Menschenrechte

Bärbel Bas setzt sich für Frauenrechtlerin Nahid Taghavi ein

Die Bundestagspräsidentin hält ein schwarz/weiss Druck eines Fotos von Nahid Taghavi mit dem Text #freenahid in der Hand.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat als Abgeordnete Anfang des Jahres eine Patenschaft für Nahid Taghavi im Programm Parlamentarier schützen Parlamentarier (PsP) des Bundestages übernommen. (© DBT/Tobias Koch)

Sie ist schwer erkrankt und musste dennoch zurück in die Haftanstalt. Im Oktober 2020 war die iranisch-deutsche Frauenrechtlerin Nahid Taghavi von Einsatzkräften der islamischen Revolutionsgarde in ihrer Wohnung in Teheran festgenommen worden. Mit Ausnahme einer kurzen medizinischen Behandlung ist die unter vorgeschobenen Gründen Verhaftete seit November 2022 nun wieder im Teheraner Evin-Gefängnis für politische Gefangene unter unwürdigen Bedingungen untergebracht. Menschenrechtsorganisationen und die internationale Presse berichteten darüber. Um an diesem Zustand etwas zu ändern, hat Bundestagspräsidentin Bärbel Bas als Abgeordnete Anfang des Jahres eine Patenschaft für Nahid Taghavi im Programm Parlamentarier schützen Parlamentarier (PsP) des Deutschen Bundestages übernommen, in dem sich in dieser Wahlperiode bereits fast hundert Abgeordnete für verfolgte Kolleginnen und Kollegen, Politikerinnen und Politiker sowie Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger weltweit einsetzen. Es sei ihr ein persönliches Anliegen und eine Verpflichtung gleichermaßen, sich als Mitglied des Bundestages und zudem als Präsidentin des Hauses in diesem einzigartigen Programm, aus der komfortablen Situation eines stabilen demokratischen Rechtsstaates heraus, für eine Frau einzusetzen, die sich zeitlebens für diese Werte eingesetzt habe und der diese nun nicht nur verwehrt würden, sondern die für ihren Einsatz auch noch eingesperrt und gequält werde.

Bas: Frauen- und Menschenrechte sind elementare Werte

Bas unterstreicht, wie wichtig ihr dieses Engagement ist: „Frauen- und Menschenrechte sind elementare Werte. Deren Missachtung darf nicht folgenlos bleiben. Ich habe daher nicht gezögert, als ich gefragt wurde, ob ich die Patenschaft für Nahid Taghavi übernehmen möchte. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, sie so zu unterstützen.“

Die mittlerweile 68-Jährige Nahid Taghavi, von Beruf her Architektin, setzt sich seit Jahren für die Einhaltung der Menschenrechte und besonders der Frauenrechte sowie der Meinungsfreiheit im Iran ein. Seit Mitte der 1970er Jahre sei sie politisch aktiv im linken Spektrum gewesen, berichtet ihre in Deutschland lebende Tochter. Gemeinsam mit Freunden traf sie sich privat, um über die Themen Patriarchat, Unterdrückung der Arbeiterklasse und Repression zu lesen und zu diskutieren und zögerte auch nicht, ihre Meinung kund zu tun.

Haft unter unwürdigen Bedingungen

Das war den iranischen Behörden ein Dorn im Auge und der Geheimdienst der islamischen Revolutionsgarden (IRGC, Islamic Revolutionary Guard Corps) beschattete die Gruppe vermutlich über einen längeren Zeitraum und nahm Nahid Taghavi sowie zwei Freundinnen und einen Freund im Oktober 2020 fest. Nach ihrer Verhaftung wurde Taghavi zunächst tagelang kein Kontakt zur Außenwelt gewährt. Später durfte sie dann alle sieben bis zehn Tage mit Angehörigen telefonieren, erzählt ihre Tochter. Ihre Untersuchungshaft war die meiste Zeit eine Isolationshaft. Dabei wurde sie rund um die Uhr überwacht, stundenlang ohne rechtlichen Beistand vom Geheimdienst verhört. Sie musste ohne Bett und Kissen auf dem Boden schlafen und durfte pro Tag nur eine halbe Stunde und mit Augenbinde an die frische Luft.

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International aber auch der UN-Sonderberichterstatter für die Lage der Menschenrechte im Iran berichten regelmäßig über das Schicksal von Nahid Taghavi und dokumentieren es. Im August 2021 wurde sie von einem iranischen Gericht wegen „Mitgliedschaft in einer illegalen Gruppe“ und „Propaganda gegen den Staat“ zu zehn Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Ihr Gedankengut, das sie mit anderen teile, bringe die nationale Sicherheit in Gefahr, so die Vorwürfe von Strafverfolgungsbehörde und Geheimdienst.

Bas: Taghavi ist eine politische Gefangene …

Diesen Vorwürfen widerspricht Bärbel Bas: „Nahid Taghavi ist einzig aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit als politische Gefangene im Iran inhaftiert. Sie und andere zu Unrecht Verfolgte und Inhaftierte brauchen unsere Unterstützung. Wir müssen als Parlamentarierinnen und Parlamentarier deutlich machen, dass wir Verfahren, die nicht fair und nicht nach rechtsstaatlichen Maßstäben verlaufen, nicht akzeptieren. Darum ist das Programm Parlamentarier schützen Parlamentarier so wichtig.“ 

Menschenrechtsorganisationen äußerten zudem die Vermutung, dass die iranischen Behörden in den vergangenen Jahren dutzende Bürgerinnen und Bürger mit doppelter Staatsangehörigkeit inhaftiert haben, um sie als Druckmittel gegen die Menschenrechtspolitik und die Sanktionen anderer Länder zu nutzen. So erfolgte die erneute Inhaftierung Nahid Taghavis im Herbst unmittelbar auf die Ankündigung der deutschen Bundesregierung hin, weitere Sanktionen gegen die iranische Regierung zu unterstützen.

 … und muss bedingungslos freigelassen werden.

Die unmenschlichen Haftbedingungen haben der Deutsch-Iranerin zugesetzt und massive Auswirkungen auf ihre Gesundheit. Ihr Zustand hat sich nach Informationen ihrer Tochter, mit der das Büro von Bärbel Bas in Kontakt steht, seit ihrer Inhaftierung erheblich verschlechtert. Sie leide unter Diabetes und Bluthochdruck, dem Karpaltunnelsyndrom sowie mehreren Bandscheibenvorfällen, die dringend eine Operation erfordern. Im Juli 2022 wurde Nahid Taghavi ein aus medizinischen Gründen dringender Hafturlaub gewährt. Doch obwohl ihre Behandlung noch nicht abgeschlossen war und ihre Beschwerden anhielten, musste sie bereits Mitte November zurück ins Gefängnis.

In den letzten Wochen hat sich der Gesundheitszustand Nahid Taghavis abermals deutlich verschlechtert. Ein für Bärbel Bas unhaltbarer Zustand: „Die aktuellen Nachrichten aus Teheran über den Gesundheitszustand von Nahid Taghavi beunruhigen mich sehr. Ihr schlechter Gesundheitszustand ist eine unmittelbare Folge der Inhaftierung in den vergangenen Jahren. Nahid Taghavi braucht dringend eine bestmögliche medizinische Versorgung, sie muss aus humanitären Gründen bedingungslos und unverzüglich aus der Haft entlassen werden. Dafür setze ich mich weiter ein. Genau wie für Verbesserungen ihrer Situation bis zu ihrer Freilassung – das heißt regelmäßiger Zugang zu ihrer Familie, zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl sowie zu angemessener medizinischer Versorgung. Und auch Zugang zu medizinischen Behandlungen, die im Gefängnis nicht verfügbar sind.“

Patenschaft als Signal und Druckmittel …

Die im Iran geborene Nahid Taghavi lebt seit 1983 in Köln und besitzt neben der iranischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Letztere war über viele Jahre ein Vorteil, als sie zwischen Deutschland und Iran, ihren beiden Wohnsitzen, hin- und hergependelt sei. Jetzt sei die deutsche Staatsbürgerschaft für sie eher ein Hindernis als eine Hilfe dabei, aus dem Iran ausreisen zu dürfen, bedauert Bärbel Bas.

Man könne nur an die Verantwortlichen in Teheran appellieren und den Druck auf die dortige Regierung erhöhen, um Nahid Taghavi freizubekommen. Und genau da wolle sie mit ihrer Patenschaft im PsP-Programm des Bundestages ansetzen, gibt sich Bas kämpferisch.
Die Patenschaft im Rahmen und im Namen des höchsten deutschen Verfassungsorgans schaffe Öffentlichkeit und internationale Aufmerksamkeit und verleihe den Forderungen nach Freilassung und Hafterleichterungen, die auch Menschenrechtsorganisationen erheben, zusätzliches Gewicht. „Es erhöht für die iranische Regierung den Preis, Frau Taghavi etwas anzutun“, so Bärbel Bas.

 … auch für andere politisch Verfolgte

Sie hoffe, auf diese Weise die Risiken für die Frauenrechtlerin zu reduzieren und darüber hinaus ihr und anderen im Iran zu signalisieren, dass sie nicht allein und nicht vergessen sind. Bereits mehrfach habe sie dem Botschafter des Iran in Deutschland und der Bundesaußenministerin geschrieben, um sich dort für die Freilassung beziehungsweise Unterstützung Nahid Taghavis einzusetzen.  Sie nutze zudem jede Gelegenheit, um bei Gesprächen, die sie als Abgeordnete oder von Amts wegen mit Verantwortlichen führe, auf das Schicksal von Taghavi hinzuweisen und ihre Freilassung zu fordern.

Für Nahid Taghavi sei die Patenschaft eine Ermutigung, für die sie sich bedankt habe. Das wisse sie von deren Tochter, mit der sie alle Schritte der Hilfe abstimme. Bärbel Bas versteht dabei ihr Engagement für Nahid Taghavi lediglich als einen Baustein, der sich in einen Zusammenhang mit vielen anderen Unterstützern, etwa von Menschenrechtsorganisationen, fügt. Man ergänze sich und habe so eine Chance auf Erfolg, hofft Bas.

Ziel: Freilassung

Sie werde an dem Hauptziel der Freilassung festhalten. Aber bereits jetzt sei Nahid Taghavi schon durch die moralische Unterstützung geholfen, glaubt die Bundestagspräsidentin und -abgeordnete, und fügt hinzu: „Ohne die Wirkung unseres Programms überschätzen zu wollen, bin ich davon überzeugt, dass die Patenschaft auch für andere ein ermutigendes Zeichen ist, nicht aufzugeben und sich weiter für Menschenrechte und Demokratie einzusetzen.“

Nahid Taghavis Tochter sagte dazu: „Wir glauben fest an die Wirkung der Patenschaft. Zum einen weil Frau Bas durch ihr politisches Gewicht Reichweite hat, den Fall öffentlich halten kann und so das iranische Regime unter Druck setzen kann. Zum anderen erhoffe ich mir, dass Frau Bas Stimme für meine Mutter auch hier bei uns hilft, die diplomatischen Bemühungen seitens Deutschlands zu intensivieren, um meine Mutter freizubekommen.

Über den Einzelfall hinaus, glaube ich, dass Patenschaften ein enorm starkes Mittel im Kampf um die Freilassung politischer Gefangener sind. Das Regime versucht seine Verbrechen im toten Winkel unsichtbar zu halten. Die Patenschaften werfen ein Licht auf diese Verbrechen. Deutschland hatte und hat immer noch eine große Bedeutung für den Iran. Die Tatsache dass so viele Mandatsträgerinnen und Mandatsträger ihre Stimme erheben, Öffentlichkeit schaffen und sich auf ihren diplomatischen Kanälen einsetzen, treibt den Preis für jeden Verurteilten für das Regime enorm in die Höhe.“

Iranische Verhältnisse erfordern, dass wir hingucken

Ihre Mutter sei „eine von unzähligen politischen Gefangenen der Islamischen Republik“ stellt die Tochter von Nahid Taghavi fest. Seit dem Tod der Kurdin Mahsa Amini und der Protestbewegung im Iran werde die „ganze Welt Zeugin der Repressalien dieses unmenschlichen Regimes“. Die Bundesregierung habe die iranische Führung wiederholt mit scharfen Worten für ihre Menschenrechtsverletzungen kritisiert und trage die politischen und wirtschaftlichen Sanktionen mit, die man nach dem brutalen Vorgehen der Teheraner Führung verhängt habe, sagt Bärbel Bas. „Die Verhältnisse, wie sie sich in der letzten Zeit im Iran zugespitzt haben, erfordern, dass wir hingucken. Mutige Frauen und Männer verteidigen dort gerade unter Lebensgefahr unsere universalen Werte.“

Nahid Taghavi ist für die Politikerin Bärbel Bas eine starke und mutige und deswegen bedeutende Frau, der sie helfen muss. Ihre Hoffnung sei, Nahid Taghavi in Zukunft persönlich begegnen zu können. Man arbeite jetzt beharrlich auf ihre  Freilassung hin, mache ihr Mut, verlange Hafterleichterungen, rechtlichen Beistand. Das sei ein kleiner Beitrag, wirke vielleicht als ein Hoffnungszeichen in den Iran hinein, dass man dieses Land und seine Menschen nicht vergessen habe, von denen eine beträchtliche Zahl für ein besseres Leben kämpfe, für ihre universalen Rechte wie Meinungsfreiheit und dafür, eine politische Wahl zu haben. (ll/31.07.2023)