Konzept zu Abkommen mit Drittstaaten ist zwischen Fraktionen strittig
Der Bundestag hat am Donnerstag, 27. Juni 2024, erstmals über einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/11949) debattiert, das „Konzept der sicheren Drittstaaten zum Leitprinzip des europäischen Asylrechts“ zu machen. Während Vertreter von SPD und Bündnis 90/Die Grünen der CDU/CSU in der kontrovers geführten Aussprache Populismus vorwarfen, sprach sich Stephan Thomae (FDP) für die Prüfung von Drittstaatenabkommen aus. Für die Umsetzung eines Drittstaatsmodells plädierte Dr. Gottfried Curio (AfD). Im Anschluss an die Aussprache wurde die Vorlage zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres und Heimat überwiesen.
Antrag der Union
Die CDU/CSU wirbt in ihrem Antrag für ein Drittstaatsmodell, „in dessen Rahmen jeder in einen sicheren Drittstaat außerhalb Europas überführt wird und dort ein Asylverfahren durchlaufen soll, der nach einem festzusetzenden Stichtag in der EU Asyl beantragt“. Im Falle eines positiven Ausgangs werde der sichere Drittstaat vor Ort Schutz gewähren, schreibt die Fraktion weiter. Bei einem negativen Ausgang solle der Antragsteller aus dem sicheren Drittstaat in sein Herkunftsland zurückkehren oder aber zurückgeführt werden.
„Dazu wird mit dem sicheren Drittstaat eine umfassende vertragliche Vereinbarung getroffen, die eine weitreichende Partnerschaft zwischen der EU und dem Drittstaat in allen Bereichen begründet“, heißt es in der Vorlage ferner. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, Gespräche zwischen der EU und Ruanda sowie weiteren Drittstaaten anzustoßen, um mit diesen Staaten über die Implementierung eines sicheren Drittstaatsmodells zu verhandeln. Auch soll die Bundesregierung nach dem Willen der CDU/CSU-Fraktion eine Öffnungsklausel im europäischen Asylrecht erwirken, die es den EU-Staaten ermöglicht, sichere Drittstaatenmodelle gegebenenfalls auch im Rahmen einer bilateralen Vereinbarung mit dem sicheren Drittstaat umzusetzen.
Bis zur Implementierung eines Drittstaatsmodells soll die Bundesregierung laut Vorlage zudem „kurzfristig wirksame Maßnahmen zur signifikanten Verringerung der irregulären Migration nach Deutschland“ umsetzen. Bis zu einem funktionierenden Außengrenzschutz müssten Grenzkontrollen an den Binnengrenzen erfolgen, führt die Fraktion dazu aus. Diese Kontrollen müssten prinzipiell mit der Zurückweisung von Personen verbunden werden, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des Schengen-Raums bereits Aufnahme gefunden haben oder die einen Asylantrag auch in einem Staat stellen können, aus dem sie einreisen wollen.
Union gegen ungesteuerte Migration
In der Debatte betonte Thorsten Frei (CDU/CSU), seine Fraktion wolle in der Migrationspolitik „Humanität und Begrenzung“ und glaube, dass dies am besten über das Konzept sicherer Drittstaaten erreicht werden kann. Wer auf der Flucht sei und humanitär schutzbedürftig sei, müsse auch Schutz finden können.
Die Unionsfraktion wolle aber keine ungesteuerte Migration, bei der kriminelle Schlepperbanden darüber entscheiden, wer in Deutschland Aufnahme finde. Daher sei sie dafür, Aufnahmeverfahren und Schutzgewährungen zu externalisieren und außerhalb Europas durchzuführen.
SPD verweist auf Neustart des EU-Asylsystems
Sebastian Hartmann (SPD) verteidigte die Migrationspolitik der Regierungskoalition. Diese habe einen Neustart des europäischen Asylsystems hinbekommen, Binnengrenzkontrollen eingeführt und bekämpfe die Schleuserkriminalität. Sie schließe Migrationsabkommen, führe Rückführungen durch und sage auch, dass Straftäter im Zweifel auch nach Afghanistan und Syrien zurückgeführt werden müssten.
Hartmann wandte sich zugleich gegen die von der Union geforderten Drittstaatsverfahren. Beim Ruanda-Modell, das in Großbritannien angewandt worden sei, seien Kosten von 1,8 Millionen Pfund pro Asylbewerber errechnet worden. Das sei „sauteuer“.
AfD: Der Wille fehlt
Dr. Gottfried Curio (AfD) sagte, Verfahren und Unterbringung seien auch in Drittstaaten wie Ruanda möglich. Wer wie die Regierung solche Unterbringungen in echten Drittstaaten blockiere, wolle „allein die Ausgrenzung des ganzen Modells“. Dabei zeigten Großbritannien und Dänemark, dass es sehr wohl ginge.
Als „mögliche Auffangländer“ nannte Curio Senegal, Ghana und Ruanda. Dabei müssten nicht nur neue Asylbewerber in solche Länder gebracht werden, sondern auch abzuschiebende. Die rechtlichen Voraussetzungen dazu seien einfach zu schaffen, sofern denn der Wille dazu vorhanden sei.
Grüne: Einrichtung rechtssicherer Verfahren scheitert
Lamya Kaddor (Bündnis 90/Die Grünen) nannte den Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion „abenteuerlich“. Der Sachstandsbericht der Bundesregierung zu Asylverfahren in Drittstaaten sage eindeutig, dass die Auslagerung der Verfahren unpraktikabel und viel zu teuer sei. Auch sei umstritten, ob die Verfahren rechtlich möglich wären. Dabei spreche man von einem „Bruchteil der Menschen, die diese Verfahren durchlaufen könnten, und das zu horrenden Preisen“.
Auch sei die dänische Regierung an der Einrichtung von rechtssicheren Verfahren in Drittstaaten gescheitert, und der britische Regierung drohe, abgewählt zu werden, „weil Geld eher nach Ruanda in die Unterbringung Geflüchteter fließt als ins marode Gesundheitssystem“.
FDP: Abkommen können nur ein Baustein sein
Für die FDP äußerte sich Thomae skeptisch zu dem Ruanda-Modell. Ruandas Präsident wolle sich von Großbritannien viel Geld dafür bezahlen lassen, wenige Flüchtlinge aufzunehmen. Deswegen glaube er nicht, dass dieses Modell funktionieren werde, sei aber dafür, Drittstaatenabkommen ernsthaft intensiv zu prüfen, fügte Thomae hinzu.
Dies werde auch derzeit von Bundesinnenminister Nancy Faeser (SPD) getan. Man müsse dann aber auch „Parameter entwickeln, wie sowas funktionieren kann“. Dazu müssten mit geeigneten Staaten faire Abkommen geschlossen werden. Drittstaatsabkommen könnten zudem nur ein Baustein dazu sei, Migration zu ordnen und zu begrenzen. (sto/27.06.2024)