Plenardebatte über Lage im Handwerk
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben sich am Mittwoch, 27. September 2023, mit der Lage im Handwerk befasst. Die Parlamentarier berieten in einer Aktuellen Stunde auf Verlangen der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP über das Thema „Gemeinsam für unser Handwerk“.
Staatssekretär: Kernstück der deutschen Wirtschaft
Michael Kellner (Bündnis 90/Die Grünen), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, sagte in der Aktuellen Stunde, das Handwerk sei das „Kernstück der deutschen Wirtschaft“. Er wünsche sich deshalb, „dass Handwerksabschlüsse in Zukunft genauso gewertet werden wie Studienabschlüsse“.
Um das zu erreichen, müssten in der Berufsberatung alle Wege in den Blick genommen und nicht nur ein Studium empfohlen werden. Um eine hohe Qualität der Ausbildung in den über 130 Handwerksberufen zu garantieren, werde die Bundesregierung „auch in schwierigen Zeiten eine auskömmliche Finanzierung bereitstellen“, sagte Kellner. Er bedankte sich zudem besonders bei jenen Betrieben, die Geflüchtete ausbilden: „Sie setzen damit ein wichtiges Zeichen für Integration und gegen Fremdenfeindlichkeit.“
Union kritisiert Etat-Kürzungen
Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU), befand, die Ampelfraktionen seien mit der Aktuellen Stunde „wie so oft zu spät dran“. Der Tag des Handwerks habe bereits am 16. September stattgefunden. „Es gibt hier wieder nur ein paar warme Worte von Ihnen, aber inhaltlich findet nichts statt“, sagte Grosse-Brömer im Plenum. Die Ampel solle endlich das machen, was sie immer anspreche. Stattdessen sei im Haushaltsentwurf eine Kürzung von elf Millionen Euro bei der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung vorgesehen: „Das ist ein fatales Signal.“
In der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage würden vier von zehn Betrieben in Umfragen ihre Situation als unsicher angeben, doch diese Betriebe würden aber von der Regierung allein gelassen, so der Christdemokrat: Den bekannten Satz ‚Die verstehen ihr Handwerk‘ würde man derzeit in Deutschland über die Regierung deshalb nirgendwo hören.
SPD: In Schulen für das Handwerk werben
Hannes Walter (SPD) erwiderte darauf, dass Grosse-Brömer behaupte, der Haushalt sei schon beschlossene Sache. Aber die Haushälterinnen und Haushälter würden erst in dieser Woche verhandeln. „Und es immer wichtig, über das Handwerk zu reden, selbst wenn der Tag des Handwerks schon ein wenig her ist.“
Walter identifizierte ebenfalls die Ausbildung als einen wichtigen Baustein, um das Handwerk in Deutschland zu unterstützen. „Wir müssen in den Schulen die Perspektiven besser aufzeigen, und vor allem deutlich machen, dass die Zeiten von Männer- und Frauenberufen vorbei sind.“ In diesem Sinne müsse insbesondere der Mutterschutz von selbstständigen Handwerkerinnen gestärkt werden, so Walter. „Damit wir auch in Zukunft sagen können: ‚Das Handwerk in Deutschland hat goldenen Boden‘.“
AfD kritisiert „Überakademisierung“ und Bürokratie
Bernd Schattner (AfD) sagte, das Handwerk, das den „Kern des Mittelstands“ bilde, sei so stark belastet wie nie zuvor. Er korrigierte Walters Zitat, das richtig heißen müsse: „Handwerk hat goldenen Boden, sprach der Weber, da schien ihm die Sonne in den leeren Brotbeutel.“ „Überakademisierung“ und Bürokratie lähme die Betriebe, so Schattner. Wer sich heute selbstständig machen wolle, müsse eine Bürokraft in Vollzeit einstellen, die sich nur mit Bürokratie beschäftige. Im vergangenen Jahr hätten 3270 Handwerksbetriebe Insolvenz angemeldet, das seien zwölf Prozent mehr als im Jahr zuvor, sagte der AfD-Abgeordnete. „Die Regierung hat das Vertrauen des Handwerks längst verspielt“, schloss Schattner seine Rede.
FDP: Wir arbeiten weiter an zeitnahen Lösungen
Manfred Todtenhausen (FDP) fand, dass in Zeiten, in denen viel über Industrie und Konzerne gesprochen werde, die kleinen Betriebe zu kurz kämen. „Dabei sind die der Kern unseres Wirtschaftsmodells“, sagte der Liberale im Plenum, „die Marktwirtschaft zeichnet sich schließlich aus durch einen Wettbewerb zwischen Kleinen und Großen.“
Handwerker könnten nicht wie Großkonzerne mit Abwanderung ins Ausland drohen, angesichts der momentan angespannten Lage sei die Ungeduld des Handwerks groß. Die Regierung habe bereits mit drei Entlastungspaketen und dem 200-Milliarden-Euro-Entlastungsschirm geholfen. „Und wir arbeiten weiter an zeitnahen Lösungen“, sagte Todtenhausen.
Linke: Handwerk hat im Bundestag keine Lobby
Alexander Ulrich (Die Linke) sagte, dass Handwerkerinnen und Handwerker, die in der Aktuellen Stunde auf neue Impulse gehofft hatten, enttäuscht worden seien. „Stattdessen haben Sie sich hier gegenseitig Zahlen erklärt, die jeder nachlesen kann“, sagte Ulrich in Richtung der anderen Fraktionen.
Das Handwerk habe im Bundestag nicht die Lobby, die andere Wirtschaftszweige hätten. Der Linke zitiert die „Handwerkszeitung“ laut der nur 32 Parlamentarierinnen und Parlamentarier des Deutschen Bundestages einen handwerklichen Bezug haben. „Das sind gerade mal 4,4 Prozent der Abgeordneten“, so Ulrich. In der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen gibt es laut Ulrich keinen einzigen Handwerker. „Wir brauchen eine andere Zusammensetzung des Deutschen Bundestages“, schloss er daraus.
Grüne: Arbeitsverbote müssen fallen
Andreas Audretsch (Bündnis 90/Die Grünen) fokussierte sich auf den Mangel an Arbeits- und Fachkräften im Handwerk. Das Schlimmste sei für einen Betrieb, wenn er einen Mitarbeiter ausbilde und diesen dann nicht behalten dürfe.
Die Regierung habe sich deshalb dafür eingesetzt, dass künftig eine Ausbildungsduldung zu einer Aufenthaltsgenehmigung für Ausländerinnen und Ausländer werden könne. „Das macht Sinn, vor allem für das Handwerk, so Audretsch, da dort bald 400.000 Arbeitskräfte fehlen werden. “Die Arbeitsverbote müssen fallen„, sagte der Grüne: “Es macht keinen Sinn, dass Menschen hier sind, die nicht arbeiten dürfen und gleichzeitig im Handwerk Leute fehlen.„ (emu/27.09.2023)