Brinkhaus: Die Sorgen des Rests der Welt nicht aus den Augen verlieren
Globale Herausforderungen bedürfen gemeinsamer globaler Antworten, sagt Ralph Brinkhaus (CDU/CSU), Leiter der deutschen Delegation zur Interparlamentarischen Union (IPU), nach der Frühjahrstagung der Organisation, zu der Parlamentsdelegationen aus aller Welt vom 10. bis 15. März 2023 in Manama, Bahrain, zusammenkamen. Während der halbjährlich stattfindenden Treffen treibe man mit gleichgesinnten Ländern gemeinsame Anliegen voran. Über die globalen Bemühungen der Parlamentarier für den Klimaschutz und den deutschen Beitrag dazu, den gemeinsamen Kampf gegen die Bedrohung des Cyberwar sowie über die Notwendigkeit, neben der Ukraine nicht die anderen Konfliktherde der Welt zu vergessen, spricht Brinkhaus in Interview. Das Interview im Wortlaut:
Herr Brinkhaus, die Welt hätte es nicht für möglich gehalten, wenn es nicht passiert wäre: den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, mitten in Europa. Wie wurde der nun schon über ein Jahr dauernde Waffengang von Parlamentariern aus aller Welt bei der aktuellen Frühjahrstagung aufgenommen?
Unterschiedlich, denn in vielen Ländern spielt die russische Invasion in die Ukraine keine so große Rolle. Der Krieg wird teilweise schon als in erster Linie innereuropäische Angelegenheit angesehen. Wir haben deswegen als deutsche Delegation in unseren Reden und Beiträgen immer wieder auf die russische Aggression und ihre globalen Folgen hingewiesen. Aber ich befürchte, je länger der Krieg dauert, desto mehr wird er in vielen Regionen mit eigenen Sorgen als Normalität hingenommen.
Was für einen Beitrag leistet die bei dem Treffen vor einem Jahr eingerichtete Task Force zur Konfliktbeilegung?
Das ist leider noch nicht absehbar.
Sowohl im Krieg, als Mittel der Kriegführung, als auch an zahlreichen unerklärten Kriegsschauplätzen stellen Cyberattacken ein großes Risiko für die globale Sicherheit dar. Die Parlamentarier haben das Thema als vorrangig erkannt und eine Entschließung dazu angenommen. Was schreiben Sie den Regierungen ins Stammbuch?
Auf internationaler Ebene gibt es, dank der 2021 von allen UN-Mitgliedern im Konsens angenommenen Berichte, ein solides und umfassendes Regelwerk für verantwortungsvolles staatliches Verhalten im Cyberspace. Das Ziel sollte nicht darin bestehen, neue oder parallele Rahmenwerke zu entwickeln. Stattdessen sollten sich die internationalen Bemühungen auf die Umsetzung des internationalen Besitzstandes konzentrieren. Die IPU bekräftigt dies und stärkt in ihrem Framework zusätzlich das kaum im Cyberraum beleuchtete Thema der Menschenrechte. Eine globale neue Herausforderung bedarf globaler Antworten.
Einen weiteren Entschließungsentwurf haben der Bundestagsabgeordnete Dr. Christoph Hoffmann als Ko-Berichterstatter und weitere Mitglieder der Versammlung zum Klimaschutz eingebracht. Darin geht es um den Beitrag, den Wälder dazu leisten, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu senken. Riesige Waldgebiete liegen oft in ärmeren Ländern, die noch andere Probleme haben. Ziehen die mit?
Angesichts der klimatischen Entwicklung ist es wichtig, weitere Waldverluste zu vermeiden. Im Gegenteil, jedes Land ist nun aufgefordert, Waldverluste nicht nur auszugleichen, sondern zur Mehrung der Waldflächen, nachhaltige Nutzung von Holz und damit der Speichermöglichkeiten für CO2, beizutragen. Es war nicht einfach, aber es ist gelungen, hierüber einen Konsens auch mit den ärmeren Staaten hinzubekommen. Ein schöner Erfolg, für den unser Berichterstatter Christoph Hoffmann ein Jahr hart gearbeitet hat. Aber auch eine Verpflichtung für uns, gerade diese ärmeren Länder bei dieser Aufgabe zu unterstützen.
Das Thema der Generaldebatte lautete: „Förderung des friedlichen Zusammenlebens und inklusiver Gesellschaften – Bekämpfung von Intoleranz“. Worauf genau zielte die Debatte und was war Ihnen dabei wichtig?
Uns war dabei in jedem Fall wichtig klarzustellen, dass friedliches Zusammenleben nicht möglich ist, solange russische Truppen weiter widerrechtlich in der Ukraine stehen. Uns war aber auch wichtig zum Ausdruck zu bringen, dass wir auch die anderen Konfliktregionen dieser Welt, wie zum Beispiel Afghanistan, Syrien oder den Jemen, sehen. Denn es ist ein unausgesprochener Vorwurf an uns Europäer, dass wir über den Ukraine-Konflikt den Rest der Welt mit seinen Sorgen aus den Augen verlieren.
Was können speziell die Parlamente zur Überwindung von Intoleranz und zur Förderung eines friedlichen Zusammenlebens sowie integrativer Gesellschaften beitragen?
Indem Sie sich, wie jetzt in Bahrain, treffen, miteinander sprechen und vor allem zuhören. Gerade bei der IPU merkt man, dass die Welt größer ist als der Westen und dass nicht alle Werte, die für uns bedeutend sind, von allen anderen geteilt werden. Ich persönlich halte eine wertegebundene Kommunikation in der Außenpolitik trotzdem für sehr wichtig. Aber es wird schnell kontraproduktiv, wenn man im Einsatz für diese Werte als belehrend und vielleicht sogar übergriffig wahrgenommen wird. Das ist ein ganz schmaler Grat.
Klimawandel und andere globale Probleme wie Kriege oder eine Pandemie erfordern Zusammenarbeit. Die IPU-Tagung ist ein Forum, um sich dazu mit gleichgesinnte Ländern zusammenzutun. Was für Gespräche hat die deutsche Delegation in diesem Sinne geführt?
Wir haben eine Vielzahl von Gesprächen mit Delegationen von Israel über Indien, Südkorea bis Bahrain geführt. IPU-Konferenzen sind eine gute Gelegenheit auf dem kleinen Dienstweg ohne lange Anreisen viele Kontakte zu pflegen.
Sie sind Leiter der deutsch-indischen Parlamentariergruppe. Ist Indien als größte Demokratie der Welt ein „like minded Country“, mit dem Deutschland noch stärker zusammenarbeiten muss?
Nicht überall - aber in wichtigen Bereichen ist Indien tatsächlich „like minded“, deswegen war es mir auch sehr wichtig ein bilaterales Treffen mit der indischen IPU-Gruppe zu organisieren. Die Inder haben dies zum Anlass genommen, unsere Parlamentspräsidentin herzlich einzuladen im Rahmen der indischen G20-Präsidentschaft am P20-Parlamentsgipfel im Herbst teilzunehmen.
(ll/20.03.2023)