Streit um Pläne der Regierung zur Reform des Einbürgerungsrechts
Die Pläne der Regierungskoalition für erleichterte Einbürgerungen in Deutschland stoßen im Bundestag bei Teilen der Opposition auf entschiedene Ablehnung. In einer von der CDU/CSU-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde äußerten Redner von Union und AfD am Donnerstag, 1. Dezember 2022, scharfe Kritik an der geplanten Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, während Vertreter der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP das Vorhaben nachdrücklich verteidigten und Die Linke es begrüßte.
Hintergrund ist ein Referentenentwurf aus dem Bundesinnenministerium, dem zufolge bei Einbürgerungen mehrfache Staatsangehörigkeiten hingenommen, die Sprachanforderungen für bestimmte Gruppen gesenkt und die Mindestaufenthaltsdauer in Deutschland verkürzt werden soll.
Union prophezeit Loyalitätskonflikte
Andrea Lindholz (CDU/CSU) nannte die Staatsbürgerschaft das „zentrale rechtliche Band“, das den Bürger mit seinem Staat verbinde. Dass die Regierungskoalition künftig doppelte Staatsbürgerschaften generell ermöglichen wolle, werde zu Loyalitätskonflikten führen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Lande schwächen.
Auch widerspreche das Vorhaben, die Fristen der Mindestaufenthaltsdauer in Deutschland vor einer Einbürgerung fast zu halbieren, dem Prinzip, dass die Einbürgerung am erfolgreichen Ende eines Integrationsprozesses stehen sollte und nicht am Anfang.
Integrationsbeauftragte: Auf der Höhe der Zeit
Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Reem Alabali-Radovan (SPD), entgegnete, dass die „Ampel“ das Einwanderungsland Deutschland mit ihren Plänen „auf die Höhe der Zeit“ bringe. Sie wolle Lebens- und Integrationsleistungen anerkennen.
Wer viele Jahre in Deutschland lebe, solle neben allen Pflichten auch alle Rechte haben. Die Demokratie lebe von der Möglichkeit, mitzubestimmen sowie zu wählen und gewählt zu werden. Es sei nicht gut, „wenn Einwohnerschaft und Wahlvolk immer weiter auseinanderfallen“.
AfD: Sie verschleudern den Pass
Dr. Gottfried Curio (AfD) kritisierte, die Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft sollten nach den Plänen der Koalition „komplett geschleift“ werden. Eine Einordnung in deutsche Lebensverhältnisse sei kein Thema mehr. Dabei wollten einer Umfrage zufolge zwei Drittel der Deutschen keine Vereinfachung der Einbürgerung.
Erst müsse eine wirkliche Integration auch als Bemühung um die Staatsbürgerschaft erfolgen und nicht umgekehrt. „Sie verschleudern den Pass an ungenügend Integrierte“, warf Curio der Koalition vor und sprach von einem „Aufbauprogramm für Parallelgesellschaften“.
Grüne: Allerhöchste Zeit für die Reform
Dr. Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, es sei „allerhöchste Zeit“, dass Deutschland ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht bekomme, das Menschen eine bessere Integrationsperspektive eröffne, den demokratischen Erfordernissen Rechnung trage und gut für die deutsche Wirtschaft sei.
Deutschland sei ein Einwanderungsland, und es werde Zeit, „dass das Recht dieser Tatsache endlich Rechnung trägt“. Bei der Staatsbürgerschaft gehe es vor allem um die Möglichkeit, gleichberechtigt zum Erfolg des Gemeinwesens beizutragen. Es sei unerträglich, wenn etwa Menschen mit zwei Staatsangehörigkeiten die Loyalität zur Bundesrepublik abgesprochen werde
Linke: Reform ist überfällig
Janine Wissler (Die Linke) nannte die Reform „lange überfällig“. Deutschland sei ein Einwanderungsland, und dies müsse sich auch im Staatsbürgerschaftsrecht widerspiegeln. In der Bundesrepublik lebten und arbeiteten mehr als zehn Millionen Erwachsene ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die deshalb nicht wahlberechtigt sind.
„Ihr Leben wird bestimmt durch politische Entscheidungen, an denen sie nicht durch Wahlen mitwirken können“, fügte Wissler hinzu und begrüßte, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eine Erleichterung von Einbürgerungen angekündigt habe.
FDP: Mehr reguläre Migration, weniger irreguläre
Konstantin Kuhle (FDP) verwies auf die am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossenen Eckpunkte zur erleichterten Einwanderung aus Drittstaaten in den Arbeitsmarkt, das den Interessen der deutschen Volkswirtschaft und der Sicherung des deutschen Wahlstands diene.
Dieses Einwanderungsgesetz müsse in ein migrationspolitisches Gesamtkonzept eingebettet sein, das sich mit der Formel „mehr reguläre Migration, weniger irreguläre Migration“ zusammenfassen lasse. Teil dieses Konzeptes sei die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, doch müsse nun auch bei der im Koalitionsvertrag ebenfalls angekündigten „Rückführungsoffensive“ mehr passieren.
SPD: Hürden für Gastarbeitergeneration senken
Gülistan Yüksel (SPD) betonte, die Koalition passe mit dem neuen Staatsangehörigkeitsgesetz die Rahmenbedingungen „endlich an die Lebenswirklichkeiten an“. Sie erleichtere den Weg zur deutschen Staatsbürgerschaft gerade auch für Menschen, „die schon längst selbstverständlich Teil dieser Gesellschaft sind“.
Das neue Staatsangehörigkeitsrecht werde auch die Hürden für die Einbürgerung der „Gastarbeiter-Generation“ senken, die Deutschland zum Wohlstand verholfen habe. Wenn jetzt von der Union kritisiert werde, dass die Staatangehörigkeit „verramscht“ oder „entwertet“ würde, sei dies „wirklich verletzend“. (sto/01.12.2022)