darf mit 892,13 Millionen Euro rechnen (2024: 821,27 Millionen Euro).
Bundesrechnungshof und Bundesschuld
Der Bundesrechnungshof kann mit 197,56 Millionen Euro rechnen (2024: 191,81 Millionen Euro). Die Ausgaben des Einzelplans der Bundesschuld umfassen laut Regierungsentwurf 33,22 Milliarden Euro gegenüber 39,57 Milliarden Euro in diesem Jahr. Dem stehen Einnahmen von 53,52 Milliarden Euro gegenüber (2024: 52,9 Milliarden Euro). Kernbereich des Einzelplans ist einerseits die Kreditaufnahme und andererseits der Schuldendienst des Bundes.
Mit einer Kreditaufnahme von 51,3 Milliarden Euro statt 50,34 Milliarden Euro in diesem Jahr wird die Schuldenregel des Grundgesetzes eingehalten. Für den Schuldendienst sind 37,87 Milliarden Euro vorgesehen gegenüber 37,41 Milliarden Euro in diesem Jahr. Die Ausgaben für Bürgschaften, Garantien und sonstige Gewährleistungen summieren sich im Entwurf auf 4,04 Milliarden Euro (2024: 2,07 Milliarden Euro).
Allgemeine Finanzverwaltung
Dem Entwurf für den Einzelplan 60 (Allgemeine Finanzverwaltung) zufolge rechnet die Bundesregierung für 2025 mit steigenden Steuereinnahmen. Eingestellt ist ein Betrag von 388,45 Milliarden Euro (2024: 374,55 Milliarden Euro).
Leicht rückläufig sind die Ausgaben im Einzelplan der Allgemeinen Finanzverwaltung. Statt 46,72 Milliarden Euro im Jahr 2024 sind im nächsten Jahr nur noch 46,17 Milliarden Euro eingeplant.
Etwa gleich hoch sind die Einnahmen, die aus der Lohnsteuer und aus der Umsatzsteuer erwartet werden: bei der Lohnsteuer sind es 117,77 Milliarden Euro (2024: 107,06 Milliarden Euro), bei der Umsatzsteuer 119,63 Milliarden Euro (2024: 113,6 Milliarden Euro). Für die Erhebung der Eigenmittel der EU werden im Einzelplan 60 41,17 Milliarden Euro ausgewiesen (2024: 35,59 Milliarden Euro).
Haushaltsbegleitgesetz 2025
Gegenstand des Regierungsentwurfs eines Haushaltsbegleitgesetzes 2025 (20/12772) sind die im Haushaltsentwurf 2025 und im Finanzplan bis 2028 berücksichtigten Änderungen des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens “Vorsorge für Schlusszahlungen für inflationsindexierte Bundeswertpapiere„ (Schlusszahlungsfinanzierungsgesetz), des Gesetzes zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See (Windenergie-auf-See-Gesetz) sowie des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Laut Regierung soll das Gesetz dazu beitragen, dass die reguläre Obergrenze der Kreditaufnahme nach Artikel 115 des Grundgesetzes eingehalten wird. Das Gesetz soll am 1. Januar 2025 in Kraft treten, lediglich die Änderung des Windenergie-auf-.See-Gesetzes soll rückwirkend bereits zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Von der Rückwirkung betroffen ist in erster Linie die Verteilung der Einnahmen aus den Offshore-Ausschreibungen 2024.
Änderung des Schlusszahlungsfinanzierungsgesetzes
Durch die Änderungen des Schlusszahlungsfinanzierungsgesetzes soll der Bestand des Sondervermögens jeweils zu den Kuponterminen auf die über den Nennwert hinausgehenden Beträge reduziert werden, die zur Rückzahlung an Marktteilnehmer benötigt werden. Belastungen des Bundeshaushalts durch “unnötige Zuführungen an das Sondervermögen„ auf den Eigenbestand des Bundes würden dadurch vermieden und die Zahlungsverschiebungen zwischen den Haushaltsjahren deutlich vermindert.
Wie es heißt, muss der Bund bei Rückkäufen inflationsindexierter Bundeswertpapiere in den Eigenbestand an die Verkäufer einen Inflationsausgleich in Höhe der festgestellten Inflationsentwicklung zwischen dem ersten Zinslaufbeginn und dem Tag der Transaktion zahlen. Durch die Gesetzesänderung soll diese Belastung des Bundeshaushalts durch Entnahme aus dem Sondervermögen in Höhe der festgestellten Inflationsentwicklung vom ersten Zinslaufbeginn bis zum letzten Kuponstichtag jeweils zum 15. April weitgehend ausgeglichen werden. Die Änderungen sollen den Bundeshaushalt um rund 1,62 Milliarden Euro entlasten.
Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes
Durch die Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes will die Regierung die Transformationskomponente in den Ausschreibungen für die Windenergie auf See in den Jahren 2025 und 2026 verstetigen, die zur “Unterstützung der notwendigen Transformation„ in den Bundeshaushalt fließt. Mit der Verteilung der Einnahmen will sie sicherstellen, dass sowohl für Maßnahmen des Meeresnaturschutzes als auch für Maßnahmen der umweltschonenden Fischerei einschließlich Fischereistrukturmaßnahmen weiterhin in bedeutendem Umfang Mittel zur Verfügung gestellt werden können. Die Einnahmen aus den Ausschreibungen wollen aber auch dauerhaft für die “erheblichen Transformationsausgaben„ im Bundeshaushalt genutzt werden können.
Die Änderung des SGB VI entlastet nach Regierungsangaben den Bundeshaushalt, indem der Erhöhungsbetrag des zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung 2025 um eine Milliarde Euro, 2026 um 700 Millionen Euro und 2027 um 300 Millionen Euro gesenkt wird.
Nachtragshaushaltsgesetz 2024
Der Entwurf des Nachtragshaushaltsgesetzes 2024 (20/12770) sieht vor, für die Grundsicherung für Arbeitsuchende in diesem Jahr 3,7 Milliarden Euro mehr bereitzustellen als geplant. Als Grund dafür nennt die Bundesregierung die schwächere wirtschaftliche Entwicklung, die höhere Zahl von Leistungsempfängern und die höheren Zahlungsansprüche der Bedarfsgemeinschaften.
Um den Mehrbedarf bei Bundesautobahnen zu decken, sollen die Verkehrsinvestitionen um 300 Millionen Euro aufgestockt werden. Mehrbedarfe bei der Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und Mindereinnahmen aus dem europäischen Emissionshandel will die Regierung im Umfang von 10,375 Milliarden Euro ausgleichen, und zwar über eine Bundeszuweisung an den Klima- und Transformationsfonds (KTF). Darüber hinaus werden unter dem Strich Steuermindereinnahmen von rund 1,6 Milliarden Euro erwartet.
An Entlastungen nennt die Regierung Einnahmen aus der Bundesbeteiligung Securing Energy for Europe GmbH (SEFE) in Höhe von 275 Millionen Euro, geringere Bedarf zur Abwicklung der Gaspreisbremse (600 Millionen Euro) und bei den Personalverstärkungsmitteln (1,45 Milliarden Euro), Minderausgaben bei der Strukturstärkung für Kohleregionen in Höhe von 250 Millionen Euro und globale Mehreinnahmen von rund zwei Milliarden Euro aufgrund geringerer Eigenmittelabführungen des Bundes an die EU sowie einer möglichen Zahlung im Zusammenhang mit einem Anspruch des Bundes gegen ein Unternehmen, an dem der Bund beteiligt ist.
Mehrausgaben von rund zwölf Milliarden Euro
Der Nachtrag führt im Ergebnis dazu, dass sich Ausgaben und Einnahmen des Bundeshaushalts 2024 von bisher 476,81 Milliarden Euro um 12,07 Milliarden Euro auf 488,88 Milliarden Euro erhöhen. Die Steigerung gegenüber dem Bundeshaushalt 2023 würde danach 27,67 Milliarden Euro betragen.
Die Nettokreditaufnahme soll mit 50,3 Milliarden Euro ebenfalls höher ausfallen als die zunächst beschlossenen 39 Milliarden Euro. Die Nettokreditaufnahme liegt damit laut Entwurf genau im Rahmen der nach dem Grundgesetz maximal zulässigen Höhe. (hau/vom/scr/13.09.2024)