Parlament

Bundestagsabgeordnete würdigen zentrale Rolle Ägyptens in Nahost

Eine Gruppe von 12 Personen steht zusammen in einem Raum für ein Gruppenporträt

Die Delegation der Deutsch-Ägyptischen Parlamentarier beim Auswärtigen Ausschuss des ägyptischen Repräsentantenhauses in Kairo: von links Frank Hartmann, deutscher Botschafter in Ägypten, Rita Hagl-Kehl (SPD), Bernd Schattner (AfD), Stephan Albani (CDU/CSU), Ulrich Lechte (FDP), Karim Darwish, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses mit drei weiteren Parlamentarierinnen, Louisa Klewe (Bundestagsverwaltung) und ganz rechts Stefan Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen). (© Büro Rita Hagl-Kehl)

Es ist mit über hundert Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der arabischen Welt, die zweitgrößte Volkswirtschaft Afrikas, beherbergt einige der bedeutendsten Welterbestätten der Menschheit und spielt als Regionalmacht zwischen Afrika und Nahost sicherheitspolitisch eine wichtige Rolle: Ägypten. Um die parlamentarischen Beziehungen zu diesem Land zu pflegen, war eine Delegation der Deutsch-Ägyptischen Parlamentariergruppe des Bundestages im Februar 2024 zu politischen Gesprächen in dem Wüstenstaat. Die breite Palette an Themen – von der wirtschaftlichen Zusammenarbeit über den Tourismus bis hin zur Kooperation in den Bereichen Bildung, Forschung und Archäologie – zeigt die Vielfalt und Tiefe der bilateralen Beziehungen, sagt Stephan Albani (CDU/CSU), Vorsitzender der Deutsch-Ägyptischen Parlamentariergruppe

„Verständnis füreinander verbessert“

Insbesondere der Gaza-Krieg und die Situation der Menschenrechte seien angesprochen worden. Die letzte Reise einer deutschen Delegation nach Ägypten liege bereits acht Jahre zurück. Nun habe man sehr offene Gespräche geführt und das Verständnis füreinander verbessert eine gute Grundlage für die weitere Zusammenarbeit. 

Neben der Regierungsdiplomatie biete die parlamentarische Ebene eine „wertvolle Kommunikationsmöglichkeit“. Gesprächspartner der deutschen Delegation waren in Kairo Vertreter von Parlament und Regierung. Auf dem Programm standen außerdem ein Austausch mit der Präsidentin des nationalen Menschenrechtsrats, mit Vertretern der Wirtschaft sowie ein Abstecher zum Wasserkraftwerk in Assuan.

Streitthemen: Nahostkonflikt, Menschenrechtssituation

Die Eskalation der Gewalt im benachbarten Israel und Palästina sei von den Gastgebern immer wieder angesprochen worden, berichtet Albani. So auch beim Austausch mit Abgeordneten des Auswärtigen Ausschusses: „Es war immer wieder das zentrale Thema.“ Die „freundschaftlichen Beziehungen“ seien dadurch „etwas angespannt“. Man habe „die politischen Bruchkanten in diesem Bereich offen und mit gegenseitigem Respekt besprochen“. 

Ägypten sehe sich an der Seite der Palästinenser, betone vor allem das Elend der Flüchtlinge und prangere die israelische Militäroffensive in Gaza an. Von deutscher Seite gebe es dagegen eine „klare Positionierung pro Israel und dessen Selbstverteidigungsrecht. Wir haben deutlich gemacht, wer für diese Eskalation des Konflikts verantwortlich ist: die Terrororganisation Hamas mit ihren Anschlägen im vergangenen Oktober“, so Albani. 

„Menschenrechtslage offen angesprochen“

Es sei „wichtig zu wissen woher man kommt, aber es ist noch wichtiger, sich zu entscheiden wohin man gemeinsam will, nach vorne zu blicken und gemeinsame Ziele zu definieren“. Man sei schließlich übereingekommen, dass alle Anstrengungen unternommen werden müssten, den Krieg zu beenden und den Friedensprozess neu zu beleben. „Es wird am Ende nur eine politische Lösung geben müssen und können“, sagt Albani. 

Nicht unangesprochen lassen wollten die Bundestagsabgeordneten die Menschenrechtslage in Ägypten und statteten der dortigen Menschenrechtsbeauftragten der Regierung einen Besuch ab. Die in der ägyptischen Verfassung verankerten Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit seien in den vergangenen Jahren immer weiter eingeschränkt, die Verfassung selbst schließlich verändert worden. Menschenrechtsorganisationen und die internationale Presse hätten darüber berichtet. „In offenen Gesprächen, in sachlicher und friedlicher Weise“, habe man als deutsche Delegation seine Sicht vorgetragen „ohne dabei missionierend aufzutreten“, betont Albani.

Wirtschaftliche Dynamik Ägyptens

Die Delegation habe ein Land von großer wirtschaftlicher Dynamik erlebt und den Willen der Ägypter gespürt, ihr Land zu entwickeln, berichtet Albani: „Das schaffen sie aber nicht ohne Hilfe.“ Ob in der chemischen Industrie, bei großen Infrastrukturvorhaben oder beim Aufbau einer nachhaltigen Energieerzeugung: Für diese Milliardenvorhaben suche die Regierung in Kairo internationale Partner und erwarte Unterstützung und Investitionen auch aus Deutschland. 

Doch deutsche Unternehmen forderten bessere Rahmenbedingungen für den Privatsektor, von der Sicherheit bis zur Zahlungsmoral, bevor sie sich entscheiden, in Ägypten neue Standorte und Anlagen in Betrieb zu nehmen. Dies sei beim Gespräch in der Außenhandelskammer deutlich geworden. Weiterhin sei das Militär der größte Investor des Landes. Der ungünstige Wechselkurs des ägyptischen Pfunds machten zudem für ausländische Investoren Produktion und Projekte am Nil teuer.

Deutsche Urlauber größte ausländische Touristengruppe

Ägyptische Datteln sind fast so berühmt wie die Pyramiden. Dennoch warben auch die Abgeordneten des Landwirtschaftsausschusses im Kairoer Parlament für weitere ausländische Investitionen im Bereich der Landwirtschaft, erzählt der Leiter der deutschen Delegation. Als Anschauungsbeispiel für die nachhaltige Transformation der Landwirtschaft unter den Bedingungen des Klimawandels am Rande der Wüste besichtigten die Bundestagsabgeordneten die Bio-Farm „Sekem“, die im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gefördert wird. 

Zu den Haupteinnahmequellen Ägyptens gehöre weiterhin auch der Tourismus, erklärt Albani. Dieser erhole sich nach Corona und dem Krieg im Nahen Osten nur langsam. Ob Bildungsreise zu den Kulturstädten oder Tauchurlaub: Die Verantwortlichen wollen den Tourismus in Ägypten wieder ankurbeln und wünschten sich mehr Werbung im Ausland. Mit rund 1,3 Millionen Einreisen stellten deutsche Urlauber 2022 die größte Gruppe ausländischer Touristen in Ägypten, so das Auswärtige Amt. 

Enge wirtschaftliche Verflechtung

Insgesamt bestehe zwischen Ägypten und Deutschland eine enge wirtschaftliche Verflechtung, das deutsch-ägyptische Handelsvolumen betrug 2022 rund 5,5 Milliarden Euro. Mit 1,6 Milliarden Euro an Darlehen und Zuschüssen ist Ägypten eines der größten Partnerländer der deutschen Entwicklungspolitik.

Schwerpunkte sind eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, die Privatsektorentwicklung, sowie der Umwelt- und Klimaschutz, mit einem Fokus auf der Förderung erneuerbarer Energien. 

Fortschritte bei Bildung, Ausbildung, Fachkräfte

Beeindruckt sei er von den Fortschritten im ägyptischen Bildungswesen, so der Gründer von drei Start-ups im Bildungsbereich, der Ägypten seit den 1990er- Jahren kennt. Immer und überall frage er sich: „Wie können wir junge Leute dazu befähigen, das Land durch Innovationen nach vorne zu bringen?“ Auf dem Besuchsprogramm der deutschen Delegation standen daher die deutsch-ägyptische Universität sowie die Hochschule für angewandte Wissenschaft. Dort hätten sich die Abgeordneten bei Gesprächen und Präsentationen von dem hohen Niveau der Ausstattung und Ausbildung überzeugen können, berichtet Bildungspolitiker Albani. 

Durch die Bemühungen im Bildungsbereich, auch seitens der Privatwirtschaft, verfüge Ägypten mittlerweile, anders als noch vor 25 Jahren, über ein beträchtliches Reservoir bestens qualifizierter Fachkräfte, auf die auch deutsche Unternehmen gerne zurückgriffen. Seien deutsche Firmen damals mit ganzen Belegschaften nach Ägypten angerückt, könnten Siemens, Thyssen und Co. heutzutage ihren Bedarf an Arbeitskräften vor Ort mit Einheimischen decken, ja holten diese sogar häufig in die Zentralen nach Deutschland und füllten damit die Fachkräftelücke hierzulande. 

„Bemerkenswert und ein Highlight des Besuchsprogramms gewesen“ sei zudem die deutschsprachige Schule der katholischen Ordensgemeinschaft der Borromäerinnen, wo Mädchen aus Familien der christlichen Minderheit „mit hoher Motivation“ lernten, erzählt Albani. Viele von ihnen studierten in Deutschland und kehrten danach in ihr Heimatland zurück. 

Assuan-Stauwerk und Archäologie

Am Nil-Staudamm nahe Assuan stürzen die Wassermassen bis zu hundert Meter in die Tiefe und treiben die Turbinen an, die seit einem halben Jahrhundert einen Großteil der ägyptischen Elektrizität produzieren. Gleichzeitig ist es mit dem Stausee gelungen, den Wasserbedarf der Landwirtschaft am Nil gleichmäßig über das Jahr zu verteilen. Welche Ausbau- und Modernisierungspläne es für diese Großanlage gibt, darüber informierten sich die Abgeordneten vor Ort im Gespräch mit dem dortigen Gouverneur

Ägypten wolle das in den 1960er-Jahren mit sowjetischer Hilfe errichtete und technisch immer wieder nachgerüstete Bauwerk nachhaltig weiterentwickeln. Wartungsarbeiten würden bereits mit Hilfe der deutschen KfW-Bank finanziert. Wasserkraft sei die einfachste und nachhaltigste Methode zur Stromgewinnung, erklärt Diplom-Physiker Albani. Den Ausbau dieses Kraftwerks an einem der größten Flüsse der Welt zu unterstützen, sei daher ein beispielhaftes Entwicklungsprojekt. 

Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Archäologie

Auf einem anderen Gebiet arbeiten Deutsche und Ägypter schon länger zusammen. Ob die Ausgrabungen bei den Pyramiden, auf der Elefantineninsel oder im Nildelta: Bei der Sicherung der altägyptischen Kulturschätze durch Archäologen beider Länder könnten Deutschland und Ägypten auf eine erprobte, ja auf „ein fantastisches Beispiel der Zusammenarbeit“ zurückblicken, findet Albani. 

Das Deutsche Archäologische Institut sei ein angesehener Partner bei dem verantwortungsvollen Umgang mit den Grabungsstätten. Davon habe sich die Delegation bei ihrem jüngsten Besuch überzeugen können. Die traditionsreiche Zusammenarbeit beider Länder weiterzuführen und gemeinsam in vielen Bereichen Zukunftsfragen anzupacken, dazu wolle die Deutsch-Ägyptische Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag auch weiterhin einen Beitrag leisten. (ll/15.04.2024)