Zeit:
Mittwoch, 21. Februar 2024,
11 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.200
Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie hat sich am Mittwoch, 21. Februar 2024, in einer öffentlichen Anhörung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG, 20/10014) befasst, mit dem die zweite Säule für den Aufbau der Wasserstoff-Infrastruktur entstehen soll. Dazu gehört neben der integrierten Netzentwicklungsplanung für Erdgas und Wasserstoff der Rahmen für die Finanzierung des Wasserstoff-Kernnetzes durch private Investoren.
Die meisten Sachverständigen begrüßten den Gesetzentwurf an sich. Massive Kritik machte sich aber an der Finanzierungsfrage fest.
Weltweiter Wettbewerb um Kapital
Die EnBW AG zum Beispiel bezweifelte, dass der Entwurf die gesetzten Ziele erreichen kann, sagte Markus Baumgärtner von der EnBW Energie Baden-Württemberg AG. Der Finanzierungsrahmen für H2-Projekte müsse, wie alle Energiewendeprojekte, im weltweiten Wettbewerb um Kapital bestehen können, um ausreichend Kapital anzuziehen, erklärte der Experte. Dafür müsse aus seiner Sicht der Selbstbehalt in Höhe von 24 Prozent deutlich gesenkt werden. Eine Forderung, die von den meisten Sachverständigen geteilt wurde.
Die Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) Gas seien bereit, ein angemessenes Risiko hinsichtlich der Finanzierung des Kernnetzes zu tragen, sagte Geschäftsführerin Barbara Fischer. Aber diese Risiken seien für die Netzbetreiber „erheblich“, sagte die Expertin. Durch die staatliche Absicherung würden zwar einige davon abgemildert, aber vor allem der vorgesehene Selbstbehalt der Netzbetreiber stelle aus Investorensicht eine zusätzliche Risikokomponente dar.
Das unternehmerische Risiko
Das unternehmerische Risiko ergebe sich für Fernnetzbetreiber vor allem daraus, dass der Erfolg des Markthochlaufes nicht in der eigenen Hand liege, stellte Thomas Gößmann von der Thyssengas GmbH fest: Die Rahmenbedingungen dafür, ob und wie die Netze genutzt würden, setze im Wesentlichen der Staat und beeinflusse damit massiv den Hochlauf. Das Kernnetz sei ein politisch gesetztes Netz, stimmte Kirsten Westphal vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft zu. Es werde die Basis einer Europäischen Infrastruktur bilden. Dabei habe Deutschland ein Alleinstellungsmerkmal, nämlich das gute Gaspipeline-Netz, so Westphal. Dass die Umstellung von bestehenden Gasleitungen auf Wasserstoff Vorrang vor dem Neubau habe – das mache die Transformation betriebs- und volkswirtschaftlich effizient.
Gabriël Clemens von der E.ON Hydrogen GmbH plädierte für einen zügigen Aufbau des Kernnetzes. Er sehe allerdings Handlungsbedarf beim Blick auf Kunden, die nicht unmittelbar über das Kernnetz versorgt würden, wie etwa energieintensive Unternehmen außerhalb von Ballungsgebieten. Für die müsse mit der gleichen Dringlichkeit das Anschlussnetz ausgebaut werden, forderte Clemens.
Die Gasverteilnetze und deren Umbau
Matthias Dümpelmann von der 8KU GmbH unterstrich: Die Gasverteilnetze und deren Umbau im Sinne einer Systemplanung müssten dringend die bisherigen Überlegungen ergänzen. „Das Kernnetz ist ein wesentlicher Baustein der Wasserstoff-Wertschöpfungs- und Lieferkette – aber er ist beileibe nicht der einzige“, sagte Dümpelmann.
Philipp Ginsberg vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) unterstrich: Um ein Ineinandergreifen der verschiedenen Netzebenen zu gewährleisten, sehe er erheblichen Nachbesserungsbedarf bei angedachten Planungs- und Abstimmungsprozessen. So sollten, auch um die Wärmeversorgung in den Kommunen voranzutreiben, die Transformationspläne der Gasverteilnetzbetreiber frühzeitig Eingang in den Gesetzgebungsprozess finden, forderte Ginsberg.
Experte: Strompreis bleibt der höchste in Europa
Klaus Ritgen, Vertreter für die Kommunalen Spitzenverbände nannte es „essenziell“, dass die Kommunen und die kommunalen Betriebe von Beginn an in die Transformationsplanung miteinbezogen würden. „Dies muss auch die kommunale Wärmespannung berücksichtigen“ sagte Ritgen.
Sebastian Heinemann von der Initiative Energien Speichern (INES) sagte, „die im Antragsentwurf angenommenen Ausspeisemengen für 2032 überschätzen den tatsächlichen Wasserstoffbedarf aller Voraussicht nach deutlich“. Er plädierte dafür, die Speicherkapazitäten an der Bedarfsperspektive auszurichten.
In einem ähnlichen Sinne stellte Benjamin Pfluger von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie fest, das vorgeschlagene Kernnetz sei nicht per se zu groß, in dieser Größe aber vermutlich zu früh. Besser wäre es, so Pfluges, die Netzgröße im Ausbau flexibel zu halten und sie an die tatsächliche Nachfrage anzupassen.
Diplom-Ingenieur Helmut Waniczek sagte voraus, dass der Strompreis in Deutschland in absehbarer Zukunft immer der höchste in Europa sein werde. Da zudem eine Umwandlung in Wasserstoff den Energiepreis verdreifache, sei weder die von der Bundesregierung gewünschte Versorgungssicherheit noch die Bezahlbarkeit gewährleistet, sagte der Experte.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Ziel des Gesetzesentwurfs ist die Schaffung des Rechtsrahmens für die Entwicklung einer nationalen Wasserstoffinfrastruktur, um einen schnellen und kostengünstigen Hochlauf des Wasserstoffmarktes zu ermöglichen, der vor allem der Dekarbonisierung dienen soll - insbesondere in den Wirtschaftssektoren mit den höchsten Treibhausgasemissionen, in denen auch unter Berücksichtigung von Umweltgesichtspunkten keine energie- und kosteneffizienteren Alternativen zu Wasserstoff verfügbar sind. Dafür sei es erforderlich, auf die vorhandenen privatwirtschaftlichen Strukturen aufzubauen, um das Know-how und Fachkräftepotential umgehend und bestmöglich nutzen zu können, heißt es in dem Gesetzentwurf.
Aufbauend auf der geplanten Schaffung eines Wasserstoff-Kernnetzes als erste Stufe enthält der vorliegende Gesetzentwurf die zweite Stufe zur Entwicklung eines Wasserstoffnetzes für die Beschleunigung des Wasserstoffhochlaufs. Ziel ist es, über das Wasserstoff-Kernnetz hinaus weitere Wasserstoffverbraucher und -erzeuger sowie Wasserstoffspeicher anzubinden und ein flächendeckendes Wasserstoffnetz aufzubauen. Hierzu soll zeitnah eine umfassende, turnusmäßige Netzentwicklungsplanung für Wasserstoff im EnWG eingeführt werden. Die Planung soll in einem integrativen Prozess zusammen mit der Netzentwicklungsplanung für Erdgas erfolgen, um die Wechselwirkungen zwischen beiden Bereichen zu berücksichtigen. Der Netzentwicklungsplan Gas und Wasserstoff werde ab 2025 etabliert und turnusmäßig alle zwei Jahre erstellt, heißt es. (mis/21.02.2024)