Faeser: Deutschland vor einer herausfordernden Sicherheitslage
„Wir stehen auch hier in Deutschland vor einer herausfordernden Sicherheitslage“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) unter Verweis auf die Festnahme zweier Terrorverdächtiger aus dem islamistischen Spektrum in Gera, die einen Anschlag auf das schwedische Parlament geplant haben sollen. In der Regierungsbefragung im Bundestag betonte Faeser am Mittwoch, 20. März 2024, die Demokratie und ihre Institutionen müssten gut geschützt werden. Das gelte für den Kampf gegen den Islamismus wie für den Kampf gegen den Extremismus von links und von rechts, aber auch für den Kampf gegen die organisierte Kriminalität und gegen den Drogenhandel, der mit aller Härte geführt werden müsse.
Kampf gegen die organisierte Kriminalität
Die Bevölkerung müsse vor der Macht und den Machenschaften der Kriminellen geschützt werden. Eine Gewaltspirale wie in Belgien und in den Niederlanden müsse verhindert werden, sagte die Ministerin. Es werde eine direkte operative Polizei-Zusammenarbeit mit Lateinamerika geschaffen. Die Hafenstädte in Europa würden vernetzt, „um gemeinsamen den Verbrechern und den Hintermännern das Handwerk zu legen“. Die Finanzstrukturen der organisierten Kriminalität würden angegangen, deren Netzwerke gekappt.
Das gelte auch für die Netzwerke des Rechtsextremismus, so Faeser. „Wir lassen uns von Rechtsextremisten unsere Demokratie nicht beschädigen“, betonte sie. Darüber hinaus seien Angriffe auf die kritische Infrastruktur Teil der Zeitenwende. Neben der militärischen sei die zivile Verteidigung „absolut essenziell“. Finanziell müsse mehr in die zivile Verteidigung des Landes investiert werden.
Lemke: Public-Viewing-Verordnung für die EM
Neben der Innenministerin stellte sich auch die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) den Fragen der Abgeordneten. Sie berichtete, dass sich das Bundeskabinett mit einer Public-Viewing-Verordnung beschäftigt habe, damit die Übertragung von Spielen der Fußball-Europameisterschaft (EM) vom 14. Juni bis 14. Juli auf öffentlichen Plätzen möglich ist. Lärmschutz-Auflagen würden dafür gelockert. Gleichzeitig bleibe der Lärmschutz ein empfindlicher Gesundheitsfaktor. Mit der Ausnahmeregelung zur EM werde flexibel und pragmatisch umgegangen. Es liege in den Händen der Kommunen, dies vor Ort zu regeln.
Lemke ging auch auf den gerade veröffentlichten Klima-Zustandsbericht 2023 der Weltorganisation für Meteorologie ein. Der Bericht dokumentiere, dass die Klimakrise inzwischen ein neues Niveau erreicht habe. Der globale Meeresspiegel sei so hoch wie nie zuvor, das Abschmelzen der Gletscher noch nie so weit vorangeschritten wie derzeit, was Auswirkungen auf die Süßwasserreserven habe. Positiv sei, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien im letzten Jahr 500 Gigawatt erreicht habe. Es werde also gegengesteuert, wenn auch nicht schnell und intensiv genug, stellte die Ministerin fest.
Demokratiefördergesetz und Waffenrecht
Dr. Gottfried Curio (AfD) sprach die Innenministerin darauf an, dass ihr Kampf gegen Desinformation gegen elementare Rechtsprinzipien verstoße, was Faeser „auf das Schärfste“ zurückwies. Der Kampf gegen Rechts sei kein Eingriff in die Meinungsfreiheit, niemandes Meinungsfreiheit werde eingeschränkt. Das geplante Demokratiefördergesetz fördere hingegen Initiativen aus der Zivilgesellschaft.
Auf Defizite im Waffenrecht ging Carmen Wegge (SPD) ein. Faeser sagte zu, Änderungen würden zeitnah auf den Weg gebracht, der Gesetzentwurf befinde sich in der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung. Unter anderem gehe es um die Frage, wie überprüft werden kann, ob jemand zum Waffenbesitz geeignet ist.
Gesichtsabgleich und IP-Adressenspeicherung
Den Gesichtsabgleich und die Speicherung von IP-Adressen für die Terrorbekämpfung thematisierten Unionsabgeordnete. Dem CDU-Abgeordneten Alexander Throm, der nach einer Rechtsgrundlage für den Bilderabgleich im Internet gefragt hatte, erwiderte die Ministerin, dieser sei unter engen rechtlichen Voraussetzungen bereits jetzt schon möglich.
Im Übrigen gehe sie davon aus, dass die Regierung zur Speicherung von IP-Adressen zeitnah eine abgewogene Lösung vorlegen werde, wie sie dem CDU-Abgeordneten Michael Breilmann mitteilte.
Asylverfahren in Drittstaaten
Muhanad Al-Halak (FDP) fragte nach der Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten. Faeser verwies auf eine Verabredung innerhalb der Koalition sowie mit den Ministerpräsidenten der Länder, wonach Optionen geprüft werden sollen, ob Asylverfahren in anderen Staaten oder Transitstaaten durchgeführt werden können.
Das Thema Asylrechtsverschärfung sprach Clara Bünger (Gruppe Die Linke) an. Die Ministerin sagte, sie sei überzeugt, dass es richtig gewesen sei, ein europäisches Asylsystem auf den Weg zu bringen. Den Drittstaatslösungen stimme sie zu, wenn die europäischen Menschenrechtsstandards eingehalten würden. Am EU-Türkei-Deal, den Bünger ebenfalls ansprach, wolle sie festhalten, unterstrich Faeser.
Katastrophenschutz und Verbraucherschutz
Leon Eckert (Bündnis 90/Die Grünen) ging auf den Katastrophenschutz ein und stellte fest, dass Zehntausende Sirenen fehlten. Faeser bezeichnete es als ärgerlich, dass Sirenen abgebaut wurden. Die Regierung tue alles, damit ein besseres Warnsystem aufgebaut werden könne. Der „Sirenenaufbau“ gehe voran, wenn auch viel zu langsam. Der Bund gebe dafür Gelder, obwohl dies eine Länderaufgabe sei. Auf den Einwand von Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU), dass der Zivilschutz Sache des Bundes sei, sagte die Ministerin, es gebe eine gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern.
Linda Heitmann (Bündnis 90/Die Grünen) erkundigte sich bei der Verbraucherschutzministerin Lemke nach deren Schwerpunkten in der Verbraucherpolitik. Die Ministerin sagte, es gebe eine Intransparenz und hohe Preissprünge bei der Fernwärmeversorgung. In der Diskussion sei hier, durch Verordnungsvorschläge mehr Transparenz herzustellen. Ein zweiter Schwerpunkt sei das Recht auf Reparatur, das auf EU-Ebene diskutiert werde. Zum Zeitpunkt, wann die EU-Verbraucherkreditrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt wird, konnte Lemke noch keine Angaben machen.
Planungsbeschleunigung und Naturschutz
Daniel Rinkert (SPD) erkundigte sich nach den Potenzialen der Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung. Lemke sagte, entscheidende Punkte seien die Digitalisierung und die Personalausstattung von Behörden. Länder und Kommunen müssten das regeln. Für das Bürokratieentlastungsgesetz habe ihr Ministerien Maßnahmen beigesteuert. Die Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes werde die Wirtschaft vielfältig entlasten.
Der CDU-Abgeordnete Steffen Bilger kritisierte mangelnde Planungsbeschleunigung, die Novellierung des Bundesimmissionsschutzgesetzes komme nicht mit Deutschland-Geschwindigkeit voran, nachdem die erste Lesung des Gesetzentwurfs im Juli 2023 stattgefunden habe und im November 2023 ein Planungsbeschleunigungspakt mit den Länder-Ministerpräsidenten beschlossen worden sei. Die Ministerin widersprach dem Eindruck der Untätigkeit und verwies etwa auf den Bau von LNG-Terminals. Beschleunigung müsse in der Realität organisiert werden. Es dürfe bei der Planungsbeschleunigung nicht darum gehen, welche Umweltstandards man abbauen könnte.
Ralph Lenkert (Gruppe Die Linke) und Martin Sichert (AfD) sprachen das LNG-Terminal in Wilhelmshaven an, bei dem nach den Worten Sicherts 480 Millionen Liter Chlorwasser ins Meer geleitet worden seien. Die Ministerin sagte, die Energieversorgung der Bevölkerung und die Wahrung des Naturschutzes sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden. Der Naturschutz müsse gewahrt und die Energieversorgung gesichert werden.
Regulierung von PFAS
Dr. Rainer Kraft (AfD) wollte wissen, ob es ein „Komplettverbot“ bei Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) durch die Europäische Chemikalienagentur (Echa) geben werde. Lemke sagte, die Behörde prüfe auf Initiative von fünf EU-Staaten eine Regulierung für diese Substanzen, weil eine Gesundheitsgefährdung vorliege. Einen Komplettverbotsvorschlag habe es nie gegeben. Es gehe um einen differenzierten Regelungsvorschlag. Wenn Ersatzstoffe vorliegen, müsse man in Kauf nehmen, dass sie eingesetzt werden.
Der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer kritisierte, dass ein PFAS-Verbot aus Deutschland vorangetrieben werde. Lemke sagte, man strebe an, den Gesundheitsschutz aufrechtzuerhalten. (vom/20.03.2024)