Brennpunkte sollen Bildungsleuchttürme werden
In diesem Sommer beginnt das „Startchancen-Programm“, mit einem Volumen von 20 Milliarden Euro die größte Maßnahme im Bildungswesen seit Gründung der Bundesrepublik. Von einer „Kampfansage an den Bildungsnotstand“, sprach Ria Schröder (FDP) am Donnerstag, 11. April 2024. In der Debatte über Antrag der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (20/10968) mit dem Titel „Gute Startchancen für mehr Bildungsgerechtigkeit“ erklärte Schröder, der Bund und die 16 Länder würden mit dem Programm einen „Paradigmenwechsel“ vollziehen, um die Lebenschancen junger Menschen besonders in sogenannten Brennpunktgebieten zu verbessern. „Wenn aus Brennpunkten Leuchttürme werden, dann ist das ein Aufbruchssignal“, sagte die FDP-Politikerin. Bildung sei das beste Mittel, um selbstbestimmt durch das Leben zu gehen und Armut zu vermeiden.
SPD: Startchancen-Programm ist ein großer Schritt
Bildung sei das Emanzipationsversprechen der SPD sei 160 Jahren, betonte Saskia Esken (SPD). Bildung befähige Menschen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Das Bildungssystem müsse sich den Herausforderungen einer diversen Gesellschaft stellen. Ein Viertel der Kinder könne am Ende der Grundschulzeit nicht genügend gut lesen, schreiben, rechnen und kommunizieren. In der Folge verlasse jeder 16. die Schule ohne Abschluss. Bei Migrationskindern sei dieser Anteil noch höher.
Das Startchancen-Programm sei ein „großer Schritt“ und unterstütze gezielt Schulen mit einem hohen Anteil an benachteiligten Schülerinnen und Schülern. Das Programm auf zehn Jahre anzulegen, sei sinnvoll, denn „der Kampf für mehr Bildungsgerechtigkeit ist ein Langstreckenlauf“.
Grüne: Kinder haben gleiche Startchancen verdient
Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von einem „großen Tag für Bildungsgerechtigkeit“. Jetzt werde Kooperation für Chancengerechtigkeit ganz konkret, denn Bildung sei „präventive Sozialpolitik“.
Bildungserfolg hänge in Deutschland immer noch viel zu stark von sozialer Herkunft, dem elterlichen Geldbeutel und der Postleitzahl ab. „Wir wollen das ändern. Wir werden das ändern. Alle Kinder haben gleiche Startchancen verdient“, sagte Gehring, der auch vom „Start einer Bildungswende“ sprach.
Union: Probleme an allen Schulen in unserem Land
Nadine Schön (CDU/CSU) wollte den Optimismus der Koalitionspolitiker nicht teilen. Der Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss steige, jeder sechste sei für den Arbeitsmarkt kaum noch vermittelbar. Das sei dramatisch, „denn in einer Zeit schrumpfender Wirtschaft brauchen wir dringend gute Fachkräfte“.
Das schon vor zwei Jahren angekündigte Startchancen-Programm komme zu spät und sei völlig unzureichend. Von elf Schülern würde gerade einer von dem Programm profitieren. „Wir haben aber Probleme an allen Schulen in unserem Land“, sagte Schön unter Verweis auf die jüngste Pisa-Studie.
AfD kritisiert Folgen ideologischer Politik
Dr. Götz Frömming (AfD) sagte, die Pisa-Studie habe gezeigt, wohin Bund und Länder „unser einstmals weltweit bewundertes Bildungssystem gebracht haben. Nicht nur die Gebäude sind verrottet, auch der Geist ist verrottet.“ Das sei einer Folge ideologischer Politik.
Dass nur 4.000 Brennpunktschulen gefördert würden und die anderen nicht, zeigt für Dr. Frömming, was die Lieblingsklientel der Koalition sei: Es seien die Schulen, an den besonders viele Kinder mit Migrationshintergrund seien. Die anderen Schulen würden bestraft, weil sie noch funktionieren würden.
Gruppe Die Linke: Volumen ist viel zu klein
Nicole Gohlke (Gruppe Die Linke) sagte, das Programm sei kein Einstieg in eine verlässliche Bildungsfinanzierung, da es zeitlich befristet, viel zu klein und nur punktuell wirksam sei.
Es gebe einen Investitionsstau bei Schulgebäuden von 50 Milliarden Euro. Das Programm habe aber nur ein Volumen von 20 Milliarden Euro.
Überweisung der Vorlagen an den Ausschuss
Der Koalitionsantrag wurde zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen. Darin heißt es zur Finanzierung, zehn Milliarden Euro sollten vom Bund und weitere zehn Milliarden Euro von den Ländern zur Verfügung gestellt werden. Bei der Verteilung der Mittel soll ein neuer Verteilungsschlüssel zum Einsatz kommen, der die Armutsgefährdungsquote, den Migrationshintergrund und das Bruttoinlandsprodukt berücksichtigt.
Ebenfalls überweisen wurde ein Gesetzentwurf der AfD-Fraktion (20/10980). Sie will, dass der Bund einen Investitionsfonds mit einem Volumen von 30 Milliarden Euro zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur einrichtet. Kommunen sollen aus den Mitteln des Fonds mit 50 Prozent Finanzhilfen bei Investitionen in ihre Schulinfrastruktur gefördert werden.
Antrag der Koalitionsfraktionen
Die Koalitionsfraktionen fordern die Bundesregierung auf, die Umsetzung des „Startchancen-Programms“ für mehr Bildungsgerechtigkeit zügig auf den Weg zu bringen. Dies soll gemeinsam mit den Ländern unter enger Einbindung von Kommunen, Zivilgesellschaft und Wissenschaft erfolgen, heißt es in dem Antrag. Dabei soll der Bürokratieaufwand durch die Nutzung innovativer digitaler Lösungen möglichst gering gehalten werden. Zugleich wird die Bundesregierung aufgefordert, gemeinsam mit Ländern und Kommunen langfristig eine engere, zielgenauere und verbindlichere Kooperation zu etablieren, „um gemeinsam gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen und Qualität, Vergleichbarkeit, Leistungsfähigkeit und Weiterentwicklung des Bildungswesens zu stärken, sowie bundesweite Standards zu definieren und langfristig zu einheitlichen Rahmenbedingungen in den Ländern zu kommen“.
Wie die Fraktionen in dem Antrag erläutern, wird das Startchancen-Programm einen Umfang von 20 Milliarden Euro haben. Davon werden zehn Milliarden Euro vom Bund und weitere zehn Milliarden Euro von den Ländern zur Verfügung gestellt. Damit sollen über einen Zeitraum von zehn Jahren Schülerinnen und Schüler in rund 4.000 Schulen in benachteiligten Lagen unterstützt werden. Dadurch würden ihre Bildungschancen und Zukunftsperspektiven verbessert. Vom Startchancen-Programm sollen bundesweit rund eine Million Schülerinnen und Schüler profitieren. Es sollen vor allem die Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung sowie die Basiskompetenzen der Schülerinnen und Schüler in Lesen, Schreiben und Mathematik an den teilnehmenden Schulen gestärkt werden.
Ein besonderer Fokus des Programms soll auf Grundschulen gelegt werden, „denn hier wird der Grundstein für den späteren Bildungserfolg gelegt“. Nach Angaben der Koalitionsfraktionen verfolgt das Programm das Ziel, die Zahl der Schülerinnen und Schüler an den Startchancen-Schulen, die die Mindeststandards in Mathematik und Deutsch verfehlen, zu halbieren. Bei der Verteilung der Mittel soll ein neuer Verteilungsschlüssel zum Einsatz kommen, der die Armutsgefährdungsquote, den Migrationshintergrund und das Bruttoinlandsprodukt bei der Mittelvergabe berücksichtigt.
Gesetzentwurf der AfD
Der Bund soll einen Investitionsfonds zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur einrichten. Unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und der Kultushoheit der Länder soll dieser Fonds mit insgesamt 30 Milliarden Euro ausgestattet werden, fordert die AfD-Fraktion in einem Gesetzentwurf (20/10980). Der Fonds soll von 2025 bis 2031 schrittweise aufgestockt werden. Kommunen sollen aus den Mitteln des Fonds mit 50 Prozent Finanzhilfen bei Investitionen in ihre Schulinfrastruktur gefördert werden.
Zur Begründung führt die AfD-Fraktion an, Entscheidungen der Bundesregierungen hätten die Schulen vor extreme Herausforderungen gestellt. Die Einwanderung habe zu einem drastischen Anstieg der Schülerzahlen geführt. Die durch die Maßnahmen während der Corona-Pandemie entstandenen Lernrückstände hätten bis heute nicht aufgeholt werden können. Zusätzlich seien seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine über 200.000 ukrainische Kinder in deutsche Schulen gekommen. Die Schulen seien darauf nicht vorbereitet gewesen. Die notwendigen Investitionsausgaben könnten die Kommunen nicht allein bewältigen. Daher sei es geboten, dass der Bund finanziellen Beistand leiste. (hle/11.04.2024)