Vor 25 Jahren: Bundestag beschließt Bau des Denkmals für die ermordeten Juden Europas
Höchstes politisches Signal gegen das Vergessen: Vor 25 Jahren, am Freitag, 25. Juni 1999, beschloss der Bundestag, das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ in Berlin zu errichten. Von der Bürgerinitiative bis zum Beschluss waren zehn Jahre vergangen, in denen über Sinn, Ort und Ausgestaltung eines solchen Denkmals diskutiert wurde. Schließlich sollte angesichts der nationalen Bedeutung und breiten Debatte in der Öffentlichkeit der Bundestag eine Entscheidung treffen. Sie fiel auf das Stelenfeld des amerikanischen Architekten Peter Eisenman.
In der Debatte ging es einmal grundsätzlich um die Frage, ob ein Denkmal den ermordeten Juden Europas oder allen Opfern des Nationalsozialismus gewidmet sein soll. Zweitens ging es auch darum, ob das Denkmal in der Form des Stelenfeldes nahe dem Brandenburger Tor errichtet werden soll oder als biblische Mahnung „Du sollst nicht morden“, wie es ein anderer Entwurf vorgesehen hatte.
Zur Entscheidung stand zudem, ob das Denkmal um einen unterirdischen Ort der Information über den Holocaust ergänzt werden soll.
Namentliche Abstimmung
Nach der gut vierstündigen Aussprache stimmte der Bundestag namentlich über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien (14/1238) ab. Von 537 abgegebenen Stimmen entfielen 314 auf den überarbeiteten Entwurf von Eisenman, verbunden mit einem Ort der Information über die zu ehrenden Opfer und die authentischen Stätten des Gedenkens. Es gab 209 Gegenstimmen und 14 Enthaltungen. Grundlage der Abstimmung war die vom Ausschuss geänderte Fassung eines Gruppenantrags von 40 Abgeordneten (14/943), darunter Gert Weisskirchen (SPD), Prof. Dr. Rita Süssmuth (CDU/CSU), Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).
Alle anderen Anträge mit Alternativvorschlägen (14/941, 14/942, 14/944, 14/965, 14/981), eingebracht jeweils von Gruppen von Abgeordneten, nicht von den Fraktionen, wurden für erledigt erklärt.
Keine Mehrheit fanden Änderungsanträge der Unionsabgeordneten Wilhelm Josef Sebastian, Hans-Otto Wilhelm und Dr. Gerd Müller (14/1255), des FDP-Abgeordneten Hildebrecht Braun (14/1241), der Abgeordneten Annette Widmann-Mauz, Ursula Heinen, Dr. Martina Krogmann und weiterer Unionsabgeordneter (14/1267, 14/1268), der Abgeordneten Professor Wolfgang Schulhoff (CDU/CSU), Dirk Fischer (SPD), Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) und 13 weiterer Abgeordneter von Union, SPD und FDP (14/1269) sowie der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (FDP), Prof. Dr. Rita Süssmuth (CDU/CSU), Dr. Gregor Gysi (PDS) und 22 weiterer Abgeordneter von FDP, Union und PDS (14/1261).
Beschluss des Deutschen Bundestages
In dem Beschluss heißt es: „Mit dem Denkmal wollen wir die ermordeten Opfer ehren, die Erinnerung an ein unvorstellbares Geschehen der deutschen Geschichte wach halten und alle künftigen Generationen mahnen, die Menschenrechte nie wieder anzutasten, stets den demokratischen Rechtsstaat zu verteidigen, die Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz zu wahren und jeder Diktatur und Gewaltherrschaft zu widerstehen.“
Darüber hinaus verpflichtet der Bundestag die Bundesrepublik, der anderen Opfer des nationalsozialistischen Regimes würdig zu gedenken.
Vorgeschichte
In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es Forderungen aus der Gesellschaft, der ermordeten Juden Europas in Berlin zu gedenken. Lea Rosh war die erste Initiatorin eines unübersehbaren Mahnmals. Nach dem Fall der Mauer schlug der aus einer Bürgerinitiative hervorgegangene „Förderkreis zur Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas“ als Standort ein Gelände nördlich der früheren Reichskanzlei in den ehemaligen Ministergärten vor.
Das Land Berlin und der Bund unterstützten diese Idee. Der Gewinner-Entwurf eines ersten Wettbewerbs 1994 wurde nicht umgesetzt. Auch nach einem zweiten Wettbewerb 1997 wurde keine Entscheidung getroffen. Das Denkmalprojekt hatte inzwischen eine grundsätzliche Debatte über das historische Selbstverständnis der Deutschen am Ende des 20. Jahrhunderts ausgelöst.
Parlamentarische Beteiligung
Angesichts der nationalen Bedeutung eines Denkmals waren bereits 1996 die Rufe nach einer parlamentarischen Entscheidung im Bundestag lauter geworden.
1998 bat der Berliner Senat den Bundestag, einen Beschluss zu fassen. Wegen der bevorstehenden Bundestagswahl kam es zu keiner weiteren Entscheidung, nachdem der überarbeitete Entwurf von Eisenman als Favorit des zweiten Wettbewerbs hervorging. Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl (CDU) regte noch eine Überarbeitung an. Eisenmans neuer Entwurf, „Eisenman II“, sollte später vom Bundestag beschlossen werden. Die neu gewählte Bundesregierung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen beschoss in ihrer Koalitionsvereinbarung, die Entscheidung über das Denkmal vom Deutschen Bundestag treffen zu lassen.
Stiftung eingesetzt
Die Denkmal-Projekt durchlief das Parlament fast wie ein Gesetzesvorhaben. Engagierte Debatten wurden geführt, aus den Reihen der Abgeordneten kamen verschiedene Vorschläge. Nach mehreren Anhörungen und Ausstellungen beschloss der Bundestag, ein Denkmal für die ermordeten Juden nach dem Entwurf eines Stelenfelds auf dem vorgesehenen Standort errichten zu lassen. Es sollte um einen „Ort der Information“ über die zu ehrenden Opfer und die authentischen Stätten des Gedenkens ergänzt werden. Zur Umsetzung des Beschlusses wurde eine Stiftung eingesetzt, in deren Kuratorium auch Bundestagsmitglieder mitwirkten.
Der Bundestag bewilligte im Jahr 2000 die Summe von 25,3 Millionen Euro für den Bau des Denkmals (Stelenfeld und Ort der Information). Knapp sechs Jahre nach dem Beschluss, am 10. Mai 2005, wurde das Denkmal eröffnet. (19.06.2024)