Zeit:
Mittwoch, 15. März 2023,
14.45
bis 15.45 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 300
In einer Anhörung des Gesundheitsausschusses haben sich Experten mit Anträgen der Opposition zum Umgang mit Cannabis geäußert. Dabei vertraten Sachverständige die Auffassung, dass der Zugang zu Medizinalcannabis vereinfacht werden sollte. Zugleich befürworteten Fachleute eine Entkriminalisierung von Cannabis, allerdings bevorzugt als Übergang hin zu einer umfassenden Legalisierung der Droge. Die Sachverständigen äußerten sich am Mittwoch, 15. März 2023, in der Anhörung des Ausschusses sowie in schriftlichen Stellungnahmen. Grundlage waren ein Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke (20/2579) und ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/5561).
Anträge von Union und Linke
Die Unionsfraktion fordert in ihrem Antrag eine bessere Versorgung von Patienten mit Cannabisarzneimitteln. Eine Herausforderung seien die hohen administrativen Hürden bei den Genehmigungsverfahren in den gesetzlichen Krankenkassen in Verbindung mit den Begutachtungsverfahren durch den Medizinischen Dienst. Dies führe zu langen Wartezeiten und Widerspruchsverfahren. Die Abgeordneten fordern unter anderem, die Therapiehoheit der Ärzte bei der Verschreibung von medizinischen Cannabis zu stärken und das langwierige Genehmigungsverfahren zu überprüfen.
Die Linksfraktion will mit einer Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) eine Entkriminalisierung von Cannabis erreichen. Die rechtlichen und sozialen Konsequenzen der Kriminalisierung seien für die Betroffenen beträchtlich, heißt es in einem Gesetzentwurf der Fraktion. Die Abgeordneten schlagen vor, Volljährigen den Erwerb und Besitz von bis zu 30 Gramm Cannabis oder Cannabisharz zu erlauben. Auch soll der Anbau von bis zu drei weiblichen Cannabispflanzen für den persönlichen oder gemeinschaftlichen Eigenbedarf erlaubt sein. Das Aufbewahren einer Jahresernte von bis zu drei Pflanzen soll ebenfalls zulässig sein. Der Entwurf sieht Ordnungswidrigkeiten und Bußgelder vor, falls die zulässigen Höchstmengen überschritten werden.
Einfacherer Zugang zu Medizinalcannabis gefordert
Der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA) forderte, den bürokratischen Zugang zu Medizinalcannabis zu vereinfachen. Nur etwa zwei Drittel der Anträge würden positiv beschieden, wobei hierfür in den meisten Fällen ein aufwendiges Widerspruchsverfahren durchlaufen werden müsse. Die Therapiehoheit des behandelnden Arztes sollte daher gestärkt werden. Der VCA forderte zudem die Etablierung der cannabisbasierten Medizin in der medizinischen und pharmazeutischen Ausbildung, um fundierte Kenntnisse zu vermitteln und die Patientenversorgung zu verbessern.
Auch Johannes Horlemann von der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin ging im Ausschuss auf die fehlende Sachkenntnis unter Ärzten ein. Viele Patienten blieben von einer Cannabis-Therapie ausgeschlossen, weil ihr Arzt das nicht verordnen wolle oder sich damit nicht auskenne. Horlemann sagte, es kämen schwer kranke Patienten, bei denen die Standardtherapie an ihr Ende gelangt sei und die dankbar seien über eine Therapieoption. Die Hauptindikation seien chronische Schmerzen, mehr als der Hälfte der Patienten könne mit Medizinalcannabis geholfen werden.
Legalisierung oder Entkriminalisierung
Der Strafrechtler und Kriminologe Robin Hofmann von Universität Maastricht in den Niederlanden ging auf den Gesetzentwurf der Linksfraktion ein und erklärte, der Entwurf sei hinsichtlich der Legalisierung des Besitzes von 30 Gramm Cannabis zu Genusszwecken weder völker- noch europarechtskonform. Damit sich die Entkriminalisierung im Gesetz widerspiegele, müsse nicht von Erlaubnis gesprochen, sondern auf Straffreiheit abgehoben werden. Zudem stelle sich die Frage, ob eine Menge von 30 Gramm Cannabis als geringfügig einzustufen sei, zumal die Unterscheidung zwischen Konsumenten und Dealern dann schwer fallen dürfte. Eine Reduzierung des Schwarzmarktes für Cannabis sei durch die Entkriminalisierung ebenfalls nicht zu erwarten. Eine konsequente Legalisierung sei einer Entkriminalisierung vorzuziehen.
Zu dem Schluss kam auch der Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap und argumentierte, die Entkriminalisierung ohne Legalisierung sei nicht geeignet, den Schwarzmarkt zurückzudrängen, zudem könne so kein wirksamer Jugend- und Verbraucherschutz gewährleistet werden. Allerdings würde die Entkriminalisierung bei Polizei, Justiz und Strafvollzug schätzungsweise Kosteneinsparungen in Höhe von rund 1,3 Milliarden Euro pro Jahr ermöglichen.
Entkriminalisierung als Übergangslösung
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) unterstützt im Grundsatz die Entkriminalisierung von Cannabis, hält den Antrag der Linksfraktion aber für zu vage. Der BDK forderte für den Fall einer Legalisierung, den gesamten Herstellungs- und Vertriebsprozess zu legalisieren und zu kontrollieren. Dass durch eine wie immer organisierte Abgabe von Cannabis der Schwarzmarkt ausgetrocknet werden könnte, bezweifelt der BDK, wie in der Anhörung deutlich wurde. Dealer könnten ihre Drogen vermutlich immer billiger anbieten als offizielle Abgabestellen.
Der Deutsche Hanfverband (DHV) sprach sich für eine Entkriminalisierung aus und argumentierte, jedes Jahr gebe es rund 180.000 Strafverfahren wegen konsumbezogener Cannabisdelikte, mehr als 80 Prozent richteten sich gegen Konsumenten. Im Ausschuss schilderte ein DHV-Sprecher, dass ein solches Strafverfahren keine Kleinigkeit sei, sondern unter Umständen verbunden mit Hausdurchsuchungen, Telekomüberwachung und einer erniedrigenden Leibesvisitation.
Auch der Suchtforscher Heino Stöver befürwortet eine Entkriminalisierung als Übergangslösung, weil damit der Schaden für Einzelne und die Gesellschaft reduziert werden könne. Das mache Sinn, solange es kein Gesetz gebe, mit dem die Legalisierung im Umgang mit Cannabis vollumfänglich geregelt werde. (pk/15.03.2023)