Parlament

Menschenrechte, Fußball und Energie in Katar und Saudi-Arabien thematisiert

Dreizehn Personen stehen im Plenarsaal der Beratenden Versammlung in Saudi-Arabien.

Deutsche Delegation mit Mitgliedern der Saudisch-Deutschen Freundschaftsgruppe und Mitarbeitern der deutschen Botschaft im Plenarsaal der Beratenden Versammlung. (© DBT/Franco Liccione)

Katar und Saudi-Arabien waren vom 29. Oktober bis 5. November 2022 Ziel einer Delegationsreise von Bundestagsabgeordneten. Ist die Fußball-Weltmeisterschaft ein Anstoß, um ein Land wie Katar weiter zu entwickeln und für Verbesserungen der Menschenrechtslage und höhere soziale Standards zu sorgen? Und wie steht es um die gesellschaftlichen Reformen in Saudi-Arabien, einer absoluten Monarchie und einem Schlüsselstaat für den Welterdölmarkt? Das wollte eine Delegation der Parlamentariergruppe „Arabischsprachige Länder des Nahen und Mittleren Ostens“ im Deutschen Bundestag wissen und machte sich vor Ort ein eigenes Bild.

Fußball und Energiepartnerschaft

„Natürlich fiebert man auch in den anstehenden sportlichen Fragen mit“, sagt Dr. Christoph Ploß (CDU/CSU), Vorsitzender der Parlamentariergruppe und Delegationsleiter. Zudem unterstütze man die Bemühungen der Bundesregierung, Energiepartnerschaften mit Saudi-Arabien und vor allem Katar aufzubauen. Nach dem Ausfall Russlands benötige man schließlich vor allem neue Gaslieferanten.

In beiden Ländern kamen die deutschen Abgeordneten mit Mitgliedern der dortigen sogenannten Beratenden Versammlungen sowie mit Vertretern der Regierungen, der Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Bei den Gesprächen sei es um sämtliche Themen der bilateralen Beziehungen gegangen, berichtet Ploß: Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, der Kooperation im Energiebereich, aber auch um Menschenrechtsfragen.

Handel und Wirtschaft: Wechselseitiges Interesse

In der aufstrebenden Wirtschaftsmetropole Dschidda, die die Abgeordneten neben der Hauptstadt Riad besuchten, tauschten sie sich mit Vertretern der deutschen Wirtschaft über das Potenzial der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Saudi-Arabien und Deutschland aus und informierten sich über den dortigen Hafen. Dieser suche nach Möglichkeiten, mit europäischen Häfen wie dem Hamburger Hafen zu kooperieren. Eine solche Kooperation werde man politisch unterstützen, erklärt Ploß. Saudi-Arabien sei seit jeher sehr interessiert an technologischem Knowhow aus Deutschland und ein Großabnehmer deutscher und europäischer Produkte. Das Wissen um die Endlichkeit fossiler Brennstoffvorkommen lasse dieses Interesse noch steigen. „Die Saudis stellen sich bereits auf die Zeit nach dem Öl ein, wollen ihre Wirtschaft diversifizieren und investieren auch bei uns. Daraus ergeben sich auch Chancen für Arbeitsplätze und Wirtschaft in Deutschland.“

Starkes Interesse hätten die Gastgeber zudem an dem deutschen dualen Ausbildungssystem gezeigt. Die deutschen Unternehmen, die man während des Besuchs getroffen habe, hätten großes Interesse an einer fortgesetzten und vertieften Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien. Als Parlamentarier setze man sich für die deutsche Wirtschaft ein. „Für uns ist der Golfstaat mit seinen Erdölreserven als Handelspartner bedeutsam. Aber auch wenn wir über Wasserstoffimporte und klimaneutrale Kraftstoffe wie E-Fuels sprechen, sollten wir an Saudi-Arabien denken.“ Ähnlich gelte dies für Katar mit seinen Erdgasvorkommen im Persischen Golf, deren Bedeutung wohl noch steigen werde. Diese wirtschaftlichen Beziehungen werde man weiter pflegen, sagt Ploß.

Ploß: Gastgebern Respekt entgegenbringen

Selbstverständlich spreche man bei einem solchen Besuch auch die Menschenrechtssituation an. So habe man sich in Katar im Hinblick auf die Fußballweltmeisterschaft insbesondere über die Situation der Gastarbeiter im Land informiert und die Hoffnung ausgedrückt, dass die für die dortigen Bauarbeiter erreichten Verbesserungen über die WM-Baustellen hinaus auch in anderen Branchen Geltung erlangten. Entsprechend habe die deutsche Delegation die sozialen und kulturellen Reformen der letzten Jahre in Saudi-Arabien wie die Öffnung des Arbeitsmarktes für Frauen gewürdigt und die Erwartung ausgedrückt, dass die Reformen fortgesetzt würden.

Um in dem Bereich etwas für die Menschen zu bewirken, komme es sehr darauf an, wie man Missstände anspreche, betont Ploß. „Wir tun das sehr bewusst und in dem Willen, etwas zu bewirken. Aber wir tun dies ohne die Attitüde des Belehrenden, nicht vom hohen Ross herab.“ Man wolle die Gesprächspartner weder bloßstellen noch beleidigen. Man erkenne kulturelle Unterschiede und vor allem die bisherigen Fortschritte an und nähere sich den Partnern mit Respekt und auf Augenhöhe. Man betreibe vor allem „kein Bashing per Lautsprecher“, um innenpolitisch Punkte zu machen, sondern rede mit den Vertretern dieser Länder persönlich, hinter verschlossenen Türen. Das wirke. Kontraproduktiv sei hingegen, wenn die Kataris aus Deutschland über die Medien beschimpft würden, während Deutschland sich gleichzeitig etwa um Gaslieferungen bemühe. Dies würde in der Region sehr genau wahrgenommen.

Die Frauen in Saudi-Arabien

In beiden besuchten Golfstaaten habe es in den vergangenen Jahren Fortschritte im Bereich der Menschenrechte gegeben, insbesondere was die Rechte der Frauen in Saudi-Arabien betreffe. Was Frauen dort jetzt dürften, entspreche zwar nicht unseren Maßstäben, für ein Land wie Saudi-Arabien seien es jedoch Verbesserungen.

In Deutschland pflege man vielfach noch ein veraltetes Bild von Saudi-Arabien und den anderen Golfstaaten, das jedoch nicht mehr dem entspreche, was man bei dem jüngsten Besuch wahrgenommen habe. Allein das Straßenbild in den Metropolen Riad und Dschidda zeige, dass Saudi-Arabien keinesfalls im religiösen Mittelalter feststecke. Ein Großteil der Frauen habe den Schleier abgelegt, beide Haltungen würden nun nebeneinander akzeptiert. Ploß sieht „Saudi-Arabien und Katar auf einem Weg, der gewürdigt und weiter fortgesetzt werden muss. Ich habe das Gefühl, es geht in die richtige Richtung.“ Die Fußball-WM betrachtet er dazu als Anstoß: „Das Erreichte und den Willen zur Reform wollen wir weiter unterstützen.“

Das Konzept „Wandel durch Handel“

Das außenpolitische Konzept „Wandel durch Handel“ sei zwar für viele in Verruf geraten. Insbesondere in den Beziehungen zu Russland habe man damit sehr negative Erfahrungen gemacht. „Es ist jedoch zu undifferenziert, die Idee eines solchen Austauschs für immer und jedes andere Land zu verdammen.“ In vielen Regionen lasse sich dieser Ansatz sinnvoll anwenden und könne Früchte tragen. „Wir haben doch als Handelsnation Interesse daran, mit möglichst vielen Ländern rund um den Globus in Kontakt zu sein und einen guten, durch Verträge abgesicherten Austausch zu pflegen“, gibt Ploß zu bedenken.

Dass das Verhalten Russlands klar sanktioniert werde, sei ohne Zweifel der richtige Schritt. Aber es liegt „nicht in unserem Interesse, all denjenigen Ländern, die nicht zu einhundert Prozent unsere Werte und Normen teilen, die Tür zuzuschlagen.“ Damit schneide man sich außenpolitisch und wirtschaftlich ins eigene Fleisch. Und außerdem ließen sich in manchen Ländern sehr wohl durch Handel, wirtschaftliche Verflechtung und politischen Dialog Fortschritte im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte erreichen. Mit diesem Ansatz mehre man den eigenen Wohlstand und erstrebe Verbesserungen für die Menschen anderswo. Würde Europa den Kontakt zu allen Staaten, die nicht unsere Menschenrechtsstandards einhalten, abbrechen, würde man diese in die Arme autoritärer Staaten treiben. Ploß unterstreicht: „Wir nutzen Delegationsreisen, um die Menschenrechte und soziale Standards anzusprechen und Verbesserungen zu erwirken.“

Von Doha nach Riad

In der katarischen Hauptstadt Doha hat die Bundestagsdelegation mit Mitgliedern der Beratenden Versammlung sowie mit Vertretern der Regierung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft über die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft, die Anwendung der Menschenrechte, die Arbeitsbedingungen, die Wahlen vom Oktober 2021 und die Zukunft der Zusammenarbeit im Energiebereich gesprochen. Ploß erinnert daran, dass es sich bei den Beratenden Versammlungen in Katar und Saudi-Arabien nicht um frei gewählte Parlamente und Legislativorgane handele, wie unsere Verfassung sie vorsehe. Die dortigen Versammlungen arbeiteten vielmehr der Regierung zu, statt diese zu kontrollieren. Sie zählten dabei allerdings wesentliche Entscheidungsträger in ihren Reihen, die auch zu den Ansprechpartnern einer Delegationsreise gehörten – und sie seien die offiziellen Gastgeber. Bislang habe es immerhin im Oktober in Katar Wahlen gegeben, bei denen erstmals zwei Drittel der Versammlung gewählt wurden. Das verbleibende Drittel wurde vom Emir, dem Staatsoberhaupt, bestimmt.

Auch in Riad, der Hauptstadt des Nachbarlandes Saudi-Arabien, kamen die Delegierten der deutschen Parlamentariergruppe mit Mitgliedern der Freundschaftsgruppe und weiteren Ausschüssen der dortigen Beratenden Versammlung sowie mit Mitgliedern der staatlichen Menschenrechtskommission und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen zusammen, um mit ihnen über die Reformen des Premierministers Kronprinz Mohammed bin Salman und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft zu sprechen. Zudem habe man den Staatsminister für Auswärtige Angelegenheiten und den Sondergesandten für Klimafragen, Adel Aljubeir, getroffen und über das Sicherheitsumfeld in der Golfregion gesprochen, das von Spannungen mit dem Iran geprägt ist. Auch den Krieg im Jemen und seine humanitären Folgen habe man thematisiert.

Schließlich habe man noch den Generalsekretär der „Islamischen Weltliga“, Dr. Mohammed Al-Issa, getroffen, einer von Saudi-Arabien finanzierten Nichtregierungsorganisation, die sich als kulturelle und religiöse Vertretung der islamischen Völker betrachtet, mittlerweile einen liberalen Islam proklamiere, sich entschieden gegen islamisch begründeten Terrorismus wende und einen Dialog mit dem Christentum begonnen habe. Das müsse man, verglichen mit der Zeit vor 20 oder 30 Jahren, als Verbesserungen verbuchen. Die Lage der Christen sei noch weit entfernt von Religionsfreiheit, und es bleibe noch viel zu tun. Jedoch handele es sich um erste, wichtige Schritte.

Für Deutschland unterwegs

Als Abgeordnete des Deutschen Bundestages gestalte man in den Parlamentariergruppen die deutsche Außenpolitik, in Ergänzung zur Bundesregierung, aktiv mit, pflege die bilateralen Beziehungen von Deutscher Seite auf parlamentarischer Ebene und gebe Impulse, erläutert Ploß das Selbstverständnis der internationalen Arbeit der Parlamentarier. „Wir repräsentieren mit unserer außenpolitischen Arbeit Deutschland. Wir versuchen, für Deutschland in der Welt Verbesserungen zu erwirken und uns dabei für Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und soziale Mindeststandards einzusetzen.“

In die Gruppe, in der alle sechs Fraktionen des Deutschen Bundestages vertreten seien, bringe jedes Mitglied seine Punkte ein, so auch bei den Vorbereitungstreffen einer Delegationsreise. Man einige sich dann auf ein Programm. „Wenn wir im Ausland unterwegs sind, achten wir auf ein einheitliches Auftreten. Wir wollen nicht die innenpolitische Auseinandersetzung aus Deutschland in das Gastland tragen, sondern versuchen für Deutschland das Beste zu erreichen.“

46 Parlamentariergruppen haben sich in der aktuellen Wahlperiode konstituiert. Einige pflegen die Beziehungen zu einem Land, andere zu mehreren Ländern einer Region. Die Parlamentariergruppe Arabischsprachige Staaten des Nahen und Mittleren Ostens umfasst die Länder der arabischen Halbinsel: Bahrain, Irak, Jemen, Jordanien, Katar, Kuwait, Libanon, Oman, Saudi-Arabien, Syrien, die Vereinigten Arabischen Emirate sowie die Arbeitsgruppe Palästina.

Parlamentariergruppe kümmert sich um Schlüsselregion

Mindestens einmal pro Wahlperiode reist eine Delegation in die Partnerländer, aus denen wiederum regelmäßig Delegationen in Deutschland empfangen werden. Neben dem bzw. der Vorsitzenden kann eine Delegation aus je einem Stellvertreter bzw. einer Stellvertreterin der fünf anderen Fraktionen bestehen. Delegationsmitglieder der Reise nach Katar und Saudi-Arabien waren neben Dr. Christoph Ploß (CDU/CSU), dem Vorsitzenden der Parlamentariergruppe und Delegationsleiter, Dr. Joe Weingarten (SPD) und Lamya Kaddor (Bündnis 90/Die Grünen).

Die Länder der arabischen Halbinsel seien eine spannende Weltregion und eine Schlüsselregion in vielerlei Hinsicht, sagt Außenpolitiker Ploß, nicht nur historisch-kulturell, als Kreuzungspunkt der Weltreligionen, sondern auch als Heimatregion vieler Länder, die zu wichtigen Wirtschafts- und Handelspartnern der deutschen Industrie zählen und die nun als Lieferanten fossiler Brennstoffe anstelle von Russland einspringen. Daher sei es sehr wichtig, dass Abgeordnete des Deutschen Bundestages die Beziehungen mit Ländern dieser Region pflegen und es gute Partnerschaften gebe. Man habe während der Besuche in Katar und Saudi-Arabien neue Kontakte geknüpft und werde die besprochenen Themen weiterverfolgen. „Ich hoffe, dass die WM nicht nur Verbesserungen in den vergangenen Jahren erwirkt hat, sondern auch Anstoß für eine weitere positive Entwicklung ist“, blickt Ploß voraus. Die Entwicklung in den beiden Ländern gehe momentan „in unserem Sinne voran“. Deutschland müsse ein hohes Interesse daran haben, dass Länder wie Katar und Saudi-Arabien sich weiterentwickeln. (ll/22.11.2022)