Olaf Scholz wirbt um Vertrauen für seinen Ukraine-Kurs
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat im Bundestag sein Vorgehen in der Frage der Lieferung von Kampfpanzern für die Ukraine verteidigt. In der Regierungsbefragung sagte der Kanzler am Mittwoch, 25. Januar 2023, es sei notwendig, einerseits die Ukraine zu unterstützen, andererseits aber eine Eskalation zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato zu verhindern. Es sei richtig, „dass wir uns Stück für Stück vorangearbeitet haben“. Dieses Prinzip gewährleiste Sicherheit für Deutschland und Europa, betonte Scholz.
Ziel sei es, der Ukraine zusammen mit den Verbündeten rasch zwei Panzerbataillone zur Verfügung zu stellen. Deutschland werde Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A6 aus Bundeswehrbeständen, dazu Logistik, Munition und Wartung, bereitstellen. Die ukrainischen Besatzungen würden in Deutschland ausgebildet und den Partnerländern werde ermöglicht, ihrerseits Leopard-Kampfpanzer zu liefern. Es sei richtig, dieses Waffensystem „in enger Kooperation“ bereitzustellen, sagte Scholz. Besorgten Bürgern rief der Kanzler zu: „Vertrauen Sie mir, vertrauen Sie der Bundesregierung!“
„Enge Abstimmung mit den Verbündeten“
Jürgen Hardt (CDU/CSU) begrüßte die Entscheidung, auch wenn man sich dazu eine Regierungserklärung gewünscht hätte. Auf dem Weg zu dieser Entscheidung sei allerdings „erheblicher Flurschaden“ entstanden. Scholz machte klar, dass er hier anderer Meinung sei. Wenn die Regierung den Ratschlägen der Union folgen würde, wäre dies eine Gefahr für die Sicherheit Deutschlands, betonte er. Es wäre aus seiner Sicht ein „schwerer Fehler“, allein voranzugehen. Er setze hingegen weiterhin auf enge Abstimmung mit den Verbündeten.
Auf eine Frage des CSU-Abgeordneten Florian Hahn bekannte sich der Kanzler zum Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Was das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr angehe, brauche es Entscheidungen für konkrete Systeme. Scholz kritisierte in diesem Zusammenhang auch Fehler früherer unionsgeführter Regierungen in der Verteidigungspolitik, die jetzt beseitigt werden müssten.
„Breite Rückendeckung für den Kanzler“
Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) sicherte Scholz „breite Rückendeckung“ zu und nannte die Entscheidung, Leopard-Kampfpanzer zu liefern, richtig. Der Kanzler hob hervor, für ihn sei die Wirksamkeit sehr wichtig gewesen. Die Ukraine werde mit Waffen unterstützt werden, so lange und so sehr das notwendig sei. Der Wiederaufbau der Ukraine werde „viele Jahre und Jahrzehnte“ lang unterstützt werden müssen.
Dr. Nils Schmid (SPD) dankte Scholz für dessen „abgewogene Entscheidung“ und erkundigte sich nach den deutsch-amerikanischen Beziehungen. Scholz sagte, diese seien so gut wie lange nicht mehr. Er halte Präsident Biden für einen orientierten, zielsicher handelnden Politiker und „wirklich guten Partner“. Mit Frankreich sei man sich einig, die Ukraine weiterhin zu unterstützen, finanziell und mit Waffen.
Auf die Frage der Verteidigungsausschuss-Vorsitzenden Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) nach dem „breiten Bündnis“, von dem Scholz sprach, entgegnete der Kanzler, die Bundesregierung habe alle Entscheidungen getroffen, nachdem die Bündnispartner entsprechend oder ähnlich gehandelt hätten. Man habe Zeit investiert in eine koordinierte Herangehensweise.
„Bodentruppen werden wir in keinem Fall schicken“
In seiner Antwort auf eine Frage des fraktionslosen Abgeordneten Robert Farle unterstrich der Kanzler, die Regierung treffe Entscheidungen, die so abgewogen seien, dass sie aus Sicherheitsgründen für Deutschland gut vertreten werden könnten. „Bodentruppen werden wir in keinem Fall schicken“, es werde keine direkte Beteiligung von Nato-Truppen geben.
Petr Bystron (AfD) sprach von einem „historischen Tag“, weil der Kanzler die „Fundamente der deutschen Außenpolitik“ über Bord geworfen habe. Helmut Schmidt und Willy Brandt hätten sich für Frieden und Versöhnung eingesetzt. Scholz werde in die Geschichte eingehen als der Kanzler, der dieses Vermächtnis „mit Füßen getreten“ habe.
Scholz sagte, es sei ein Bruch mit den Errungenschaften, für die Schmidt und Brandt gestanden hätten, dass Russland die Ukraine angegriffen habe. Zur Entspannungspolitik mit dem Ziel gemeinsamer Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa habe gehört, dass Grenzen nicht verschoben werden. Russlands Kriegsziel sei es, sich einen Teil des ukrainischen Territoriums anzueignen.
Direktversicherungen und Tarifbindung
Matthias W. Birkwald (Die Linke) erkundigte sich nach dem Stand der Gespräche in Sachen Doppelverbeitragung zur Krankenversicherung bei Direktversicherungen zur Altersvorsorge, die viele Rentnerinnen und Rentner betreffe. Scholz sagte, es werde darüber nachgedacht, wie dies konkret gestaltet werden könne und erinnerte an Erleichterungen, die bereits in der vergangenen Wahlperiode beschlossen worden seien. Die Frage, wie man mit den Fällen der Vergangenheit umgeht, sei „nicht so trivial“.
Der Linken-Abgeordneten Susanne Ferschl stimmte er zu, dass die Tarifbindung im Arbeitsleben wieder gestärkt werden müsse, laut Ferschl befindet sie sich „im freien Fall“. Scholz hob hervor, Tarifverträge seien prägend für die Sozialpartnerschaft in Deutschland. Er wünsche sich, wieder mehr dafür zu gewinnen. Der Wunsch nach mehr und leistungsfähigen Tarifverträgen sei ihm sehr wichtig.
Wohnungsbau und Planungsbeschleunigung
Die Wohnungsbauziele der Regierung thematisierte Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU). Dazu erklärte der Kanzler, zentrales Ziel sei es, die Bauleistung nach oben zu treiben, damit 400.000 Wohnungen gebaut werden können. Nach Luczak werden es 2022 etwa 280.000 und 2023 etwa 250.000 sein. Scholz sagte, Unternehmen, Investoren, Städte und Kommunen müssten langfristige Investitionen tätigen, um dieses Ziel zu erreichen. „Wir brauchen Vereinheitlichung“, betonte er mit Blick auf serielles Bauen. Diesen Fortschritt müsse man erreichen.
Das Thema Planungsbeschleunigung, angesprochen von Bernd Reuther (FDP), nahm Scholz zum Anlass, die „neue Geschwindigkeit“ als zentral für die Bewältigung der Modernisierung zu bezeichnen. Eigene Maßnahmen würden „bald“ auf den Weg gebracht. Ein großes Thema dieser Legislaturperiode sei, „dass Deutschland schneller wird“.
Staatsvolk, Kindergrundsicherung und Cum-Ex-Skandal
Dr. Bernd Baumann (AfD) fragte den Kanzler, ob es ethnisch-kulturell ein deutsches Staatsvolk gebe. Scholz sagte, es gebe ein deutsches Volk aller, die die deutsche Staatsbürgerschaft hätten. Was dieses Volk verbinde, seien Überzeugungen, etwa gemeinsam fleißig zu sein, sich an Gesetze zu halten, Nachbarn zu achten und eine moderne Gesellschaft sein zu wollen. Dafür stehe dieses Land und dieses Volk.
Die Kindergrundsicherung bezeichnete der Kanzler auf eine Frage der Grünen-Abgeordneten Nina Stahr als „großes Vorhaben der Regierung“. Er verwies auf die Anhebung von Kindergeld und Kinderzuschlag auf 250 Euro für das erste bis dritte Kind, die eine gute Basis dafür sei, die technische Umsetzbarkeit anzugehen. Die Frage der Digitalisierung spiele dabei eine große Rolle: „Ein sehr ehrgeiziges Vorhaben, wir wollen das gut hinkriegen.“
Dr. Mathias Middelberg und Matthias Hauer (beide CDU/CSU) sprachen den Kanzler auf vier Gespräche an, die dieser als Hamburger Bürgermeister mit Christian Olearius von der Warburg Bank geführt habe. Hintergrund ist der Cum-Ex-Skandal um Steuerbetrug in großem Ausmaß. Scholz erklärte, die Vorwürfe gegen die Regierung in Hamburg hätten sich nicht erhärtet, „weil nichts dran ist“. Nach so vielen Untersuchungen sei mal Schluss mit Verdachtsäußerungen, die keine Erhärtung gefunden hätten: „Es macht keinen Sinn.“ (vom/25.01.2023)