Keine Unterstützung für Unionsantrag zu Klimaaktivisten
Die Forderung von CDU/CSU nach einer härteren Gangart gegen Klima-Aktivisten wird von den meisten anderen Fraktionen abgelehnt. Abgeordnete der Regierungskoalition warfen der Unionsfraktion in der ersten Lesung des Antrags „Straßenblockierer und Museumsrandalierer härter bestrafen – Menschen und Kulturgüter vor radikalem Protest schützen“ (20/4310) am Donnerstag, 10.November 2022, vor, sich profilieren zu wollen und zu ignorieren, dass der Rechtsstaat sehr wohl in der Lage sei sich gegen Straftaten zu schützen. Die Vorlage wurde im Anschluss der Beratung an den Rechtsausschuss überwiesen.
SPD, Grüne und FDP verurteilten in der Debatte übereinstimmend die Aktionen der Klimaschützer und Klimaschützerinnen auf Straßen und in Museen, betonten aber, dass es Sache der Richter und Richterinnen und nicht der Politik sei, darüber zu urteilen. Die Linke nahm die Aktivisten und Aktivistinnen in Schutz, während die AfD die im Antrag vorgesehenen Strafverschärfungen als nicht zielführend kritisierte.
CDU/CSU: Klimaprotest wird immer radikaler
Andrea Lindholz (CDU/CSU) sagte zur Begründung des Antrags, die Beispiele der letzten Wochen hätten gezeigt, dass der Klimaprotest immer radikaler werde und es sich dabei nicht um politischen Aktionen, sondern um Straftaten handle. Ziel sei, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erreichen.
Es würden rote Linien überschritten, und dies sei durch nichts zu rechtfertigen. Der Rechtsstaat habe hierauf aber keine Antwort. Klimaschutz sei wichtig, aber rechtfertige keine Straftaten, die ihm nur schadeten. Mit Geldstrafen werde man sie aber nicht verhindern.
SPD: Aktionen haben nichts mit Klimaschutz zu tun
Sonja Eichwede (SPD) betonte, die jüngsten Protestaktionen hätten große Aufmerksamkeit erzeugt, aber nichts mit Klimaschutz zu tun. Sie seien „kein legitimes Protestmittel“. Ein Fernziel wie der Klimaschutz rechtfertige sich nicht durch ein konkretes Tatziel der Störung des Straßenverkehrs oder der Sachbeschädigung.
Der Antrag der Unionsfraktion sei jedoch ein „populistischer Ruf“ nach strafrechtlichen Verschärfungen, der weder den Ermittlungsbehörden helfe, noch weitere Straftaten verhindern könnte. Er vermittle den Eindruck, dass der Rechtsstaat nicht handlungsfähig wäre, dies sei falsch und fahrlässig.
Grüne: Dem Klimaschutz wird ein Bärendienst erwiesen
Dr. Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, ihre Fraktion lehne Protest und Aktionsformen, die dazu geeignet seien, die Sicherheit von Menschen zu gefährden, mit aller Entschiedenheit ab. Das gelte unabhängig davon, ob der Grund für den Protest berechtigt sein mag oder nicht. Es werde auch nicht besser, wenn Proteste unter dem Label Klimaschutz liefen. Ganz im Gegenteil erweise die „Letzte Generation“ dem Klimaschutz einen Bärendienst und streue all denen Sand ins Getriebe, die sich ernsthaft und aufrichtig für eine wirksame Klimaschutz einsetzen. Die gefährlichen Aktionen der sogenannten Letzten Generation seien klimapolitisch kontraproduktiv, rechtsstaatlich hochproblematisch und damit „vollkommen inakzeptabel“.
Der Antrag der Union sei aber mindesten genauso so hart amThema vorbei, wie die Proteste, für die sie jetzt eine Strafverschärfung fordere. Sie habe geradezu nach einer Gelegenheit gesucht, von ihrem eigenen Scheitern in der Klimapolitik ablenken zu können und diffamiere nicht nur die „Letzte Generation“ sondern die gesamte Klimaschutzbewegung.
FDP: Antidemokratische, totalitäre und autoritäre Haltung
Konstantin Kuhle (FDP) würdigte die Errungenschaften friedlicher Klimaproteste, die Radikalisierung und die Militanz der Klimaaktivisten in den letzten Wochen und Monaten bewirke jedoch genau das Gegenteil. Das führe dazu, dass sich die gesellschaftliche Mitte vom Thema des Klimaschutzes abwende. Die sogenannte Letzte Generation mache aus dem Thema Klimaschutz „ein radikales Nischenthema“. Die Aktivisten und Aktivistinnen zerstörten, was Luisa Neubauer und Greta Thunberg mühsam aufgebaut hätten. Ihre Haltung sei antidemokratisch, totalitär und autoritär.
Zum Antrag sage Kuhle, das Strafrecht sei das Ultima-Ratio-Instrument des Rechtsstaates. Er warf der Union vor, der Haltung anzuhängen, dass man jedes gesellschaftliche Problem und jedes neue Phänomen automatisch mit schärferem Strafrecht lösen könne. Das geltende Recht sehe für die Straftaten der Demonstranten entsprechende Verfahren und Strafen vor. Zudem entschieden Richter und Richterinnen über eine Strafbarkeit und nicht die Abgeordneten des Bundestages.
Linke: Kriminalisierung politischer Meinungsäußerungen
Clara Bünger (Die Linke) warf der Union vor, Personen, die sich für den Erhalt der menschlichen Lebensgrundlagen einsetzten, mit Verbrechern und Terroristen gleichzusetzen. Die Antragsteller gäben vor, es gehe ihnen um den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit, eigentlich gehe es der Union aber um die größtmögliche Kriminalisierung politischer Meinungsäußerungen, die nicht mit ihren eigenen übereinstimmen. Es sollten Menschen inhaftiert werden, die politisch links stehen. Das sei kein demokratischer Vorschlag, solche autoritären Anwandlungen seine ein ernsthafte Gefährdung der Debattenkultur und der Demokratie. Gefordert sei nicht das Strafrecht, sondern eigene politische Ideen.
Bünger warf der Koalition vor, auf die Drohgebärden der CDU/CSU einzugehen. Die Innenministerin habe unterstellt, dass vorsätzlich Rettungswege versperrt wurden. Sie kenne keine Klimaaktivistin, die sich mit dem Vorsatz der Versperrung von Rettungswegen auf die Straße geklebt hat. Statt Klimaproteste infrage zu stellen, sollte die Bundesregierung endlich Maßnahmen ergreifen, um den Klimawandel zu stoppen.
AfD: „Letzte Generation“ begeht gezielten Rechtsbruch
Thomas Seitz (AfD) beschuldigte die „Letzte Generation“ des gezielten Rechtsbruchs. Es gehe nicht um zivilen Ungehorsam. Die „grüne RAF“ sei „mitten in der Entstehung“. Angesichts des zunehmenden Extremismus brauche es dringend ein Verbot dieser Organisation. Der vorliegende Antrag helfe bei der Bekämpfung der Klima-Extremisten definitiv nicht. Handwerklich schlechter gehe es kaum.
„Wenn schon Populismus, dann bitte doch richtig“, sagte Seitz. Es handele sich um wenig durchdachte Überlegungen, die nicht zielführend seien. Eigentlich müsse man über einen Verbrechenstatbestand nachdenken, um wirklich abzuschrecken.
Antrag der CDU/CSU
In ihrem Antrag fordert die CDU/CSU-Fraktion die Bundesregierung dazu auf, den Strafrahmen des Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (Paragraf 315 StGB) von drei Monaten bis zu fünf Jahren anzuheben, „um die besondere Gefährlichkeit der Straßenblockaden angemessen zu ahnden“. Aktuell ist auch eine Geldstrafe möglich. Zudem soll nach Willen der Fraktion der Tatbestand so ausgestaltet werden, „dass die Täter bereits dann bestraft werden, wenn die Blockade dazu geeignet ist, Leib und Leben eines Menschen zu gefährden, und die Täter nur billigend in Kauf nehmen, dass Rettungsdienste nicht zu Unfallopfern durchkommen“.
Weiter verlangt die Fraktion, das Strafmaß für die Behinderung von hilfeleistenden Personen in Paragraf 323c Absatz 2 StGB auf bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe anzuheben. Aktuell ist eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vorgesehen. Der Straftatbestand des besonders schweren Falls der Nötigung in Paragraf 240 Absatz 4 StGB) soll ferner um weitere Regelbeispiele ergänzt werden: „Täter, die eine öffentliche Straße blockieren und billigend in Kauf nehmen, dass Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben behindert werden, sollen zukünftig mit Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren bestraft werden. Ebenso sollen Täter bestraft werden, die eine große Zahl von Menschen durch ihre Blockaden nötigen - etwa dann, wenn es durch die Blockaden im Berufsverkehr zu langen Staus kommt“, führte die Fraktion aus.
Gemeinschädliche Sachbeschädigung
Um „Kunstwerke und Kulturgüter als Teil unseres kulturellen Erbes sowie die weiteren in § 304 StGB genannten Gegenstände besser vor mutwilligen Beschädigungen durch Straftäter zu schützen“, soll nach Auffassung der Union zudem der Straftatbestand der Gemeinschädlichen Sachbeschädigung angepasst werden. „Hierzu soll die Beschädigung oder Zerstörung solcher Gegenstände von bedeutendem finanziellen und/oder kunsthistorischen Wert als besonders schwerer Fall definiert und ein erhöhtes Strafmaß mit einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten vorgesehen werden“, heißt es in dem Antrag.
Zudem fordert die Unionsfraktion, Kettenbewährungsstrafen grundsätzlich zu unterbinden. Dazu soll laut Antrag Paragraf 56 StGB so ausgestaltet werden, so dass „Straftäter, gegen die wegen einer Straftat innerhalb laufender Bewährungszeit erneut eine Freiheitsstrafe aufgrund einer vorsätzlichen Straftat verhängt wird, künftig grundsätzlich keine erneute Bewährungsstrafe bekommen können“. (mwo/10.11.2022)