Regierungserklärung

Bundeskanzler Olaf Scholz warnt vor Flächenbrand im Nahen Osten

Einen Tag nach seiner Rückkehr aus dem Nahen Osten hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag, 19. Oktober 2023, bei seiner Regierungserklärung zum EU-Gipfel am 26. und 27. Oktober erneut deutlich gemacht, dass Deutschlands Platz „in dieser schweren Zeit“ fest an der Seite Israels sei. Dies vor Ort in Israel zu unterstreichen, sei ihm sehr wichtig gewesen, sagte der Kanzler. Bei seinen Gesprächen mit dem König von Jordanien, dem Emir von Katar sowie dem ägyptischen und dem türkischen Präsidenten habe er sich auch dafür eingesetzt, „dass dieser Konflikt regional nicht weiter eskaliert“. Ein solcher Flächenbrand wäre verheerend für die ganze Region.

„Klare Kante“ gegen Antisemitismus

Scholz forderte zudem die Freilassung der von der Hamas verschleppten israelischen Geiseln „ohne Vorbedingungen“. Zugleich brauche es aber auch humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza, die ebenfalls Opfer und Geiseln der Hamas seien.

Mit Blick auf die antisemitischen Demonstrationen in Deutschland forderte Scholz, nicht wegzuschauen. Unsere Gesetze und Vorschriften müssten durchgesetzt werden. Die zuständigen Behörden dürften Versammlungen nicht zulassen, bei denen zu befürchten sei, dass antisemitische Parolen gebrüllt und der Tod von Menschen verherrlicht werde. „Hier ist eine klare Kante gefragt“, sagte er.

Winterpaket für die Ukraine

Der Kanzler versicherte außerdem der Ukraine die anhaltende Unterstützung Deutschlands und Europas. In Deutschland werde ein Winterpaket geschnürt, dass auch weitere Waffenlieferungen enthalte, damit sich die Ukraine gegen die Angriffe auf ihre zivile Infrastruktur wehren kann.

Begrenzung irregulärer Migration

Als eine weitere Herausforderung, die auch im Europäischen Rat eine Rolle spielen werde, benannte Scholz die „irreguläre Migration“. Es gelte alles dafür zu tun, dass die irreguläre Migration nach Europa und nach Deutschland begrenzt wird und der Staat darüber die Kontrolle behält. Wichtig dabei sei der Schutz der Außengrenze Europas. Positiv bewertete er, dass die gemeinsame Reform des europäischen Asylsystems möglich geworden sei.

Scholz sprach sich zudem für schnellere Asylverfahren, mehr Migrationsabkommen und die Ausweitung der Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge aus. „Ich begrüße, wenn vor Ort gemeinnützige Arbeit angeboten wird und wenn in den Einrichtungen Sachleistungen angeboten werden statt Geldzahlungen“, sagte er. Gleichzeitig unterstütze er auch Bemühungen der Länder, eine einheitliche Bezahlkarte zu entwickeln.

Union: Wir stehen an der Seite Israels

Für seine Nahost-Reise und die diplomatischen Bemühungen der Bundesregierung erhielt Scholz während der sich an seine Regierungserklärung anschließenden Aussprache Lob von fast allen Fraktionen. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Friedrich Merz, dankte Scholz ausdrücklich dafür, vor Ort die Solidarität und Unterstützung Deutschlands zum Ausdruck gebracht zu haben. „Es darf keinen Zweifel daran geben, dass wir an der Seite Israels stehen“, sagte Merz.

Was die Unterstützung der Ukraine angeht, so betonte der Unionsabgeordnete, vom Europäischen Rat müsse ein deutliches Signal ausgehen, dass die EU hierbei nicht nachlassen werde. Den Kanzler kritisierte Merz hingegen dafür, bei seiner Rede nicht erläutert zu haben, warum er noch immer gegen die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper an die ukrainische Armee sei.

Mit Blick auf die europäische Zusammenarbeit forderte der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion die Bundesregierung auf, für eine neue Dynamik im Verhältnis zu Frankreich zu sorgen. Es gebe derzeit eher ein Nebeneinander als ein Miteinander, kritisierte er. Außerdem verlangte Merz vor dem Hintergrund der Wahlen in Polen, schon jetzt eine neue strategische Agenda zu erarbeiten.

Bei der antisemitischen Hetze auf deutschen Straßen forderte Merz ein hartes Durchgreifen von Polizei und Justiz. Er erinnert daran, dass die Union der Bundesregierung Vorschläge zur Bewältigung der Flüchtlingskrise unterbreitet habe. Eine Antwort darauf habe er jedoch noch nicht erhalten.

Grüne: Solidarität mit Juden in Deutschland

Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen) forderte ebenfalls die Freilassung der Geiseln ohne Vorbedingungen. Deutschland müsse fest an der Seite Israels stehen. Die Lage der Menschen in Gaza sei ebenfalls verzweifelt, sagte Haßelmann. Verantwortlich dafür sei aber „einzig und allein die Hamas“. Dennoch brauche es humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung. Benötigt würden humanitäre Korridore und Grenzöffnungen.

Als erschreckend bezeichnete sie die Situation in Deutschland. Haßelmann betonte die Solidarität mit den hier lebenden Jüdinnen und Juden und forderte eine scharfe Ablehnung jedweden Antisemitismus.

Die Grünenabgeordnete verwies ebenso wie der Kanzler auf die in Gang gebrachte gemeinsame europäische Asylpolitik. Endlich werde darüber ernsthaft beraten, sagte sie. Gut und wichtig nannte sie die Seenotrettung. Wenn sich die EU darüber nicht verständigen kann, müssten andere Akteure helfen, so Haßelmann.

AfD: Vermittlung ist das Gebot der Stunde

Tino Chrupalla (AfD) verurteilte „aufs Schärfste“ den Angriff der Hamas auf Israel. „Für die Entführung und Ermordung von Zivilisten gibt es keine Rechtfertigung“, betonte der AfD-Fraktionsvorsitzende. Israel habe das völkerrechtlich verbriefte Recht zur Selbstverteidigung, sagte er. Dabei müsse aber darauf geachtet werden, dass keine humanitären Katastrophen entstehen. In der Region müsse eine Eskalation abgewendet werden.

Der Bundeskanzler habe mit seinem Besuch gezeigt, „dass Vermittlung und Verhandlung das Gebot der Stunde sind“, lobte Chrupalla. Die Bundesregierung müsse nun aber dafür Sorge tragen, dass eine weitere Migrationswelle nach Europa und Deutschland verhindert wird.

FDP will „deutliche Antwort des Rechtsstaates“

Christian Dürr (FDP) forderte ein energisches Vorgehen gegen antisemitische Umtriebe in Deutschland. „Was man derzeit auf den Straßen in Deutschland erlebt, ist eine Schande“, sagte er. Der Bundesjustizminister stehe nun in einem engen Austausch mit seinen Kollegen in den Ländern, „um eine deutliche Antwort des Rechtsstaates zu geben“. Es dürfe keine Vollzugsdefizite geben.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende fordert zudem eine Wende in der Migrationspolitik. Bargeldzahlungen an Asylbewerber sollten eingestellt werden, sagte er. „Ich erwarte, dass das der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz wird“, machte er deutlich.

Linke: Existenzrecht Israels ist nicht verhandelbar

Amira Mohamed Ali (Die Linke) betonte, das Existenzrecht Israels sei nicht verhandelbar. Israel habe das Recht, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen. Die völlige Unterbrechung der Versorgung Gazas mit Strom, Wasser und Lebensmitteln sei aber mit dem Völkerrecht nicht vereinbar, kritisierte sie. Auch sei eine Kollektivbestrafung von Menschen, die mit den Gräueltaten der Hamas nichts zu tun hätten, unzulässig. „Ich finde es erschreckend, dass in der Debatte den Palästinensern teilweise das Menschsein abgesprochen wird“, sagte Mohamed Ali.

Auf die Situation in der Ukraine eingehend fordert die Linken-Abgeordnete Diplomatie, „um diesen schrecklichen Krieg zu beenden“. Es brauche einen Kurswechsel. Das gelte auch für die Sanktionspolitik der Bundesregierung, die Russland kaum schade, aber die heimische Wirtschaft gefährde.

SPD: Wir müssen ein klares Signal geben 

Dirk Wiese (SPD) dankte der Polizei, die in ihren Einsätzen gegen antisemitische Demonstranten den Rechtstaats verteidige. Es gebe aber in Deutschland nicht nur solche Demonstrationen, „sondern auch Menschen, die für Israel aufstehen“. Alle seien gefordert Antisemitismus zu bekämpfen. „Wir müssen ein klares Signal geben: Jüdisches Leben gehört zu diesem Land“, sagte der SPD-Abgeordnete.

Wiese begrüßte die aktuellen Vorschläge zur Flüchtlingspolitik. Es sei gut, wenn mit allen Ministerpräsidenten ein Signal ausgesendet werde, „dass wir diese Herausforderung annehmen und wissen, dass wir es auf allen Ebenen lösen müssen“. (hau/19.10.2023)