Opposition übt heftige Kritik an Gaspreisbremse
Zwei Tage, nachdem die sogenannte Unabhängigen Kommission Erdgas und Wärme der Bundesregierung (Gaspreis-Kommission) ihre Vorschläge für eine Gas- und Wärmepreisbremse verkündet hat, debattierte der Bundestag am Mittwoch, 12. Oktober 2022, die Pläne. Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission sieht ein zweistufiges Verfahren vor, um Gas- und Fernwärmekunden zu entlasten. Demnach soll der Staat die Abschläge im Dezember komplett übernehmen. Die Preisbremse solle dann von März 2023 bis April 2024 folgen.
Die Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP hatten eine Aktuelle Stunde mit dem Titel „Ergebnisse der Unabhängigen Kommission Erdgas und Wärme der Bundesregierung – Sicher durch den Winter“ beantragt, in der die Ampelfraktionen die Ergebnisse verteidigten, aber auch Nachbesserungen versprachen.
Grüne: Vorschläge berücksichtigen alle Bereiche
Dr. Julia Verlinden (Bündnis 90/Die Grünen) unterstrich, dass die Vorschläge der Expertenkommission sämtliche Bereiche berücksichtigten: private Haushalte wie Wirtschaftsbetriebe und Industrie. Die Pläne würden jetzt geprüft und – falls nötig – angepasst. Allerdings gelte in diesem Winter, dass alle Verbraucher Gas einsparen müssten – und das müsse alle Hilfsmaßnahmen berücksichtigen.
Die Gasspeicher seien zwar mit über 90 Prozent sehr gut gefüllt, jedoch dürfe es in den nächsten Monaten nicht dazu kommen, dass die Bundesnetzagentur Gas rationieren muss. Deshalb sei wichtig, zu vermitteln, dass Verbrauchsreduzierungen preisdämpfende Wirkungen hätten. „Es wird keiner alleine gelassen“, dieses Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz gelte, jedoch müsse das Land sich von fossilen Brennstoffen lösen, und damit werde nun begonnen, bekräftigte Verlinden.
SPD kündigt Nachbesserungen an
Unterstützung bekam sie dafür von Dr. Matthias Miersch (SPD). Er versprach, dass auch die Nutzer von Ölheizungen und Besitzer von Pelletheizungen in das Hilfsprogram aufgenommen würden. Zudem müsse sichergestellt werden, dass „die Energieversorger die Lage nicht dafür nutzen und die Abschläge weiter erhöhen“. Ein Hilfspaket mit einem Volumen von 200 Milliarden Euro wecke nämlich auch dort Begehrlichkeiten.
In der Zeit, in der die Gaspreisbremse gelte, solle weiter nachgebessert werden. So sollten weiter Daten erhoben und gezielt Haushalte gefördert werden können, die die Hilfen „auch tatsächlich benötigen“, sagte Miersch. Er sei sich darüber im Klaren, dass die jetzige, schnelle Hilfe auch Menschen begünstige, die nicht auf staatliche Hilfe angewiesen seien, aber man „habe in der derzeitigen Situation eine schnelle Lösung gebraucht“, gab Miersch zu bedenken.
FDP: Unbürokratische Hilfen und Sparanreize
Dafür bekam er Unterstützung von Dr. Lukas Köhler (FDP). „Putin führt einen Energiekrieg gegen Europa, und dem müssen wir entgegentreten!“, forderte der Liberale. Das Papier der Expertenkommission sei ein Vorschlag, den es nun zu erweitern und zu verbessern gelte. Im Übrigen lasse die Regierung „niemanden alleine“, bislang seien bereits 96 Milliarden Euro an Hilfsgeldern geflossen.
Richtig sei jedoch, dass Wirtschaftsbetriebe nun „einfache und unbürokratische Hilfen bekommen, allerdings keine, die den Sparanreiz mindern“. Deshalb sei es zu begrüßen, dass die Expertenkommission die Sparanreize unterstreiche. Darüber hinaus müsse dafür gesorgt werden, dass bereits „jetzt darüber gesprochen wird, wie die Energiepreise der Zukunft, beispielsweise für LNG-Gas, aussehen“, mahnte Köhler an.
Union wirft Regierung Versäumnisse vor
Die Opposition übte dagegen heftige Kritik. Den Anfang machte Andreas Jung von der CDU/CSU-Fraktion. Er warf der Regierung vor, „viel zu spät gehandelt zu haben“. Bereits im Juli, als Bundeskanzler Scholz den Menschen versprach, „keinen alleine zu lassen“, hätte die Gaspreisbremse verabschiedet werden müssen.
Jedoch wolle die Unionsfraktion konstruktiv bei der Suche nach Lösungen für die nun vorgelegten Pläne mitarbeiten. Vor allem müssten auch Heizarten wie Öl und Pellets in den Förderkatalog aufgenommen werden. Außerdem gelte es, „sich um Menschen mit niedrigen und mittleren Gehältern zu kümmern“, sagte Jung. Außerdem solle die Bundesregierung sich „einen Ruck geben“ und „endlich auch Biomasse und Atomkraft als Energieträger weiter nutzen“, sagte Jung.
Linke nennt Pläne „eine Zumutung“
Dr. Dietmar Bartsch (Die Linke) hielt der Bundesregierung vor, sich „wegzuducken“. Anstatt im Bundestag eine Regierungserklärung abzugeben, würden sich die Ampelkoalitionäre „weiter streiten“. Das nannte Bartsch „verantwortungslos“. Viele Menschen, die in diesen Tagen die Rechnungen ihrer Gasversorger erhielten, hielten die Summe, die dort stehe, „für Druckfehler“. Doch anstatt endlich Entscheidungen zu treffen, „redet der Kanzler von einem Doppel-Wumms“, kritisierte der Linke.
Die nun vorliegenden Pläne seien „eine Zumutung“, weil die Preisbremse erst ab März 2023 gelten solle, „am Ende der Heizsaison“, spottete Bartsch. Dabei seien nicht nur für Menschen mit kleinen Einkommen Hilfen jetzt nötig, sondern auch für zahlreiche Betriebe, die „nicht wissen, wie sie ihre Gasrechnungen im Herbst und Winter zahlen sollen“. Es müsse „dringend nachgearbeitet werden, und wir sind dazu bereit“, sagte der Vorsitzende der Fraktion Die Linke.
AfD kritisiert „total verfehlte Energiepolitik“
Dr. Rainer Kraft (AfD) hielt der Regierung „eine total verfehlte Energiepolitik“ vor. Anstatt pragmatischer Lösungen würden „Lobbyisten der Bundesregierung den Kurs diktieren“, sagte Kraft. Mit den nun vorgelegten Maßnahmen werde der Schattenhaushalt noch größer und die Preise für Energie weiter steigen.
Anstatt auf Atomkraft zu verzichten, sollten nach Meinung der AfD „alle verfügbaren Mittel genutzt werden“. Es zeige sich einmal mehr, dass der Ausstieg aus der Kohle- und der Atomkraft „ein fundamentaler Fehler gewesen ist“, kritisierte Kraft.
Vorschläge der Gaspreis-Kommission
Das Expertengremium unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Veronika Grimm hatte als ersten Schritt eine Einmalzahlung an Gas- und Fernwärmekunden im Dezember 2022 und als zweiten eine Gaspreisbremse ab März 2023 vorgeschlagen. Die Einmalzahlung soll der Höhe einer monatlichen Abschlagszahlung (Stand: September 2022) entsprechen, wobei der Staat als Zahler die jeweiligen Abschläge übernimmt.
Der Vorschlag für eine Gaspreisbremse sieht einen garantierten Brutto-Preis inklusive aller staatlich induzierter Preisbestandteile von 12 ct/kWh für Gas für ein Kontingent von 80 Prozent der Gasverbrauchsmenge vor. Dieses Grundkontingent wird ebenfalls auf der Grundlage der jeweiligen Abschlagszahlung vom September 2022 ermittelt. Für den Verbrauch oberhalb dieses Kontingents sollen die dann jeweils geltenden Marktpreise bezahlt werden. Die Bundesregierung hatte zur Senkung der Energiepreise ein 200 Milliarden Euro schweres Entlastungspaket geschnürt. Die Aktuelle Stunde wurde auf Verlangen der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP aufgerufen. (nki/ste/12.10.2022)