Bundestag sichert Libyen und Marokko Unterstützung zu
Der Bundestag hat den Betroffenen und Angehörigen der Opfer der Naturkatastrophen in Marokko und Libyen sein Mitgefühl ausgesprochen und umfassende Unterstützung durch Deutschland zugesichert. Menschenleben zu retten und die von Erdbeben und Überschwemmungen zerstörten Städte und Regionen wiederaufzubauen, sei jetzt „Aufforderung und Akt der Solidarität“, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Bärbel Kofler, am Mittwoch, 20. September 2023, in einer von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP verlangten Aktuelle Stunde.
Dass BMZ stehe bereit, Nothilfe zu leisten und seit Jahren bestehende Programme im Marokko an die aktuelle Lage anzupassen, sobald die dortige Regierung die Hilfsangebote annehme. In Libyen, sagte Kofler, habe das BMZ in den vergangenen Jahren den Wiederaufbau nach dem Bürgerkrieg unterstützt und unter anderem Gesundheitsstationen aufgebaut und Fachkräfte ausgebildet. Diese Strukturen könnten die Helfer nun nutzen. Um den großen Hilfsbedarf nach der Flutkatastrophe vom 10. September zu decken, sei jedoch ein koordiniertes, multilaterales Engagement vonnöten.
Grüne: Internationale Gemeinschaft muss an einem Strang ziehen
Die internationale Gemeinschaft müsse jetzt an einem Strang ziehen und eigene Interessen, insbesondere in Bezug auf Libyen, hintenanstellen, betonte Tobias B. Bacherle (Bündnis 90/Die Grünen) mit Blick auf Staaten wie Ägypten, die Türkei und Italien.
Insgesamt zeige der Umgang mit der Flutkatastrophe in Libyen, wie wichtig es sei, das zweigeteilte Land wieder zu einem funktionierenden und einheitlich agierenden Staat zu machen. Dabei komme der Bundesregierung eine besondere Rolle zu, die 2020 den Berliner Prozess ins Leben gerufen habe, um dazu einen Beitrag zu leisten.
SPD: Bevölkerung ist die Grabenkämpfe leid
Für die SPD warnte Dr. Karamba Diaby vor der Gefahr, die im besonders betroffenen Osten agierende Gegenregierung unter General Haftar könne die Katastrophe politisch instrumentalisieren, indem sie medial als „starken Helfer“ präsentiere.
Allerdings wachse die Wut in der Bevölkerung, sie sei die Grabenkämpfe leid und fordere Einigkeit, die Einhaltung der Menschenrechte und einen gerechten Einsatz von Ressourcen. „Diesen Wunsch müssen wir nachdrücklich unterstützen“, forderte Diaby.
FDP: Hilfe darf nicht in falsche Hände geraten
Dafür sprach sich auch Peter Heidt (FDP) aus. „Im Land gärt es“, sagte er, auch weil eine wirksame Koordination der Hilfen im „Failed State“ Libyen kaum möglich sei. Wie andere Redner äußerte Heidt den Verdacht, die Staudämme seien nicht ordnungsgemäß gewartet worden.
Nach der Katastrophe sei fraglich, ob die Hilfen überhaupt bei den Betroffenen ankämen. „Sie darf nicht in falsche Hände geraten“, warnte der FDP-Politiker mit Blick auf die hohe Korruption in Libyen. Journalisten müssten Zugang zu den Krisengebieten haben, um Missstände aufzudecken und publik zu machen.
Union fordert Wiederbelebung des Berliner Prozesses
Unverständnis über das Thema der Aktuellen Stunde äußerten Jürgen Hardt (CDU/CSU) und Stefan Keuter (AfD). Der Bundestag könne in der jetzigen Situation nicht viel machen, urteilte Hardt, für Keuter wäre eine Debatte über die Lage in Bergkarabach wichtiger gewesen.
Hardt kritisierte außerdem die Bundesregierung wegen ihres aus seiner Sicht zu geringen Engagements für den Berliner Prozess. Zwar sei noch unter Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) ein Waffenstillstand erreicht worden, seitdem habe es keine Fortschritte mehr in Richtung eines funktionierenden staatlichen Akteurs gegeben. Die Ampelkoalition sollte die Flutkatastrophe zum Anlass nehmen, den Prozess neu zu beleben.
AfD verweist auf Westsahara-Frage
Stefan Keuter (AfD) warf den USA und ihren Partnern vor, das Land im Jahr 2011 „in die Steinzeit zurückgebombt“ zu haben. Nun gebe es ein „vom Bürgerkrieg zerpflücktes Land“, und es sei zu befürchten, dass Gelder für Wartung der Staudämme veruntreut wurden.
Dass Marokko die Hilfsangebote aus Deutschland bisher nicht angenommen habe, führte der AfD-Abgeordnete auf die Position der Bundesregierung in der Westsahara-Frage zurück. „Den Marokkanern ist ihre Lösung wichtig, erkennen Sie diese an, dann haben wir auch wieder ein gutes Verhältnis zu Marokko“, urteilte Keuter.
Linke: Klimapolitik ist eine internationale Aufgabe
Amira Mohamed Ali (Die Linke) betonte, sintflutartige Regenfälle seien auch Folge der steigenden Wassertemperatur des Mittelmeers. „Uns wird dramatisch vor Augen geführt, dass Klimapolitik eine internationale Aufgabe ist, die entschieden und konsequent angegangen werden muss.“
Auch sie befand, der „Krieg der Nato gegen Libyen hat das Land in bodenloses Chaos gestürzt“. Der Bundesregierung warf sie vor, mehr in die libysche Küstenwache und Flüchtlingslager, „in denen das Völkerrecht täglich verletzt wird“, zu investieren, als in humanitäre Hilfe und die Bekämpfung von Fluchtursachen. (joh/20.09.2023)