Zeit:
Mittwoch, 14. Juni 2023,
11 Uhr
Ort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3.101
Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie hat sich am Mittwoch, 14. Juni 2023, in einer öffentlichen Anhörung mit einer Korrekturnovelle des Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetzes, des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes sowie des Strompreisbremsegesetzes (20/6873) befasst. Im Gesetzentwurf heißt es , die Energiepreisbremsen-Gesetze seien im letzten Quartal des Jahres 2022 innerhalb kürzester Zeit erarbeitet und in Kraft gesetzt worden. Im Lichte der ersten Erfahrungen mit der Umsetzung der seien verschiedene Anpassungsbedarfe, überwiegend technischer und redaktioneller Natur, identifiziert worden.
Sicherung von Windenergieprojekten
Für den Ausbau der Windenergie an Land seien die Änderungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sowie im Windflächenbedarfsgesetz (WindBG) besonders wichtig, sagte Wolfram Axthelm vom Bundesverband Windenergie: Die Möglichkeit der Rückgabe von Zuschlägen aus den Jahren 2021 und 2022 sei besonders dazu geeignet, die Realisierung von Projekten aus diesem Zeitraum zu sichern, die sonst wegen nachträglicher Kostensteigerungen im Zuge der Covid-19-Pandemie und verstärkt durch den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine teils nicht mehr wirtschaftlich wären und deshalb möglicherweise nicht realisiert würden. Durch die Möglichkeit der Rückgabe könne erneut an einer Ausschreibung teilgenommen und die Projekte abgeschlossen werden, sagte der eingeladene Experte.
Die Preisbremsen seien ein Notfallinstrument, eines, das in der akuten Krise des vergangen Jahres geholfen habe – sie sollten nicht zum Normalfall werden, sagte Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung. Denn: Es sei „klar, dass die Preisbremsen in ihrer aktuellen Form alleine aufgrund einer fehlenden dauerhaften fiskalischen Finanzierung keine Dauerinstrumente sein sollten.“ Die Gefahr neuer massive Preisschwankungen mit gravierenden ökonomischen und Verteilungsaspekten bestehe aber weiter. Deswegen rief der Sachverständige dazu auf, „noch einmal grundsätzlicher das Design insbesondere der Elektrizitätsmärkte anzugehen“ und über andere Instrumente nachzudenken.
Vergünstigung von Heizstrom
Im letzten Jahr habe sie beispiellose Energiekrise die Beratungsstellen der Verbraucherzentralen an den Rand der Überlastung gebracht, sagte Thomas Engelke Leiter Team Energie und Bauen, Verbraucherzentrale Bundesverband. Vor allem dir Frage, wie man das alles bezahlen solle, habe die Menschen umgetrieben. Der von der SPD benannte Experte machte sich dafür stark, die Energiepreisbremsen auch über den kommenden Winter in Kraft zu lassen. Die Verbraucherzentrale begrüße, dass die Gesetzesnovelle vergünstigten Heizstrom vorsehe. Haushalte mit Nachtspeicherheizungen seien von hohen Strompreisen besonders betroffen.
Erst die Gasbeschaffungsumlage, dann die Dezembersoforthilfe, dann im Januar die Strom- und Gaspreisbremse - Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer Verband kommunaler Unternehmen, sieht die Unternehmen am Limit. Liebing hält die Grundentscheidung der Energiepreisbremsengesetze, staatliche Unterstützung über Energieversorger zu gewährleisten für ordnungs- und sozialpolitisch verfehlt. „Deswegen begrüßen wir den Ansatz des Gesetzentwurfs, nur die notwendigsten Korrekturen durchzuführen.“ Der Großteil der vorgeschlagenen Regelungen sei sinnvoll und für die weitere Anwendung hilfreich. Dagegen führten grundsätzliche Änderungen zu diesem späten Zeitpunkt „nur zu hohem Aufwand, ohne dass dem ein wesentlicher Vorteil für die Verbraucher entgegenstünde“, sagte der Experte.
Schädliche Diskussion über Stromerlösabschöpfung
Viele Bioenergieanlagen hätten die Möglichkeit, kurzfristig ihre Gas-, Strom- und Wärmeproduktion zu erhöhen und so die Nutzung von Erdgas zu reduzieren und die Gasspeicher zu schonen, erklärte Sandra Rostek, Leitung Hauptstadtbüro Bioenergie. Rückmeldungen aus der Praxis deuteten aber darauf hin, dass diese Möglichkeit nicht in der Breite in Anspruch genommen wurde. Dies scheine verschiedene nicht-regulatorische Gründe zu haben, sagte Rostek. Der wichtigste war die im Herbst einsetzende Diskussion über die Stromerlösabschöpfung im Rahmen des Strom-PBG, die zu einem „massiven Vertrauensverlust bei Anlagenbetreibern geführt“ habe, wie die Sachverständige sagte.
Die Zielsetzung eines beschleunigten, bundesweiten Windenergieausbaus werde von den Kommunalen Spitzenverbänden in seiner Grundausrichtung ausdrücklich unterstützt, sagte Nadine Schartz, LL.M. Kommunale Spitzenverbände. Doch auch sie kritisierte, dass die bislang erlassenen Planungspflichten der Länder und Kommunen bereits zum jetzigen Zeitpunkt in großem Maße die Kapazitäten von Planungs- und Genehmigungsbehörden belasteten. Das Bemühen zur Steigerung der Rechtssicherheit der Windenergie- Planung werde durch die zunehmende Komplexität wieder verspielt. Schartz forderte unter anderem mehr Personal in den Behörden und Standardisierungen im Bereich des Arten- und Naturschutzes.
Strompreise für Wärmepumpen und Heizstrom
Bloß keine weiteren Verkomplizierungen – das war auch der Tenor der Ausführungen von Tilman Schwencke Geschäftsbereichsleiter Strategie und Politik BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Man haben im Krisenjahr zweierlei geschafft: Versorgungssicherheit zu gewährleisten und eine Entlastung der Bürger zu organisieren. Für die Versorgungssicherheit sehe sich der BDEW auch künftig in der Verantwortung. Aber die Entlastung müsse der Staat leisten. Die Kernforderung des Experten: „Keine neuen durch die Energiewirtschaft umzusetzenden Entlastungstatbestände oder Änderungen: “Die geplanten Entlastungen der Strompreise für Wärmepumpen und Heizstrom sind für die Unternehmen nicht mit vertretbarem Aufwand umsetzbar.„
Constantin Terton, Abteilungsleiter Wirtschafts-, Energie- und Umweltpolitik Zentralverband des Deutschen Handwerks zitierte einen Bundestagsbeschluss, wonach bei der Ermittlung des Entlastungskontingents (…) bei allen Letztverbrauchern, bei denen aufgrund der Folgen der Flutkatastrophe (…) oder aufgrund staatlich angeordneter Auflagen zur Eindämmung der Covid 19-Pandemie die heranzuziehenden Jahresverbrauchsprognosen unplausibel niedrig angesetzt wurden“. Der vorliegende Gesetzentwurf enthalte nun zwar Passagen für einen „Zusätzlichen Entlastungsbetrag zum Ausgleich atypischer Minderverbräuche“, sagte der Experte - aber die Ausgestaltung entspreche nicht dem vom Bundestag beschlossenen Passus. Kleine Betriebe blieben grundsätzlich unberücksichtigt, weil ihr Energieverbrauchsrückgang im Jahr 2021 gegenüber dem Jahr 2019 mindestens Prozent betragen müsste. Der Zentralverband plädiert für eine deutliche Absenkung dieses Wertes.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Das Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz, das Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz und das Strompreisbremsegesetz wurden im letzten Quartal des Jahres 2022 innerhalb kürzester Zeit erarbeitet und in Kraft gesetzt. Im Lichte der ersten Erfahrungen mit der Umsetzung der Gesetze sind verschiedene Anpassungsbedarfe, überwiegend technischer und redaktioneller Natur, identifiziert worden. Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sollen die entsprechenden Änderungen an den genannten Gesetzen und an weiteren energiewirtschaftlichen und sozialrechtlichen Gesetzen vorgenommen werden, um eine sachgerechte und rechtssichere Umsetzung sicherzustellen. Konkret sollen etwa im Elften Buch Sozialgesetzbuch und im Krankenhausfinanzierungsgesetz die Regelungen zur verpflichtenden Energieberatung präzisiert werden, die für zugelassene Krankenhäuser und zugelassene voll- und teilstationäre Pflegeeinrichtungen mit dem Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz im Rahmen der ergänzenden Hilfsfonds eingeführt wurden. Außerdem wird vorgesehen, dass von dem zum Ausgleich von Energiekostensteigerungen der Krankenhäuser zur Verfügung stehenden Betrag ein weiterer Teilbetrag in Höhe von 2,5 Milliarden Euro zum Ausgleich für die Steigerungen indirekter Energiekosten an die Krankenhäuser aus gezahlt wird.
Aus den Änderungen ergebe sich ein zusätzlicher haushälterischer Erfüllungsaufwand in Höhe von ungefähr 280 Millionen Euro, die, so geht es aus dem Gesetzentwurf hervor, aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds zu finanzieren seien. Da es sich bei der Zahlung von 2,5 Milliarden Euro zum Ausgleich für die Steigerungen indirekter Energiekosten an die Krankenhäuser um eine andere Verwendung von bereits entsperrten, aber noch nicht verausgabten Mitteln für den Ausgleich von Energiekostensteigerungen der Krankenhäuser handele, entstünden durch die Regelung keine Mehrausgaben für den Bund. Der Wirtschaft entsteht ein einmaliger Erfüllungsaufwand in Höhe von rund 40,1 Millionen Euro, schreibt die Bundesregierung.
Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) erhebt indes Bedenken, weil nicht ersichtlich sei, ob weniger aufwändige Regelungsalternativen durch die Bundesregierung geprüft wurden. Zwar sei die Darstellung der Regelungsfolgen in dem Gesetzentwurf nachvollziehbar und methodengerecht, die Konzeption der Energiepreisbremsen bleibe insgesamt jedoch hinter den selbst gesetzten Zielen für Rechts- und Verwaltungsvereinfachung zurück. Änderungswünsche des Bundesrats etwa bei der Regelung atypisch niedriger Energieverbräuche lehnte die Bundesregierung ab. (mis/14.06.2023)