Scharfer Disput über Antrag zur Enquete-Kommission zu Integrationsproblemen
Die AfD-Fraktion fordert die Einsetzung einer Enquete-Kommission zu „kulturellen Differenzen als mögliche Ursache von Integrationsproblemen bei Zuwanderern in Deutschland“. Ein dazu vorgelegter Antrag (20/11957) wurde am Donnerstag, 27. Juni 2024, erstmals im Bundestag beraten. Im Anschluss an die Aussprache wurde die Initiative an den Ausschuss für Inneres und Heimat überwiesen.
AfD kritisiert Gegengesellschaften
Die große Mehrheit in Deutschland lehne die „Masseneinwanderung aus Orient und Afrika“ ab, sagte Dr. Bernd Baumann (AfD) zu Beginn der Debatte. „Die Deutschen fühlen sich fremd im eigenen Land“, so der AfD-Abgeordnete. Kulturelle Parallelgesellschaften breiteten sich immer rasanter aus.
Es handle sich um Gegengesellschaften, „die unserer Kultur feindlich gegenüberstehen“. Dabei gehe es nicht um die Ausländer an sich, betonte Baumann. Es gehe um Migranten aus bestimmten Herkunftsgebieten mit fremden Männlichkeitsvorstellungen und einer viel zu hohen Gewaltbereitschaft. „Das ist das Problem“, sagte er.
SPD: Fehler in der Integrationspolitik
„Kulturelle Unterschiede sind nicht pauschal Ursache für Integrationsprobleme“, sagte Gülistan Yüksel (SPD). Ein Blick auf die bisherige Integrationspolitik zeige die Fehler der Vergangenheit. Statt Menschen vollumfänglich in die Gesellschaft aufzunehmen, seien Zugewanderte bloß als Arbeitskräfte auf Zeit gesehen worden, kritisierte Yüksel.
Kettenduldungen und jahrelange unsichere Aufenthaltsperspektiven hätten dafür gesorgt, „dass sie hier nie richtig ankommen konnten“. Oft seien fehlende Rechte auch mit fehlenden Sprachkursangeboten einhergegangen. „Wie soll sich jemand integrieren, der nur schuftet und keine Zeit hat, die Sprache zu lernen?“, fragte sie.
CDU/CSU: Vertrauen der Bürger in den Staat sinkt
Nina Warken (CDU/CSU) nannte es ein Alarmsignal, dass das Vertrauen der Bundesbürger in den Staat zunehmend sinke. Die Menschen fühlten sich ob der Masse des Zustroms überfordert und seien ernsthaft besorgt, „ob uns die Integration so vieler Zuwanderer gelingen kann“. Die Integrationsfähigkeit Deutschlands sei durch die unkontrollierte Zuwanderung an ihre Grenzen gelangt, sagte Warken.
Ein wichtiger Baustein für Integration sei Arbeit, befand die Unionsabgeordnete. Hier brauche es deutlich mehr Engagement der Bundesregierung. Der AfD warf Warken vor, gar nicht an einer Integration interessiert zu sein. Sie versuche lediglich „auf populistische Art und Weise auf Wählerfang zu gehen“.
Grüne lehnen ethnopluralistische Grundvorstellung ab
Der Einsetzungsantrag der AfD basiere auf einer „ethnopluralistischen Grundvorstellung“, sagte Lamya Kaddor (Bündnis 90/Die Grünen). Er ziele zudem „im Sinne Sarrazins“ primär auf Menschen mit türkischer und arabischer Herkunft. „Keine seriöse und demokratische Partei kann einen solchen Vorstoß mittragen“, befand sie.
Das bedeute nicht, dass es mit türkischstämmigen oder arabischstämmigen Einwanderern keine Herausforderungen gebe. Diese ließen sich aber nicht im Stil der neuen Rechten „auf kulturelle Aspekte beschränken“, sagte die Grünen-Abgeordnete.
FDP: AfD schert alle über einen Kamm
Muhanad Al-Halak (FDP) warf der AfD vor, Muslime massenweise deportieren zu wollen, „unabhängig von der Staatsbürgerschaft“. Er sei es leid, dass die AfD „wieder einmal alle über einen Kamm schert“. Er selbst, so Al-Halak, sei als Kriegsflüchtling nach Deutschland gekommen und habe mit seiner Familie Schutz in Niederbayern gefunden.
„Trotzdem weiß auch ich: Es kann nicht jeder in der EU aufgenommen werden.“ Nicht alle, die an der EU-Grenze als Geflüchtete stehen, hätten einen Schutzanspruch, sagte der FDP-Abgeordnete. Daher sei es richtig, direkt an der EU-Grenze zu überprüfen, „ob jemand überhaupt eine Chance auf Asyl hat“.
Antrag der AfD
Die einzurichtende Enquete-Kommission solle sich unter anderem mit der Frage befassen, welche sozialisierten Differenzen in Verhaltenskulturen und Wertehaltungen dazu beitragen können, den voneinander abweichenden ökonomischen und gesellschaftlichen Integrationserfolg beziehungsweise -misserfolg unterschiedlicher Zuwanderergruppen in Deutschland und anderen Ländern der westlichen Welt zu erklären.
Prägungen von Migranten durch ihre Herkunftskultur führen laut AfD „nicht zwangsläufig zu Integrationsproblemen“. Auch Personen aus einigen räumlich sehr fernen Kulturkreisen wiesen teilweise überdurchschnittliche Integrationserfolge auf, wie sich etwa an den Integrationserfolgen der vietnamesisch-stämmigen Zuwanderer deutlich ablesen lasse.
Bildungserfolge unterschiedlicher Herkunftsgruppen
In einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützten Forschungsprojekt hätten der Soziologe Bernard Nauck, Professor an der Technischen Universität Chemnitz, und die Erziehungswissenschaftlerin Ingrid Gogolin, Professorin an der Universität Hamburg, untersucht, inwieweit unterschiedliche Herkunftsgruppen beispielsweise unterschiedlich bildungserfolgreich sind, heißt es in dem Antrag. Die Fragestellung sei in vietnamesischen, türkischen und deutschen Familien vergleichend untersucht worden.
Als zentrale Ergebnisse der Untersuchungen hätten die Forscher festgestellt, dass Schülerinnen und Schüler vietnamesischer Herkunft die höchsten Bildungserfolge zeigen – sogar höher als die Schülerinnen und Schüler deutscher Herkunft. 2014 hätten 64 Prozent der vietnamesischen Jugendlichen in Deutschland den Sprung ans Gymnasium geschafft. Dieser Anteil liege 20 Prozentpunkt höher als bei deutschen und sei fünfmal höher als bei türkischen Schülern.
Untersucht werden soll laut AfD-Fraktion auch, welcher Zusammenhang zwischen den „in vielen Herkunftskulturen aus Orient und Afrika verankerten traditionellen Vorstellungen von Familienehre, Großfamilienbindung und Clanbildung und der Korruption in Wirtschaft, Gesellschaft und Staat dieser Länder besteht“. Die Enquete-Kommission soll außerdem prüfen, welche Auswirkungen verhaltenskulturell bedingte Misserfolge der Integration für die Stabilität der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und für die Gesellschaft in Deutschland haben. (hau/27.06.2024)