Zeit:
Mittwoch, 27. September 2023,
11 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.200
Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie hat sich am Mittwoch, 27. September 2023, im Rahmen einer Anhörung mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Energiewirtschaftsrechts an unionsrechtliche Vorgaben und zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften“ (20/7310) und einer Formulierungshilfe der Bundesregierung befasst. Neben dem Regulierungsthema ging es unter anderem um die Planung und Errichtung eines Wasserstoff-Kernnetzes und die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Netzausbau.
Anlass der Anpassung des Energiewirtschaftsrechts ist die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in einem Vertragsverletzungsverfahren, dass Deutschland die Elektrizitäts- und die Erdgasbinnenmarkt-Richtlinien des Dritten Energiebinnenmarktpakets in vier Punkten nicht zutreffend umgesetzt hat. Drei Klagepunkte des Vertragsverletzungsverfahrens betrafen Entflechtungsfragen. Der vierte Klagepunkt betrifft die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden von normativen Vorgaben des nationalen Gesetzgebers. Um die Entscheidung des EuGH im noch offenen vierten Klagepunkt umzusetzen, sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung vor bisherige Verordnungsermächtigungen durch Festlegungskompetenzen der Bundesnetzagentur zu ersetzen.
„Echte Zeitenwende“
Für den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) stellte Paula Hahn eingangs fest, in Umsetzung des Urteils brauche es einen zukunftsfesten und von der EU-Kommission bestätigten europarechtskonformen Rechtsrahmen. Der Gesetzentwurf setze dies weitgehend um. Rechtsstaatlich seien aber dringend weitere Vorkehrungen zu treffen, die das behördliche Handeln absichern.
Stefan Rogat von der Netze BW GmbH sprach von „einer echten Zeitenwende“: Die bisherige normative Regelung, die auf Verordnungsermächtigungen der Bundesregierung basierte, werde nun durch eine administrative Regulierung ersetzt, die auf Festlegungskompetenzen der Bundesnetzagentur fuße. Legislative und Exekutive fielen damit zusammen. Deshalb plädierte Rogat für die Schaffung eines wissenschaftlichen Beirats, der für eine bessere Nachvollziehbarkeit der Regulierungsentscheidungen sorgen könne.
Machtzuwachs für die Bundesnetzagentur
Auch Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht sieht in der Neuregelung einen großen Machtzuwachs für die Bundesnetzagentur. Aus großer Macht ergebe sich eine Verantwortung, sagte Müller.
Das Vorgehen – Abschaffung der Verordnungsermächtigungen, Schaffung entsprechender Festlegungsbefugnisse der Bundesnetzagentur bei befristeter Fortgeltung der heutigen Regelungen in den Strom- und Gaszugangsverordnungen, den Strom- und Gasnetzentgeltverordnungen und der Anreizregulierungsverordnung - sei aber „unionsrechtlich nicht zu kritisieren.“
Forderungen nach mehr Einfluss für den Bundestag
Der Einfluss des Bundestags beschränke sich künftig darauf, dass 16 Parlamentsmitglieder im Beirat der Bundesnetzagentur säßen, sagte Rechtsanwalt Stefan Wollschläger (SPD) Rechtsanwalt und Partner, Becker Büttner Held (BBH). Die Funktionen des Beirats bestünden im Energiebereich im Wesentlichen daraus, die Bundesnetzagentur bei der Erstellung von Berichten zu beraten. Wollschlägers Forderung: „Im Rahmen der vom EuGH aufgestellten Grundparameter sollten die Rechte des Beirates gestärkt und ein Stellungnahmerecht in allgemeinen Festlegungsverfahren eingeführt werden.“
Volle Zustimmung gab es dafür von Andreas Zuber vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU), dem es ebenfalls um die Sicherung der parlamentarischen Checks-and-Balances im Regulierungsverfahren ging. Auch eine unabhängige Regulierungsbehörde dürfe nicht vollkommen der parlamentarischen Kontrolle entzogen sein, sagte Zuber. Deswegen sollten die Beteiligungsrechte des Beirats entsprechend den im Gesetzentwurf vorgesehenen Beteiligungsrechten für den Länderausschuss gestaltet werden.
Problem der Abregelungen
Christoph Maurer, Geschäftsführer der Consentec GmbH, konzentrierte sich in seiner Stellungnahme auf die Regelungen zur Vermeidung der Abregelung von erneuerbarem Strom durch zuschaltbare Lasten. Die netzbedingte Abregelung erneuerbarer Energien habe 2022 bei rund8 TWh gelegen. Damit könnten bereits heute erhebliche Teile des Potenzials zur Erzeugung erneuerbaren Stroms nicht genutzt werden.
Maurer nannte es „vorzugswürdig“, wenn möglichst große Anteile der von Netzengpässen betroffenen Strommengen nicht abgeregelt, sondern in der Nähe der Erzeugungsstandorte durch zusätzlichen Stromverbrauch sinnvoll genutzt würden.
Ausbau des Wasserstoffnetzes
Matthias Dümpelmann, Geschäftsführer der 8KU GmbH legte, sein Augenmerk auf den Ausbau des Wasserstoffkernnetzes. Der erfordere beträchtliche Investitionen, die im direkten Kapitalmarktwettbewerb mit den Ausbauten der Stromnetze und anderen Infrastrukturprojekten stehe.
Der Aufbau eines Wasserstoff-Kernnetzes sei deshalb im Hinblick auf dessen Auslastung mit erheblichen Risiken verbunden, die bei der Ausgestaltung zu berücksichtigen seien: Nur dann fänden sich Unternehmen, die bereits seien zu investieren.
Beschleunigung des Netzausbaus
Für Tim Meyerjürgens als Vertreter der Übertragungsnetzbetreiber 50hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW war der wichtigste Punkt neben der Regulierungsfrage die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren für Höchstspannungsleitungen. Die Übertragungsnetzbetreiber würden es zugleich sehr begrüßen, so Meyerjürgens, wenn die EU-Notfall-Verordnung verlängert würde, damit sichergestellt sei, dass fürs erste auch künftig keine UVP sowie Artenschutz-Prüfung durchzuführen seien.
René Mono von E.ON begrüßte die Möglichkeit zum vorausschauenden Netzausbau und unterstrich die Bedeutung dieses Regelungsvorschlages für die weitere Integration sowohl von Erneuerbare-Energien-Anlagen als auch von neuen Verbrauchseinrichtungen. Sicherzustellen sei hier aber insbesondere, „dass die anerkannten regulatorischen Kosten nicht nachträglich, etwa durch überzogene Effizienzanforderungen, neutralisiert werden.“
Herausforderung „Energiespeicherung“
Für Florian Valentin vom Bundesverband Energiespeicher Systeme (BVES) steht außer Frage: Ohne Energiespeicher werde die erfolgreiche Fortsetzung der Energiewende zunehmend in Frage gestellt, ohne ausreichende Integration von Energiespeichern die Energiewende nicht gelingen. Die Einsicht habe sich auch durchgesetzt.
Aber: Mit den derzeit bestehenden Rahmenbedingungen für den Betrieb und Einsatz von Energiespeichern seien die ambitionierten Speicher-Ausbau-Pläne nicht zu erreichen, sagte Valentin. Er rate dringend, bestehende Hürden wie zum Beispiel die nur vorübergehende Befreiung von Netzentgelten zu beseitigen.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in einem Vertragsverletzungsverfahren entschieden, dass Deutschland die Elektrizitäts- und die Erdgasbinnenmarkt-Richtlinien des Dritten Energiebinnenmarktpakets in vier Punkten nicht zutreffend umgesetzt hat. Drei Klagepunkte des Vertragsverletzungsverfahrens betrafen Entflechtungsfragen. Der vierte Klagepunkt betraf die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden von normativen Vorgaben des nationalen Gesetzgebers.
Um die Entscheidung des EuGH im noch offenen vierten Klagepunkt umzusetzen, sieht der Gesetzentwurf (20/7310) der Bundesregierung vor, dass die Verordnungsermächtigung des Paragrafen 24 EnWG aufgehoben wird. Gleiches gelte laut Entwurf für die Verordnungsermächtigung des Paragrafen 21a EnWG, auf den sich zwar die Klage der Kommission nicht erstrecke, die von der Reichweite der Entscheidung des EuGH aber erfasst werde. Beide Verordnungsermächtigungen sollen daher durch Festlegungskompetenzen der nationalen Regulierungsbehörde ersetzt werden.
Bundesrat zur Anpassung des Energiewirtschaftsrechts
Der Bundesrat hat zum Gesetzentwurf Stellung genommen (20/8165). Darin begrüßt er die Anpassung des Energiewirtschaftsrechts und die darin vorgesehenen Rahmenbedingungen für den schnellen Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland. Der Aufbau eines bundesweiten Wasserstoffnetzes sei von strategischer Bedeutung und eine der entscheidenden Voraussetzungen für eine erfolgreiche Dekarbonisierung der Industrie und der Energiewirtschaft in Deutschland, heißt es darin.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, beim Aufbau einer geeigneten Wasserstoffinfrastruktur und eines Wasserstoff-Kernnetzes bis zum Jahr 2032 die regionalen Besonderheiten und Herausforderungen in den einzelnen Ländern und Regionen mit zu berücksichtigen. Eine enge Einbindung der Länder in die weiteren Entscheidungs- und Kommunikationsprozesse sei unerlässlich. Weiter führt der Bundesrat aus, der aus den Vorgaben des Bundes-Klimaschutzgesetzes notwendige Kohleausstieg in Deutschland werde nur gelingen, wenn kurzfristig auch genügend gesicherte, flexibel einsetzbare Kraftwerkskapazität neu entstehe. „Hier sind H2-ready-Gaskraftwerke und H2-Speicherkraftwerke an bisherigen Kraftwerksstandorten, die durch vorhandene Stromnetzanbindung und überschaubare Genehmigungsanforderungen eine Chance für schnellen Kapazitätsaufbau böten, ein entscheidender Beitrag zur Versorgungssicherheit.“
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darum, dass H2-ready-Gaskraftwerke, die sich in der Planung befinden oder für die eine Genehmigung beantragt wurde, bei der Entwicklung eines Wasserstoff-Kernnetzes ebenso berücksichtigt werden. Wenn noch keine leitungsgebundene Infrastruktur vorhanden sei, die von Erdgas auf Wasserstoff umgestellt werden könne, müsse der Bau von neuen Leitungsinfrastrukturen möglich sein. Der Neubau von Leitungsinfrastrukturen sei auf solche Standorte zu fokussieren.
In ihrer Gegenäußerung dankt die Bundesregierung dem Bundesrat für die Anmerkungen zum Gesetzentwurf allgemein betreffend das Wasserstoff-Kernnetz. Sie betont, dass die Länder nach dem Gesetzentwurf durch die Bundesnetzagentur Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen werden und unterstreicht, dass H2-ready-Gaskraftwerke, die sich in der Planung befinden und die übrigen Voraussetzungen erfüllen, als Anschlusspunkte bereits durch den Gesetzentwurf erfasst seien. (mis/27.09.2023)