Die AfD-Fraktion ist mit ihrer Forderung nach eine „Friedensinitiative mit Sicherheitsgarantien für die Ukraine und Russland“ gescheitert. In namentlicher Abstimmung haben sich am Donnerstag, 18. Januar 2024, 605 Abgeordnete gegen einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Deutschlands Verantwortung für Frieden in Europa gerecht werden – Eine Friedensinitiative mit Sicherheitsgarantien für die Ukraine und Russland“ (20/5551) gewendet, 75 stimmten dafür, es gab zwei Enthaltungen. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (20/5894) zugrunde. Darüber hinaus hat die Fraktion einen Antrag mit dem Titel „Verhältnismäßige Nothilfe für die Ukraine – Keine Wiederaufbaufinanzierung durch die deutsche Entwicklungshilfe“ (20/10061) vorgelegt. Die Vorlage wurde im Anschluss an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur federführenden Beratung überwiesen.
Die AfD-Abgeordneten hatten unter anderem vorgeschlagen, „die politische, militärische und finanzielle Unterstützung der Ukraine an die Verhandlungsbereitschaft Kiews zu ernsthaften Friedensgesprächen zu knüpfen und auch gegenüber Russland Gesprächsbereitschaft einzufordern“. Weitere Forderungen zielten unter anderem auf eine Friedensdelegation der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, den schrittweisen „Rückzug der russischen Streitkräfte aus dem ukrainischen Staatsgebiet auf den Stand vor dem 24. Februar 2022 bei gleichzeitiger schrittweiser Reduzierung der militärischen Unterstützung für die Ukraine“ sowie längerfristig eine privilegierte EU-Partnerschaft für die Ukraine, aber keine EU- und keine Nato-Mitgliedschaft.
Grüne verurteilen Täter-Oper-Umkehr
Robin Wagener (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von einer „intellektuellen Kapitulationserklärung rechtsradikaler Außenpolitik“. Die AfD wolle den russischen Angriffskrieg durch eine Erpressung der Ukraine zur Verhandlungsbereitschaft beenden. Das sei klassische Täter-Oper-Umkehr.
„Die Verantwortung für den Frieden suchen Sie nicht beim Aggressor, sondern beim Opfer von Gewalt, beim Opfer von Terror, Folter und Verschleppungen.“
Union: AfD betreibt Desinformation
Auch Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) warf den Antragstellern „Desinformation und Täter-Opfer-Umkehr“ vor. Die AfD bekämpfe all das, was auch Russland mit seinem Präsidenten Wladimir Putin an der Spitze bekämpfen wolle: Die internationale freiheitliche regelbasierte Ordnung, die Demokratie, die EU und den transatlantischen Zusammenhalt.
„Diese Partei steht für ein nationalistisches Deutschland auf Augenhöhe mit einer faschistischen Großmacht Russland“, sagte Kiesewetter. Nicht Russland brauche Sicherheitsgarantien, wie die AfD schreibe, nötig sei vielmehr die Garantie, dass Russland das Existenzrecht seiner Nachbarn anerkennt.
SPD: Deutschland setzt sich für Ende des Krieges ein
Adis Ahmetovic (SPD) wies die AfD-Vorwürfe zurück, Deutschland setze sich nicht für ein Ende des Krieges ein. Es habe bis zum russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 diplomatische Initiativen gegeben – bilateral, durch die EU, den Europarat, die Vereinten Nationen und das Normandie-Quartett: Es habe nur einen gegeben, der all das nicht wollte und einen Kompromiss ablehnte: Russlands Präsident Putin.
Ein Ende der Waffenlieferungen für die Ukraine würde zwar zu einem Ende des Krieges führen, sagte Ahmetovic. „Aber zulasten der Ukraine“. Und wer dann glaube, dass Putin Halt machen würde, der wolle oder der könne es nicht verstehen. „Beides ist ein Unsicherheitsfaktor für unser Land.“
AfD: Menschen in der Ukraine bezahlen mit ihrem Blut
Matthias Moosdorf (AfD) wies darauf hin, dass Russland und Ukraine bei den Verhandlungen in Istanbul im März 2022 an einem Waffenstillstand interessiert und zu erheblichen Zugeständnissen bereit gewesen seien. Eine Verständigung aber hätten die USA und Großbritannien verhindert.
Für die Ambitionen der Großmächte bezahlten die Menschen in der Ukraine mit ihrem Blut. Seither gehe es immer nur um „mehr: Mehr Waffen, mehr Geld, mehr Sanktionen“, kritisierte Moosdorf. Das Ergebnis: Hunderttausende gefallene Ukrainer, die USA habe die Hilfe weitgehend eingestellt, Deutschlands Wirtschaft schrumpfe, während die russische wachse.
FDP: Der russische Präsident will keinen Frieden
Ulrich Lechte (FDP) warb dafür, die Ukraine nicht nur so lange wie nötig zu unterstützen, sondern ihr zu helfen, diesen Krieg zu gewinnen. „Denn ich bin davon überzeugt, dass das die einzige Antwort ist, die Putin am Ende versteht.“
Der russische Präsident wolle keinen Frieden, er verfolge eine „Revanchismus-Strategie, die von Hass, Eitelkeit, Komplexen gegenüber der freien Welt genährt“ werde. Den Antragstellern, „Putins wichtigste Lautsprecher“, rief er zu: „Hören Sie auf mit ihren scheinheiligen Friedensanträgen, Sie machen sich wissentlich gemein mit einem gesuchten Kriegsverbrechern, offensichtlich einer ihrer Financiers.“
Antrag der AfD-Fraktion
Die Abgeordneten verlangen von der Bundesregierung, eine Friedensinitiative mit Sicherheitsgarantien für die Ukraine und Russland zu ergreifen. „Ein erster Schritt wäre, die politische, militärische und finanzielle Unterstützung der Ukraine an die Verhandlungsbereitschaft Kiews zu ernsthaften Friedensgesprächen zu knüpfen und auch gegenüber Russland Gesprächsbereitschaft einzufordern“, heißt es in dem Antrag.
Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, „sich mit Nachdruck für die Entsendung einer internationalen Friedensdelegation unter Leitung eines Repräsentanten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nach Kiew und Moskau einzusetzen und mit beiden Seiten einen sofortigen Waffenstillstand zu vereinbaren“. Angestrebt werden solle eine Feuerpause für die Dauer von mindestens 90 Tagen, eine zeitnahe Entflechtung der beteiligten Truppen in einem Streifen von 30 Kilometern sowie die Überwachung von Feuerpause und Truppenentflechtung durch die OSZE.
Schaffung von Mandatsgebieten der Vereinten Nationen
Als Komponenten für ein Friedensabkommen bringen die Abgeordneten unter anderem die Schaffung von Mandatsgebieten der Vereinten Nationen in den vier Oblasten Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson ins Spiel sowie einen „schrittweisen Rückzug der russischen Streitkräfte aus dem ukrainischen Staatsgebiet auf den Stand vor dem 24. Februar 2022 bei gleichzeitiger schrittweiser Reduzierung der militärischen Unterstützung für die Ukraine seitens der EU-Mitgliedsstaaten, Großbritanniens und den USA sowie die schrittweise Aufhebung der gegen die Russische Föderation gerichteten Sanktionen“.
Angestrebt werden solle schließlich eine privilegierte EU-Partnerschaft für die Ukraine, „unter der gleichzeitigen Bedingung, dass die Ukraine kein Nato- und kein EU-Mitglied wird. Außerdem sollten auf dem Staatsgebiet der Ukraine keine Atomwaffen gelagert, Raketen oder ausländische Truppen stationiert werden“. (ahe/18.01.2024)