Lars Rohwer setzt sich für Andrei Kuznechyk aus Belarus ein
Der Bundestagsabgeordnete Lars Rohwer (CDU/CSU) setzt sich für den inhaftierten belarussischen Journalisten Andrei Kuznechyk ein. Anfang 2022 fing alles an. Eine Mitarbeiterin der deutsch-schweizerischen Menschenrechtsorganisation Libereco, die aus Dresden stammt, bat ihn, eine Patenschaft für Belarus zu übernehmen. Ohne großes Zögern entschied sich Lars Rohwer, Andrei Kuznechyk zu helfen. Wenig später schlug der Abgeordnete den Journalisten auch für eine Patenschaft im Programm des Deutschen Bundestages „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ vor.
Ein Leben für Medien und Meinungsfreiheit
Lars Rohwer, der für die Christdemokraten das Direktmandat im Wahlkreis Dresden II holte, ist kein Außenpolitiker und auch nicht Mitglied im Menschenrechtsausschuss. Dennoch ist ihm wichtig, mit seinen Möglichkeiten als Abgeordneter gegen die politischen Repressionen in Belarus zu wirken. Das Schicksal von Andrei Kuznechyk stehe für diese Unterdrückung. Hinzu komme, dass er, Rohwer, seine Kindheit in der ehemaligen DDR verbracht, im Alter von 16, 17 Jahren Wende und Wiedervereinigung erlebt - und zuvor noch die Angst lokaler Journalisten vor der Zensur und das tagelange Verschwinden von Mitschülern mitbekommen habe, nachdem diese friedlich demonstriert hatten.
Wenn Journalisten wegen ihrer Arbeit angegriffen oder gar inhaftiert würden, löse das bei ihm einen Reflex aus, sich einzusetzen. Was Kuznechyk angetan werde, sei dramatisch, so Rohwer. Der 44-Jährige sei von Kindesbeinen an ein Medienmensch aus Passion, erzählten seine Familie und Arbeitskollegen, tätig als freiberuflicher Autor und Journalist für unabhängige Medien wie den belarussischen Ableger von Radio Free Europe/Radio Liberty, dort auch bekannt als Radio Svaboda. Dabei habe Kuznechyk auch über die Proteste gegen die manipulierten Wahlen von 2020 berichtet. „Dafür sitzt er jetzt ein.“
Absurde Vorwürfe, ungerechtfertigte Haftstrafe
Kuznechyk war seit Ende November 2021 zunächst ohne Angabe von Gründen in Untersuchungshaft festgehalten worden. Die Haft wurde dann unmittelbar vor Weihnachten 2021 auf unbestimmte Zeit verlängert und ein Strafverfahren gegen den Journalisten eingeleitet. Menschenrechtsorganisationen berichteten darüber. Am selben Tag hatte das belarussische Innenministerium Radio Svaboda als extremistische Vereinigung eingestuft. Da habe man Kuznechyk wahrscheinlich gesagt, er werde nun weiter in Haft bleiben und angeklagt, da er für eine verbotene Organisation arbeite, vermutet Rohwer. Außerdem habe man sein Mobiltelefon inspiziert und dort wohl ein paar Sachen gefunden, die sich gegen ihn verwenden ließen. In einem nur wenige Stunden dauernden Prozess am 8. Juni 2022 wurde der Journalist schließlich „wegen der Schaffung einer extremistischen Organisation“ zu sechs Jahren Haft „in einer Strafkolonie mittlerer Sicherheit“ verurteilt. Absurde Vorwürfe und ein unfassbares Urteil seien dies, stellt Rohwer fest.
Leute wie Kuznechyk würden „von dem Regime in Minsk als Staatsfeinde und Terroristen abgestempelt und aus politischen Gründen, weil sie eine andere Meinung vertreten, festgehalten und verurteilt“. Auch die Umstände seiner Verhaftung, die Durchsuchung seiner Wohnung, vor den Augen seiner Familie, und die spärlichen Informationen an Angehörige über seinen Verbleib seien entwürdigend und menschenverachtend. Dabei habe Kuznechyk „nichts Unrechtes getan, sondern als Journalist ganz professionell seine Arbeit gemacht, seine Meinung vertreten. Der gehört sofort freigelassen“, fordert Rohwer. In Belarus finde eine massive Verletzung der Menschenrechte statt. „Es ist dasjenige Land in Europa, das die Menschenrechte am meisten mit Füßen tritt. Dort gibt es überhaupt keine Meinungsfreiheit.“ Unabhängige Medien würden zum Schweigen gebracht, ein „wahnsinniger Repressionsapparat“, inklusive Folterungen, sei am Werk. Das beschäftige ihn am meisten bei seiner Patenschaft.
Patenschaft für die Meinungsfreiheit
Für ihn sei sofort klar gewesen: „Da mache ich was“, erinnert sich Rohwer. Als erstes habe er Kuznechyk per Post in die Haftanstalt geschrieben, dass er sich für ihn einsetzen werde. Von dessen Familie habe man Rückmeldung, dass ihn dieses Schreiben erreicht habe. Kuznechyks Frau habe ihr Interesse an einem Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten bekundet. Er werde ihr von der Patenschaft beim Bundestag erzählen, die seit Oktober 2022 besteht, hat sich Rohwer vorgenommen. Auf diese Weise wolle er mehr über den Menschen Andrei Kuznechyk erfahren. Vor dessen endgültiger Verurteilung habe Kuznechyks Familie noch zu große Angst vor einem direkten Austausch gehabt. Auch an den belarussischen Botschafter hat sich Rohwer als Bundestagsabgeordneter gewandt, und diesen über seine Patenschaft informiert.
Genau überlegt habe er mit seinem Mitarbeiterteam, was es bedeute, eine solche Patenschaft, im Rahmen des PsP-Programms, einzugehen, erzählt der Parlamentarier. „Ich sammle keine Patenschaften auf dem Papier. Es bedeutet, dass ich bereit bin, mich immer wieder in die Sache einzubringen.“ Kuznechyk sei zwar kein Parlamentarier. Jedoch „jemand, der sich exponiert für die Demokratie einsetzt“. Im Rahmen eines von der Konrad-Adenauer-Stiftung im benachbarten Litauen organisierten Delegationsbesuchs von Belarussen in Berlin bot sich Rohwer im Dezember vergangenen Jahres die Möglichkeit, einen Kollegen von Kuznechyk zu treffen. Aktuelle Informationen über den Zustand des Journalisten erhalte er auch von Libereco.
Hoffnungszeichen in die Repressionswelt
Zusätzlich zu dem Einsatz seitens der Menschenrechtsorganisationen biete das PsP-Programm eine weitere Möglichkeit, öffentlich auf dessen Schicksal hinzuweisen. Zu dem persönlichen Kontakt sowie zum Kontakt mit dem Umfeld und dem Einwirken auf Vertreter der Regierung komme hinzu, mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen. „Da probieren wir über meine Social Media Kanäle alles, was geht“, nehme Jahrestage wie den Tag der Menschenrechte zum Anlass für einen Post, um auf die Situation in dem Land und auf das Schicksal von Kuznechyk hinzuweisen. Zu seinem diesjährigen Geburtstag führte Lars Rohwer nun eine Spendenaktion für Libereco durch, eine Organisation, die sich vor allem auf Ehrenamtliche stütze, und bei der psychischen Rehabilitation Gefangener und deren Angehöriger unverzichtbare Arbeit leiste. „Es geht darum, dass diese Menschen ins Leben zurückfinden. So eine Haft macht etwas mi Dir. Etwas für uns draußen Unvorstellbares.“
Vor allem wolle er mit der Patenschaft „ein Hoffnungszeichen in die Repressionswelt von Belarus senden. Die Leute dort informieren sich ja trotzdem, es gibt Möglichkeiten, irgendwas sickert durch. Diese Hoffnungszeichen zu senden, das ist mit das Wichtigste. Man hat sonst in einem solchen Repressionsstaat, in der Haft, den Eindruck, die Welt interessiere sich nicht mehr für einen.“ Er habe sich „bewusst dazu entschieden, jemandem aus dem journalistischen Bereich“ zu betreuen. „Meine Motivation ist der Einsatz für die Meinungsfreiheit, auch wenn derjenige, für den ich mich einsetze, vielleicht nicht meine Meinung vertritt“, so der Bundestagsabgeordnete.
Rohwer: Kindheit in der DDR hat mich sensibilisiert
Die eigene Erfahrung der letzten Monate der DDR helfe ihm dabei zu verstehen, was Kuznechyk widerfahre. Dies habe ihn dafür sensibilisiert, was es bedeute, seine Meinung nicht äußern zu dürfen bzw. für die Äußerung einer von der Linie der Regierung abweichenden Meinung bestraft zu werden. Er habe „1989 noch mitbekommen, welche Furcht Dresdner Journalisten vor der Zensur hatten, wenn sie mal etwas Kritisches schreiben wollten“. Im Vorfeld der Feiern zum 40. Jahrestag der Staatsgründung der DDR habe er als 17-Jähriger in Dresden mit Klassenkameraden an den dortigen Montagsdemonstrationen teilgenommen. Einmal seien einige seiner Klassenkameraden am Tag nach einer Demo nicht in der Schule, und auch nicht zu Hause, erschienen, ja, tagelang verschwunden, ohne dass deren Eltern informiert wurden, erinnert sich Rohwer. „Niemand wusste etwas.“ Die Eltern hätten sich schließlich an die Kirche gewandt, „der einzigen Institution, der sie Vertrauen entgegengebrachten.“ Das Stadtjugendpfarramt habe sich zu einer Anlaufstelle entwickelt. Eine ähnliche Funktion erfülle heute die Organisation Libereco für Belarus. „Die geben keine Informationen an staatliche Stellen weiter.“ Der damalige evangelische Bischof in Dresden habe dann beim SED-Bezirksrat die Freilassung der Kinder erwirkt. Diese seien tagelang von der Staatssicherheit festgehalten und verhört worden.
Diese Erfahrungen seien ein Hauptgrund, warum er bei solchen Vorfällen von Verfolgung „sofort anspringe. Das geht gar nicht“. Er habe „einen Heidenrespekt vor Leuten, die für die Meinungsfreiheit arbeiten.“ Zumal unter schwierigsten Umständen, wie sie in Belarus herrschten. Andrei Kuznechyk habe seine Arbeit, die man nicht anders als professionell bezeichnen könne, mit einer ungerechtfertigten Haftstrafe von unverhältnismäßiger Länge bezahlt.
Ziel: Freilassung
„Ich will, dass Kuznechyk möglichst schnell freigelassen wird“, unterstreicht Rohwer das Hauptziel seiner Patenschaft. Ein Ehemann fehle seiner Frau und seinen Kindern. Als Zwischenschritte formuliert er: Haft- und Kontakterleichterung. Währenddessen werde er immer wieder platzieren: was Kuznechyk passiert sei und: wie solche Repressionssysteme wirken. Nach den gefälschten Wahlen 2020 habe sich in Belarus eine hoffnungsvolle Protestbewegung entwickelt, die Leute, vor allem viele mutige Frauen, seien gegen die Unterdrückung auf die Straße gegangen. Kuznechyk habe zu denen gehört, die darüber berichtet hätten. Das Regime habe es dann geschafft, dieses Aufbegehren brutal niederzudrücken und zahlreiche Oppositionelle und Demonstranten eingesperrt. Leider sei seine Hoffnung gering, dass sich die Verhältnisse in Belarus auf absehbare Zeit änderten. Dazu brauche es den Willen und den Mut möglichst großer Teile der Bevölkerung zur Freiheit. Der Glaube müsse sich durchsetzen, mit Demonstrationen etwas erreichen zu können.
Vor allem den Kindern hier und heute wolle er den grundlegenden Wert von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten vermitteln, so Rohwer. „Die Kinder können sich nicht vorstellen, dass jemand einfach weggenommen wird, weil er eine andere Meinung hat. Man muss immer wieder transportieren, was dort geschieht. Wenn ich berichte, dass ich jemanden betreue, ist das etwas Konkretes. Schülergruppen, die mich besuchen, docken an, wenn ich erzähle dass ich jemandem helfe. Dann können die auf einmal nachvollziehen, wie es ist, in einer Diktatur zu leben. Und warum es sich lohnt und auch nötig ist, die Freiheit auch in Deutschland immer wieder zu verteidigen.“ So lange Andrei Kuznechyk nicht frei sei, werde er sich „immer wieder was Neues einfallen lassen, damit dieser als Inhaftierter nicht in Vergessenheit gerät. Das wäre das Schlimmste für jemanden, der derartig weggeschlossen ist“ (ll/22.02.2023)