Initiativen zur Aus- und Weiterbildungsförderung überwiesen
Der Bundestag hat am Freitag, 28. April 2023, erstmals einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung (20/6518) sowie einen Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Sichere Beschäftigung in der Transformation – Aus- und Weiterbildungsförderung ausbauen“ (20/6549) beraten. Im Anschluss an die Aussprache wurden beide Vorlagen zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.
Heil: Weg einschlagen zur „Weiterbildungsrepublik“
Für Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) braucht Fortschritt Fachkräfte. Um den drohenden Fachkräftemangel zu begegnen, sei die berufliche Bildung eine „große Chance“. Das Ziel der im Gesetzentwurf verankerten Ausbildungsgarantie müsse es sein, dass jedem jungen Menschen ein Angebot gemacht werden könne. Hierfür sei eine frühzeitige Berufsorientierung geplant, ebenso wie Mobilitätshilfen und ein „Rechtsanspruch auf außerbetriebliche Ausbildung“ in strukturschwachen Regionen.
Durch Weiterbildungen sollten Beschäftigte die Fähigkeiten erlangen, um „die Arbeit von morgen zu machen“. Durch Digitalisierung und Klimawandel verändere sich die Arbeitswelt, sagte Heil. Deutschland solle daher den „Weg zur Weiterbildungsrepublik“ einschlagen, um diesen Transformationsprozess erfolgreich zu bestreiten.
Union: Menschen müssen Freude am Lernen behalten
Statt einer „müden Weiterbildungsrepublik“ brauche es eine „kraftvolle und innovative Lernrepublik“ sagte Mareike Lotte Wulf (CDU/CSU). Um den Herausforderungen für den Arbeitsmarkt zu begegnen, sei die zentrale Aufgabe, dass Menschen im Laufe ihres Lebens die „Freude am Lernen“ behielten.
Der Wandel der Gesellschaft löse einen „Weiterbildungsbedarf“ aus, der mit dem Gesetzentwurf nicht zu stemmen sei. Auch seien die Regelungen zum Qualifizierungsgeld zu komplex und unattraktiv für die Betriebspraxis, sagte Wulf.
Grüne: Brauchen Ausbildungsgarantie, die den Namen verdient
Durch die veränderte Arbeitswelt würden viele Unternehmen sich umstellen müssen, sagte Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen). Damit Arbeitgeber Zeit hätten, ihre Betriebe neu zu strukturieren und dabei ihre Fachkräfte zu halten, gebe es das Qualifizierungsgeld, das bei kollektiver Betroffenheit der Beschäftigten beantragt werden könne. Dadurch entstehe im Wandel „Perspektive und Sicherheit“.
Wer keine abgeschlossene Ausbildung hat, verdiene weniger und sei häufiger arbeitslos, sagte Müller-Gemmeke. Daher brauche es eine Ausbildungsgarantie, „die diesen Namen auch wirklich verdient“. Der Gesetzentwurf liefere gute Ansätze, es gebe aber auch Verbesserungsbedarf. Wichtig sei, dass junge Menschen Unterstützung bei der Suche einer Ausbildungsstätte sowie während und nach der Ausbildung erhielten.
AfD: Gesetzentwurf fördert vor allem Träger
Nach den Worten von Norbert Kleinwächter (AfD) zeigt der Gesetzentwurf, dass die Regierung „endlich“ erkannt hat, „wie wichtig die berufliche Bildung ist“. Allerdings kritisierte er, dass von der Ausbildungsgarantie nicht der „normale Lehrling“ profitieren würde, sondern Menschen, die schon eine Ausbildung abgebrochen hätten oder Geflüchtete. Dies stellt laut Kleinwächter keine Lösung für die Lage da.
Insgesamt würde der Gesetzentwurf im Bereich der beruflichen Bildung vor allem die Träger fördern. So sei es für die staatliche Förderung egal, ob eine Weiterbildung geeignet ist, um Arbeitslosigkeit abzufedern.
FDP: Fachkräftemangel bedroht Wohlstand
Pascal Kober (FDP) betonte, dass der Gesetzentwurf auf zwei Grundüberzeugungen beruhe. So müsse erkannt werden, dass die „ökonomische Grundlage“ der Bundesrepublik auf guter Bildung beruhe. Der Wohlstand im Land sei durch Fachkräftemangel gefährdet, aber auch durch den Klimawandel und einen Wettbewerbskampf der Systeme, der sich beispielsweise auf Lieferketten auswirke.
Außerdem ist eine Gesellschaft laut Kober nur dann gerecht, wenn jeder Mensch dort seine Begabungen entdecken und entfalten kann. Es sei also auch eine Frage des „Menschenbildes“, zu handeln, wenn junge Menschen ihr Potential nicht entfalten könnten. Durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Berufsorientierung sollten sie die Möglichkeit bekommen, sich auszuprobieren und die Motivation zu erlangen, eine Ausbildung zu starten.
Linke: Haben Massives soziales Problem im Land
Jessica Tatti (Die Linke) sprach von einem „massiven sozialen Problem“, das Deutschland habe. Nach neuesten Zahlen hätten 2,5 Millionen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren keinen Berufsabschluss. 2021 hätten sich außerdem 630.000 junge Menschen weder in der Schule, in einer Ausbildung, noch in einem Beruf befunden. Die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Ausbildungsgarantie kritisierte Tatti und forderte stattdessen ein „Recht auf Ausbildung“.
Grundsätzlich begrüße sie die Einführung des Qualifizierungsgeldes. Es sei aber nicht hinnehmbar, dass nur Arbeitgeber dieses für ihre Beschäftigten beantragen könnten. Dadurch bliebe das „Kernproblem“, dass nur gut qualifizierte Arbeitskräfte weitergebildet werden, bestehen. Geringverdiener könnten mit dem Qualifizierungsgeld, was 60 Prozent des Nettolohns betragen soll, nicht über die Runden kommen.
SPD: Wir brauchen alle
Mit Blick auf den demografischen Wandel sei die zentrale Botschaft „wir brauchen alle“, sagte Dr. Martin Rosemann (SPD). Besonders wenn in den kommenden Jahren die sogenannten „Babyboomer“ nach und nach in Rente gingen, sei dies eine große Herausforderung für die Finanzierung der „sozialen Sicherungssystem“. Damit sich die Situation nicht noch verschärft, braucht Deutschland laut Rosemann neben der Aus- und Weiterbildungsförderung auch die Stärkung ausländischer Fachkräfte. Es sei „falsch und fahrlässig“ diese Aspekte gegeneinander auszuspielen.
Der Staat leiste durch seine Regelungen und Förderungen seinen Anteil daran, dass der Strukturwandel gelinge. Allerdings müsse der Rest von den Unternehmen selbst getragen werden, sagte Rosemann.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Die Bundesregierung will mit ihrem Gesetzentwurf die Förderinstrumente der Arbeitsmarktpolitik für Beschäftigte und Ausbildungsuchende weiterentwickeln, um der beschleunigten Transformation der Arbeitswelt zu begegnen, Arbeitslosigkeit aufgrund von Strukturwandel zu vermeiden, Weiterbildung zu stärken und die Fachkräftebasis zu sichern.
Übersichtlicher gestaltet werden soll die Weiterbildungsförderung Beschäftigter nach Paragraf 82 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III). Durch feste Fördersätze und weniger Förderkombinationen soll die Transparenz erhöht und der Zugang zu Weiterbildungsangeboten für Arbeitgeber und Beschäftigte erleichtert werden, was auch für die Umsetzung durch die Arbeitsagenturen gilt.
Bei der Voraussetzung für die allgemeine Weiterbildungsförderung von Beschäftigten soll auf die Betroffenheit der Tätigkeit vom Strukturwandel oder eine Weiterbildung in einem Engpassberuf verzichet werden. Die Fördersätze sollen ohne Auswahlermessen festgeschrieben und grundsätzlich in der Höhe der Arbeitsentgeltzuschüsse und der Zuschüsse zu den Lehrgangskosten pauschaliert werden. Sondertatbestände will die Regierung reduzieren.
Einführung eines Qualifizierungsgeldes
Vorgesehen ist die Einführung eines Qualifizierungsgeldes für Beschäftigte, denen durch die Transformation der Arbeitswelt der Verlust von Arbeitsplätzen droht, bei denen Weiterbildungen jedoch eine zukunftssichere Beschäftigung im gleichen Unternehmen ermöglichen können. Fördervoraussetzungen sollen ein strukturwandelbedingter Qualifizierungsbedarf eines „nicht unerheblichen Teils der Belegschaft“ und eine entsprechende Betriebsvereinbarung oder ein betriebsbezogener Tarifvertrag sein.
Das Qualifizierungsgeld soll unabhängig von Betriebsgröße, Alter oder Qualifikation der Beschäftigten gezahlt und als Entgeltersatz in Höhe von 60 Prozent beziehungsweise 67 Prozent des Nettoentgelts, das durch die Weiterbildung entfällt, geleistet werden.
… und einer Ausbildungsgarantie
Darüber hinaus will die Regierung eine Ausbildungsgarantie einführen, um allen jungen Menschen, die nicht über einen Berufsabschluss verfügen, den Zugang zu einer vollqualifizierenden, möglichst betrieblichen Berufsausbildung zu eröffnen. Dabei bleibe die primäre Verantwortung der Wirtschaft für die Ausbildung des Fachkräftenachwuchses unangetastet, heißt es im Gesetzentwurf.
Von der Einführung einer branchenübergreifenden Ausbildungsumlage zur Finanzierung der Ausbildungsgarantie werde Abstand genommen, schreibt die Regierung. Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen soll, wo erforderlich, ergänzend genutzt werden, bleibe aber „Ultima Ratio“.
Mit der Einführung kurzer betrieblicher Praktika will die Regierung die berufliche Orientierung junger Menschen stärken. Um einen Anreiz für die Aufnahme einer Ausbildung in einer anderen Region zu schaffen, soll ein Mobilitätszuschuss eingeführt werden. Um ein Jahr vom 23. Juli 2023 auf den 23. Juli 2024 verlängert werden sollen die Erstattungen bei beruflicher Weiterbildung während Kurzarbeit. Mit der Regelung im Paragrafen 106a des SGB III wurde laut Regierung im Jahr 2020 ein Anreiz geschaffen, die Zeit der Kurzarbeit für Weiterbildungen zu nutzen.
Antrag der Linken
Nachbesserungen beim vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Aus- und Weiterbildungsförderung fordert die Fraktion Die Linke in einem Antrag (20/6549). So soll die Bundesregierung einen neuen Gesetzentwurf vorlegen, der auch explizit die Weiterbildungsmöglichkeiten „von Menschen mit formal geringer Qualifikation und Bildung, sowie von Frauen und (unfreiwillig) Teilzeitbeschäftigten“ umfasse.
Außerdem verlangt die Fraktion, dass die Bildungszeit als Pendant zum Qualifizierungsgeld, das ausschließlich von Arbeitgeberseite beantragt werden könne, eingeführt werde. Die Bildungszeit solle von den Beschäftigten selbst in Anspruch genommen werden können. Die angekündigte Ausbildungsgarantie verdient laut antragstellender Fraktion ihren Namen nicht und sei ein „Etikettenschwindel“, da sie keinen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Ausbildung beinhalte. Einen solchen fordert die Fraktion. (des/vom/28.04.2023)