Vier „Stellschrauben“ sozial-ökologischer Transformation
Zeit:
Mittwoch, 15. März 2023,
18.15 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 700
Vor dem Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung hat am Mittwoch, 15. März 2023, der Vorsitzende der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“ der Deutschen Bischofskonferenz, Prof. Dr. Dr. Johannes Wallacher, eine Studie mit dem Titel „Wie sozial-ökologische Transformation gelingen kann“ vorgestellt. Darin werden vier Stellschrauben gelingender Transformation formuliert, die laut Wallacher „gemeinsam und aufeinander abgestimmt in den Blick zu nehmen und neu zu justieren sind“.
„Die Externalisierung von Kosten muss beendet werden“
Eine der zentralen Grundüberzeugungen der Studie sei, dass Wachstum nicht grundsätzlich abzulehnen sei. Vielmehr müsse dafür gesorgt werden, dass die ökologischen und sozialen Kosten von den Verursachern getragen und nicht weiter auf unbeteiligte Dritte abgewälzt werden. „Die Externalisierung von Kosten muss beendet werden“, betonte der Vorsitzende der Sachverständigengruppe. Dies müsse mit sozialem Ausgleich verbunden und in internationaler Abstimmung erfolgen.
Notwendige Einzelschritte wie eine verursachergerechte CO2-Bepreisung und der angemessene soziale Ausgleich würden aber viel zu häufig gegeneinander ausgespielt, statt sie als zusammengehörige Teile eines Gesamtprojekts zu verstehen. Technische und wirtschaftliche Effizienzsteigerungen seien dafür genauso wichtig wie eine Kultur der Suffizienz, der Solidarität und der internationalen Zusammenarbeit.
Wallacher: Betroffene Interessensgruppen in Entscheidungsprozesse einbeziehen
Wallacher forderte die Schaffung eines Ordnungsrahmens. Die von der Studie skizzierte sozial-ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft sei ein wertebasiertes Modernisierungskonzept, das einen Ordnungsrahmen brauche, der technologische und soziale Innovationen im Dienst des Gemeinwohls befördert und beschleunigt. Es gehe darum, die soziale Marktwirtschaft zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft in enger internationaler Abstimmung weiterzuentwickeln und in der Tradition der Väter der sozialen Marktwirtschaft mit einer wertebasierten Zielperspektive zu verbinden.
Wer die Transformation gestalten will, müsse auch die damit verbundenen Machtfragen klar benennen, um Barrieren und Gegenkräfte erfolgreich identifizieren und überwinden zu können, sagte er weiter. Um dabei von den unvermeidlichen Verteilungskonflikten nicht gelähmt zu werden, nannte es Wallacher hilfreich, „die betroffenen Interessensgruppen in angemessener Weise in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen und ihnen zu vermitteln, dass die Einschränkungen unter den richtigen Voraussetzungen und einem angemessenen sozialen Ausgleich nicht nur verkraftbar sind, sondern neue, fair zu verteilende Perspektiven eröffnen“. Ehrliche Transformationspolitik sei also immer auch eine Politik der fairen Verteilung von Zumutungen und neuen Handlungschancen. Dafür brauche es politischen Mut, betonte er.
„Wir brauchen in Demokratien Möglichkeiten der Partizipation“
Mit Blick auf eine Stärkung von Transparenz und Teilhabe sprach sich Wallacher für eine deutliche Stärkung des Subsidiaritätsgedankens aus. „Wir brauchen in Demokratien Möglichkeiten der Partizipation, der Repräsentation und Mechanismen der Selbstbindung von Demokratien“, sagte er.
Es gehe dabei um die Frage, wie man sich längerfristig auf Ziele bindend verständigen kann, ohne das diese ständig im politischen Tagesgeschäft zur Disposition gestellt werden. Beispielhaft dafür sei in der Vergangenheit die Schaffung von Zentralbanken, die sich treuhänderisch mit der Geldwertstabilität befassen. Aktuell werde aus den Kreisen der Wissenschaft eine Europäische Klimazentralbank vorgeschlagen, die einem langfristig festgelegten Klimaziel verpflichtet werde und davon abgeleitet den Emissionshandel justiere.
„Wir brauchen eine neue Form der Rechnungslegung“
Als vierte Stellschraube benannte Wallacher die kulturelle Dimension. „Wir brauchen eine neue Form der Rechnungslegung“, sagte er. Das gelte sowohl auf betriebswirtschaftlicher als auch auf volkswirtschaftlicher Ebene. Damit komme man zu neuen Indikatoren für unternehmerische Gewinne ohne Externalisierungseffekte und zu volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.
Benötigt werde auch eine verantwortungsvolle Bevölkerungspolitik, sagte der Vorsitzende der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“ der Deutschen Bischofskonferenz. Hier stünden die Kirchen in einer besonderen Verantwortung. (hau/15.03.2023)