Die Unionsfraktion ist mit ihrer Forderung nach einer entschlosseneren Unterstützung der iranischen Protestbewegung gescheitert. Ihr Antrag mit dem Titel „Iranische Protestbewegung entschlossen unterstützen – Den Testfall einer frauenorientierten Außenpolitik zum Erfolg machen“ (20/3930) fand am Donnerstag, 15. Dezember 2022, gegen das Votum der übrigen Fraktionen keine Mehrheit im Plenum. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (20/4775) zugrunde.
Antrag der Union
Die Abgeordneten hatten die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, sich für die Einberufung eines Sonderrates der EU zur Lage im Iran einzusetzen und die „Maßnahmen und Mittel“ zur Unterstützung der Protestbewegung und der iranischen Bevölkerung auszuweiten – so etwa durch Zugang zu verschlüsselter Telefonie, Internet und Satellitenkommunikation. Weitere Forderungen zielten auf eine Ausweitung der EU-Sanktionen auf „alle Personen und Organe des iranischen Regimes, die mit der Unterdrückung der aktuellen Proteste befasst beziehungsweise an dieser beteiligt sind“ sowie die EU-weite Listung der iranischen Revolutionsgarden und die Belegung ihrer Mitglieder mit Einreisesperren und Einfrieren von Vermögenswerten.
Die andauernden Proteste in der islamischen Republik Iran böten die „einmalige Chance“, systematische Verbesserungen für die Lage der Frauen und einen gesellschaftlichen Wandel hin zu mehr Freiheitsrechten zu erreichen, begründete die Unionsfraktion ihren Vorstoß. Es bedürfe jetzt der „tatkräftigen“ Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft, insbesondere Deutschlands und Europas, und einer „echten frauenorientierten Außenpolitik, die die Verbesserung der Lage der Frauen konkret in den Blick“ nehme. Der Druck auf die Regimekräfte müsse deutlich erhöht und die deutsche und europäische Iranpolitik auf den Prüfstand gestellt werden.
Grüne kritisieren „ideologiegetriebene Wortklauberei“
Lamya Kaddor (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte eine „ideologiegetriebene und unüberlegte Wortklauberei“ der Antragssteller, die den Begriff feministische Außenpolitik „wie der Teufel das Weihwasser“ scheuen würden. Im Iran gehe es um sehr viel mehr. „Neben der Gleichberechtigung von Frauen geht es um nichts weniger als den Protest gegen das Unrechtsregime der Mullahs.“
Feministische Außenpolitik umfasse einen emanzipatorischen und protektionistischen Gesamtansatz mit Blick auf marginalisierte Gruppen. „Das haben sehr früh auch Männer im Iran erkannt und sich solidarisch und mutig an die Seite der Demonstrantinnen gestellt.“
Union: Regierung hat zu spät reagiert
Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU) warf der Bundesregierung hingegen vor, dem Anspruch einer feministischen Außenpolitik selbst nicht gerecht zu werden. Sie habe im Fall der ursprünglich von Frauen im Iran getragenen Proteste zu spät reagiert und keine Antwort auf dieses historische Momentum gefunden.
Deutschland sei weiterhin der größte Handelspartner des Irans in der EU, für die Revolutionsgarden gebe es seitens der EU noch immer keine vollständige Sanktionierung und das „Islamische Zentrum“ in Hamburg sei „immer noch Drehscheibe der Spionage und der Auslandsrepression dieses Regimes“.
SPD: Die Zukunft gehört der Freiheit
Derya Türk-Nachbaur (SPD) wandte sich gegen Versuche, die Frauen im Iran zum „Spielball von Parteipolitik“ zu machen. Sie bezeichnete die „willkürlich ausgesprochenen Todesurteile“ und Hinrichtungen von Demonstranten als „Signal der Schwäche und der Angst“ des Mullah-Regimes. Die Entscheidungsträger im Iran hätten das Geld, die Strukturen, einen Überwachungsapparat. „Aber sie haben keine Zukunft. Die Zukunft gehört der Freiheit.“
Der Ruf nach Freiheit lasse sich nicht einsperren, „die Hoffnung auf Zukunft lässt sich nicht vergewaltigen, die Träume der Jugend, lassen sich nicht auspeitschen“. Der Mut der Demonstrierenden versetze das Regime in Angst und Schrecken. „Die Protestbewegung ist zu einer Revolutionsbewegung geworden.“
AfD warnt vor Bürgerkrieg in der Region
Eugen Schmidt (AfD) warnte vor einem weiteren Bürgerkrieg in der Region. Deutschland dürfe Krisen nicht anfeuern, sondern müsse sie entschärfen und darüber mit der iranischen Führung und iranischen Oppositionellen ins Gespräch kommen.
Stattdessen habe Außenministerin Annalena Baerbock das deutsch-iranische Verhältnis schwer beschädigt und stattdessen liefere die Bundesregierung Waffen an Irans Gegenspieler Saudi-Arabien und befeuere so den Krieg im Jemen: „Heuchelei und Selbstgefälligkeit – Markenzeichen grüner Außenpolitik.“ Union und Regierungsfraktionen zielten auf den Regimewechsel ab. „Sie haben nichts aus den letzten 20 Jahren misslungener westlicher Interventionspolitik gelernt.“
FDP begrüßt neue Sanktionen
Rainer Semet (FDP) begrüßte die neuen Sanktionen gegen iranische Verantwortliche, auf die sich die EU-Minister Anfang der Woche geeinigt haben, darunter Einreisverbote in die EU und Kontosperrungen. „Mit den Sanktionen treffen wir auch Kommandeure, die die Befehle zu grausamen Taten gegeben haben.“
Die Listen würden fortlaufend ergänzt, die Bundesregierung werde alle Möglichkeiten ausschöpfen, „um Täter zur Verantwortung zu ziehen und die Profiteure des Regimes mit den Sanktionen zu treffen“.
Linke: Regierung muss Druck auf Regime erhöhen
Janine Wissler (Die Linke) lenkte den Blick auf den Generalstreik im Iran, mit dem eine neue Dimension erreicht worden sei. „Was im Iran gerade passiert, ist historisch.“ Das Regime reagierte mit äußerster Brutalität, fast 500 Demonstranten seien getötet worden, fast 18.000 festgenommen, darunter Kinder und Jugendliche, es gebe Berichte Gefangener über Folter und Vergewaltigungen.
Die Bundesregierung müsse alle diplomatischen Mittel einsetzen, um den Druck auf das Regime zu erhöhen: „Die humanitäre Pass- und Visavergabe muss erleichtert werden, und natürlich muss es einen dauerhaften Abschiebestopp in den Iran geben.“ (ahe/15.10.2022)