Streit im Bundestag um die Bahnreform
Die von der Regierungskoalition angestrebte Reform der Deutschen Bahn AG hat am Donnerstag, 22. Juni 2023, im Bundestag zu einem mitunter hitzigen verbalen Schlagabtausch geführt. Das Parlament debattierte über einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/7350), in dem diese eine konsequente Trennung von Netz und Betrieb bei der Bahn fordert. Damit geht die Union deutlich über die Pläne der Regierungskoalition hinaus, die zwar ebenfalls die Zusammenlegung der Infrastrukturbereiche plant, dies aber weiterhin innerhalb des Bahn-Konzerns. Nach der Aussprache überwiesen die Abgeordneten die Vorlage der Union zur federführenden Beratung an den Verkehrsausschuss.
Union übt Kritik an Bahn-Konzern
Nach den Vorstellungen der Unionsfraktion soll der Infrastrukturbereich der Deutschen Bahn AG mit den Tochterunternehmen DB Netz, DB Station und Service sowie der Tochtergesellschaft DB Energie vollständig vom Personen- und Gütertransportbereich getrennt und in einer bundeseigenen und weisungsgebundenen Schieneninfrastruktur GmbH überführt werden, führte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Ulrich Lange, aus. Die Holding der Deutschen Bahn sei aufzulösen und die bisherige DB-Struktur mit 740 Beteiligungen und Tochtergesellschaften zu entflechten. Die Finanzierung der Schieneninfrastruktur soll vornehmlich aus Mitteln des Bundeshaushaltes, ergänzt durch Trassenentgelte für die Nutzung der Schieneninfrastruktur, erfolgen. Die Schulden der Deutschen Bahn im Infrastrukturbereich seien in das Bundeseisenbahnvermögen zu übertragen.
Lange erhob zugleich schwere Vorwürfe gegen den Bahn-Konzern. Dieser habe trotz vieler Milliarden Euro vom Bund die notwendigen Investitionen in den Aus-, Um- und Neubau der Schiene nicht getätigt. Kritik übte Lange zudem an den Grünen und der FDP. Diese hätten noch im Wahlkampf der vergangenen Bundestagswahl mit einer grundlegenden Reform der Bahn und der Trennung von Netz und Betrieb geworben, doch davon sei plötzlich nichts mehr zu hören.
SPD nennt „Zerschlagung“ den falschen Weg
Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dorothee Martin, wies die Forderungen der Union zurück. Diese seinen nichts anderes als eine „Zerschlagung“ der Deutschen Bahn AG. Dies aber sei der falsche Weg. Das zeigten auch die Beispiele aus anderen Ländern wie Frankreich und Großbritannien. Dort sei die Trennung von Netz und betrieb „krachend gescheitert“.
Die Schweiz und Österreich hingegen hätten erfolgreich beweisen, wie mit integrierten Unternehmen der Bahnverkehr gut organsiert werden kann, argumentierte Martin. Deshalb strebe die Koalition eine Zusammenlegung DB Netz AG und der DB Station und Service AG ab dem 1. Januar 2024 in der gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft „Infra Go“ an. Die Koalition habe zudem die Mittel im Bundeshaushalt für den Schienenausbau erhöht und auch die Einnahmen aus der erhöhten Lkw-Maut für den Netzausbau vorgesehen.
AfD lehnt Auflösung der Holding ab
Der AfD-Verkehrspolitiker Wolfgang Wiehle wiederum lehnte sowohl die Pläne der Koalition als auch der Union ab. Die Zusammenfassung der Infrastrukturbereiche der Bahn sei zwar richtig, die Auflösung der konzernleitenden Holding der Bahn allerdings falsch. In der Folge müsste sich dann das Bundesverkehrsministerium einen „Sack voll Flöhe hüten“.
Es brauche klare Strukturen in der Bahn. Netz und Betrieb müssten getrennt werden, der Bund die Verantwortung für die Infrastruktur übernehmen. Nach dem gescheiterten Börsengang müsse die Deutsche Bahn auch keine Aktiengesellschaft sein, sagte Wiehle. Zudem solle sie sich auf Deutschland konzentrieren. Deshalb sei es auch falsch, dass sich die Union nicht von der DB Schenker AG trennen wolle.
Grüne kritisieren Verkehrspolitik der Union
Massive Kritik an der Union übte der Grünen-Verkehrspolitiker Matthias Gastel. Die Schieneninfrastruktur der Bahn sei unter drei Verkehrsministern aus den Reihen der CSU um 15 Prozent zurückgebaut worden. So stelle sich auch die Situation der Bahn in Bayern dar. Bayern sei das Bundesland mit den meisten einspurigen Gleisanlagen, das Land mit der geringsten Elektrifizierung des Schienennetzes und das Land, das sich am stärksten gegen eine Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecke sperre, sagte Gastel.
Die Union habe 16 Jahre im Bund regiert und habe ausreichend Zeit gehabt, die Bahn zu reformieren. Aber sie habe die Strukturen des Konzerns nicht angefasst. Die Koalition hingegen habe sich entschlossen, die DB Netz AG und die DB Station und Service AG zusammenzufassen und gewinnfrei zu stellen.
Linke fordert mehr Geld für die Infrastruktur
Die Linken-Parteivorsitzende Janine Wissler erteilte sowohl dem Ansinnen der Union als auch den Plänen der Koalition eine Absage. Bei der Bahn sei alles „auf Kante genäht“ – bei den Fahrzeugen, bei den Strecken und beim Personal. Dies hätten allen voran die drei Verkehrsminister der CSU in den vergangen 16 Regierungsjahren zu verantworten. Es müsse endlich deutlich mehr Geld in die Infrastruktur investiert werden.
Schwere Vorwürfe erhob sie zudem gegen Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing (FDP). Dieser sei die „personifizierte Blockade einer Verkehrswende“. Die Ticketpreise der Bahn seien auch immer noch viel zu teuer, daran habe auch das 49-Euro-Ticket für den ÖPNV nichts geändert. Wissler warf der Regierungskoalition zudem vor, sie habe die Klimaziele für den Verkehrsbereich aufgegeben.
Staatssekretär: Rückstände werden beseitigt
Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Michael Theurer (FDP), wies die Kritik Wisslers zurück. Die Koalition habe die Klimaziele nicht aufgegeben, sondern flexibilisiert, weil eine strikte Trennung nach Sparten keinen Sinn mache. Die Bahn transportiere täglich mehr als fünf Millionen Fahrgäste und eine Million Tonnen Güter. Dies sei eine gewaltige Leistung ihrer Mitarbeiter. Die Ursachen für die Probleme der Bahn lägen in ihrer veralteten Infrastruktur, für die die aktuelle Bundesregierung aber nicht verantwortlich sei.
Die Ampelkoalition sei auf einem guten Weg, die Rückstände zu beseitigen. So habe die Regierung bereits viele Empfehlungen der Beschleunigungskommission Schiene umgesetzt, weitere seien in der Planung.
Antrag der Union
Nach dem Willen der Union sollen Netz und Betrieb bei der Deutschen Bahn AG getrennt werden. In ihrem Antrag fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, eine grundlegende strukturelle und organisatorische Neuaufstellung der Deutschen Bahn auf den Weg zu bringen. So soll der Infrastrukturbereich bestehend aus DB Netz, DB Station und Service sowie DB Energie vollständig vom Transportbereich getrennt und in eine bundeseigene, weisungsgebundene Schieneninfrastruktur GmbH des Bundes überführt werden.
Die Holding der Deutschen Bahn sei aufzulösen und die bisherige DB-Struktur mit 740 Beteiligungen und Tochtergesellschaften zu entflechten. Die Finanzierung der Schieneninfrastruktur soll vornehmlich aus Mitteln des Bundeshaushaltes, ergänzt durch Trassenentgelte für die Nutzung der Schieneninfrastruktur, erfolgen. Die Schulden der Deutschen Bahn im Infrastrukturbereich seien in das Bundeseisenbahnvermögen zu übertragen.
Digitalisierung und Deutschlandtakt
Darüber hinaus fordert die Union weitere Maßnahmen der Bundesregierung, um den Schienengüterverkehr zu stärken, das Programm zur Digitalisierung der Schiene zügig umzusetzen, den Deutschlandtakt umzusetzen, ausreichend gut ausgebildetes Fachpersonal zu gewinnen und die Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.
Die Union kritisiert, dass die Schieneninfrastruktur veraltet ist, weil die Deutsche Bahn die notwendigen Investitionen in den Aus-, Um- und Neubau der Schiene nicht getätigt habe, obwohl sie vom Bund dafür viele Milliarden Euro erhalten habe. Zudem lasse der Wettbewerb auf der Schiene zu wünschen übrig, obwohl die Rahmenbedingungen hierfür erleichtert worden seien. So liege der Anteil von Wettbewerbern der Deutschen Bahn im Fernverkehr bei unter fünf Prozent. Auch die Digitalisierung der Schieneninfrastruktur gehe viel zu langsam voran, heißt es im Antrag. (aw/vom/22.06.2023)