Restitution der Benin-Bronzen kontrovers bewertet
Die Entscheidung des nigerianischen Staatspräsidenten Muhammadu Buhari, die aus deutschen Museen zurückgegebenen Benin-Bronzen dem Oba (König) des ehemaligen Königreichs Benin und damit einer Privatperson zu übereignen, hat im Bundestag ein unterschiedliches Echo ausgelöst. Die AfD-Fraktion sprach am Freitag, 12. Mai 2023, in einer von ihr verlangten Aktuellen Stunde zum Thema „Scheitern der Bundesregierung bei der Restitution der Benin-Bronzen – Außen- und Kulturpolitik von Ideologie befreien“ von einer Demütigung der Bundesregierung. Die Koalitionsfraktionen verteidigten indes die Entscheidung der Regierung, die Kunstschätze bedingungslos an das Herkunftsland zurückzugeben.
Im vergangenen Jahr waren mehr als 1.000 Artefakte aus deutschen Museen an Nigeria zurückgegeben worden. Die britische Kolonialmacht hatte die Skulpturen und anderen Kunstschätze 1897 erbeutet und nach Europa verbracht, viele gelangten auch nach Deutschland. Die Bundesregierung beteiligt sich finanziell am Bau eines Museums in Nigeria in der Erwartung, dass die zum Weltkulturerbe zählenden Objekte für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
AfD: Claudia Roth muss zurücktreten
Deutschland habe sich vor der Welt blamiert, schimpfte der AfD-Kulturpolitiker Marc Jongen. Er sah darin zugleich ein Symptom für das Regierungshandeln auf anderen Politikfeldern: die Regierung vertreibe die Wirtschaft und schröpfe die Menschen.
Sein Fraktionskollege Matthias Moosdorf sagte, die Regierung habe vier Millionen Euro für den Museumsbau vergeudet, Kulturstaatsministerin Claudia Roth müsse zurücktreten. Er verlangte, die weitere Ausfuhr von Kunstschätzen zu stoppen.
SPD: Rückgabe ohne Auflagen
Michelle Müntefering (SPD) erinnerte daran, dass sie bereits in der vergangenen Wahlperiode zusammen mit der damaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) die Restitution der Benin-Bronzen in die Wege geleitet habe. Mit der Rückgabe gehe es auch darum, koloniales Unrecht zu beheben. Die Rückgabe sei ohne Auflagen erfolgt. In Nigeria werde das deutsche Engagement sehr geschätzt.
Für Helge Lindh (SPD) ist die Aktion des nigerianischen Präsidenten eine „heilsame Lektion der Demut“ und eine Demonstration, „was es bedeutet, die Kontrolle abzugeben“. Die Deutschen hätten nicht darüber zu entscheiden, wie in Nigeria entschieden wird und nicht über das Königshaus zu richten.
CDU/CSU: Missglückt und ein Debakel
Die CSU-Abgeordnete Dorothee Bär vermisste Selbstkritik bei Müntefering. Die Regierung mache es sich zu leicht, es gehe um die Verantwortung für die Bewahrung des kulturellen Erbes. Die Bronzen seien in der Versenkung verschwunden und im Privatbesitz eines Königs. Damit sei die Restitution missglückt. Das mit deutschen Steuergeldern geförderte Museum werde die Bronzen wohl nie erblicken, mutmaßte Bär.
Ihr CDU-Fraktionskollege Ansgar Heveling nannte die jüngste Entwicklung ein Debakel. Roth und Außenministerin Annalena Baerbock habe der Sinn dafür gefehlt, was mit der Rückgabe der Bronzen an Nigeria alles geschehen könnte. Wichtig seien bei der Rückgabe Augenmaß, partnerschaftliche Kooperation und die nötige Zeit.
Grüne und FDP: Innernigerianische Angelegenheit
Für Bündnis 90/Die Grünen erklärte Awet Tesfaiesus, an gestohlenem Eigentum könne kein Recht erworben werden. Wer wie die AfD argumentiere, bringe zum Ausdruck, dass man den Nigerianern nicht zutraue, mit wertvoller Kunst umzugehen.
Ihr Fraktionskollege Erhard Grundl und der FDP-Abgeordnete Thomas Hacker sprachen von einer „innernigerianischen Angelegenheit“. Das letzte Wort werde wohl die kommende Regierung Nigerias sprechen, sagte Hacker, denn über den Zugang für die Öffentlichkeit sei noch nicht entschieden. Für die FDP-Abgeordnete Anikó Glogowski-Merten wäre es anmaßend gewesen, wenn Bedingungen für die Restitution gestellt worden wären.
Linke: Verlogene und rassistische Debatte
Martina Renner (Die Linke) sprach von einem „Kolonialrevisionismus“ der Rechten und nannte die Restitution „richtig und wichtig“. Restitution sei mehr als die Rückgabe von Raubgut.
Renner bezeichnete die Debatte als verlogen und rassistisch. In Deutschland habe man noch einen weiten Weg der Dekolonisierung vor sich. (vom/12.05.2023)