Einfluss von Algorithmen in digitalen Medien auf die Meinungsbildung
Der Bundestag hat am Freitag, 10. Februar 2023, über den Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung (TAB) gemäß Paragraf 56a der Geschäftsordnung des Bundestages mit dem Titel „Algorithmen in digitalen Medien und ihr Einfluss auf die Meinungsbildung“ (20/4453) beraten. Im Anschluss der Debatte wurde die Vorlage an die mitberatenden Ausschüsse unter Federführung des Ausschusses für Kultur und Medien überwiesen.
Bericht des TAB
Medien beeinflussten nicht nur, wie Menschen kommunizieren oder agieren, „sie prägen in spezifischer Art und Weise die sozialen Strukturen, den gesellschaftlichen Austausch und das gesellschaftliche Miteinander“, heißt es in dem Bericht. Bereits in der Vergangenheit seien die Chancen und Risiken von in der jeweiligen Zeit neuartigen Medien, beispielsweise von Rundfunk und Fernsehen, diskutiert worden. Dies gelte heute für das Internet als globale, quasiubiquitäre Kommunikations- und Vernetzungsinfrastruktur sowie für die Dynamiken der auf dem Internet basierenden vielfältigen digitalen Medien.
Das Spektrum der Informationsvermittlung sei vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten durch Informationsintermediäre, also Suchmaschinen, soziale Medien, Foto- oder Videoplattformen sowie Microbloggingplattformen und Nachrichtenaggregatoren, nicht nur erweitert, sondern grundlegend verändert worden, heißt es weiter. Diese Informationsintermediäre sammelten und verarbeiteten auf ihren Plattformen eine hohe Anzahl an Informationen aus unterschiedlichen Quellen. „Die jeweiligen Betreiber entwickeln und nutzen dazu Algorithmen, um zu entscheiden, welche Meldungen welchen Personen in welcher Reihenfolge angezeigt werden“, schreibt das TAB. Im Gegensatz zu den herkömmlichen publizistischen Verfahren würden die dabei genutzten Kriterien nicht journalistisch-redaktionell ausgewählt, sondern folgten der einer eigenen, in Algorithmen festgeschriebenen Logik.
Befürchtungen von allgegenwärtigen Filterblasen und Echokammern oder einer algorithmisch eingeschränkten Vielfalt von Informationen und Meinungen scheinen dem Bericht zufolge „derzeit“ unbegründet. Die meinungsbildungsrelevanten Risiken mit Blick auf die zugrunde liegenden Wirkungsmodelle seien dennoch klar erkennbar. Deutlich werde auch, „dass die auf einem Diskursmodell fußende Herleitung von gesetzgeberischen Ausgestaltungspflichten und Bewertungsmaßstäben für die Kommunikationsverfassung durch das Bundesverfassungsgericht an Grenzen stößt“.
Kommunikatives Gleichgewicht
Ob ein Diskursmodell tatsächlich zu einem kommunikativen Gleichgewicht führt, in dem sich alle gesellschaftlichen Meinungen nicht nur begegnen, sondern dies auch zu einer optimalen gesellschaftlichen Selbstverständigung und zu einer individuellen, kritischen und autonomen Reflexion über die eigene Meinung führt, „ist empirisch nicht geklärt“. Zudem sei aus medien- und verfassungsrechtlicher Perspektive zu konstatieren, dass mit Blick auf das normative Konzept der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung die Relevanz der Personalisierung von algorithmischen Medienangeboten bislang weder systematisch noch (grundrechts)dogmatisch abgearbeitet sei.
Eine grundsätzliche kritische Auseinandersetzung mit dem vom Kommunikationsverfassungsrecht genutzten Modell von Öffentlichkeit und Meinungsbildungsprozess erscheint aus Sicht der Autoren also angezeigt, um die Zeitgemäßheit des derzeitigen maßstabsprägenden Verfassungsrechtsansatzes zu überprüfen. Die rechtswissenschaftliche Diskussion habe hier noch nicht zu den Entwicklungen im Realbereich aufgeschlossen. (hau/10.02.2023)