Aktuelle Stunde

Aktuelle Stunde zur Bekämpfung der Energiekrise

Der Bundestag hat am Donnerstag, 22. September 2022, in einer Aktuellen Stunden auf Verlangen der Ampel-Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP über das Thema „Energiekrise wirksam bekämpfen und Deutschland sturmfest machen: Rosneft-Infrastruktur sichern, Arbeitsplätze erhalten, Energieversorgung gewährleisten und Planung beschleunigen“ debattiert. In der am Ende eineinhalbstündigen Beratung wurde ein düsteres Bild der Lage in Deutschland gezeichnet.

Minister: Die volkswirtschaftliche Substanz verteidigen 

„Wir erleben eine schwere Energiekrise“, sagte Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und führte aus, die Krise speise sich aus zwei Quellen: Wegen gedrosselter oder ganz ausbleibender Lieferungen aus Russland müssten 55 Milliarden Kubikmeter Gas auf anderem Weg beschafft werden – und in Frankreich sei die Hälfte des nuklearen Stromparks ausgefallen. Beides treibe die Energiepreise nach oben und habe einen externen Schock ausgelöst, der Bürger und Unternehmen in Deutschland hart treffe. Das Problem lasse sich nicht mit Geldpolitik allein lösen. Es brauche vielmehr einen Ansatz, der auch langfristig trage.

Konkret nannte der Minister den sehr schnellen Ausbau der Infrastruktur, der Netze, Trassen und vor allem der LNG-Terminals an Deutschlands Küsten- und zwar auf die Zukunft ausgerichtet, das heißt, auch auf Wasserstoff als Energieträger ausgelegt. Dazu gehöre der Ausbau der Erneuerbaren, aber auch der Einsatz von Kohle- und möglicherweise Atomkraftwerken als Reserve, um das Angebot an Energie zu erhöhen. Und dazu gehörten Entlastungen im Bereich der Privatverbraucher genauso wie Unterstützung für Unternehmen. Es gelte, die volkswirtschaftliche Substanz Deutschlands zu verteidigen. „Wir sind ein starkes Land“, sagte Habeck. Und Deutschland habe die finanziellen Möglichkeiten. 

Bundesratspräsident fordert Erklärung der Notlage

Der aktuelle Bundesratspräsident Dr. Reiner Haseloff konstatierte, dass seit Mittwoch, nach der Teilmobilisierung in Russland, der Krieg in der Ukraine in einer neuen Phase und die Auswirkungen auf Deutschland, Europa und der Welt unabsehbar seien. Der CDU-Politiker sprach von einer ganz kritischen Phase- „Uns läuft die Zeit weg“, sagte er, in einigen Branchen drohten die Strukturen zu kollabieren. Der Standort Deutschland sei zum Teil höchst gefährdet.

Ein weiteres Entlastungspaket müsse einhergehen mit der Erklärung der Notlage, was ein Abweichen von der Schuldenbremse erlauben würde. Anders blieben alle Maßnahmen ein Strohfeuer. 

PCK Schwedt in Treuhänderschaft

Staatsminister Carsten Schneider (SPD) sagte, Russlands Präsident Wladimir Putin versuche Deutschland durch Erpressung in den Krieg hineinzuziehen. Er werde perspektivisch nicht davor zurückschrecken, auch die Öllieferungen nach Deutschland einzustellen. Deshalb sei es ein richtiger Schritt der Bundesregierung gewesen, die Raffinerie in Schwedt unter die Treuhänderschaft der Bundesnetzagentur zu stellen, um weiter Öl in Ostdeutschland raffinieren zu können.

Und die Arbeit gehe weiter: Mit Nachdruck arbeite man nun an der Transformation des Standorts, dessen Zukunft nicht in fossilen Energien, sondern Erneuerbaren liege.

AfD: Umbau zur staatsdirigistischen Gesellschaft

Steffen Kotré von der AfD warf der Bundesregierung vor, die Probleme zu erzeugen, die sie zu lösen vorgebe. Die Regierungskoalition führe das Land in die größte Existenzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg.  

Das sei politisch gewollt, unterstellte Kotré, das Ziel von SPD, Grünen und FDP sei der Umbau der in eine staatsdirigistische Gesellschaft. „China lässt grüßen“, so der AfD-Politiker.

FDP verteidigt Verstaatlichung von Uniper

Der FDP-Fraktionschef Christian Dürr nannte es bemerkenswert, dass die AfD es schaffe, an keiner Stelle zu erklären, wer der eigentliche Auslöser der Krise sei. Der sitze im Kreml, „da, wo Sie ihre Sprechzettel herkriegen“, sagte Dürr.

Ja, die Situation sei schwierig, führte er im weiteren aus. Das bedeute, „dass man nicht zu allem nein sagen kann“. Das zielte vor allem auf die Verstaatlichung des größten Gasimporteurs in Deutschland, Uniper. Die  stand nicht im Koalitionsvertrag, sagte der Anhänger des freien Marktes, aber die Entscheidung sei richtig gewesen.

Linke fordert Gas- und Strompreisdeckel

Linksfraktions-Vertreterin Dr. Gesine Lötzsch formulierte eine Reihe von Forderungen, zu denen eine Übergewinnsteuer für Energie- und Rüstungskonzerne gehörte, sowie ein Gas- und Strompreisdeckel. Zudem gehöre die kritische Infrastruktur in öffentliche Hand – nicht nur in der Krise, sondern dauerhaft.

Verluste privater Verbraucher ob der extrem hohen Energiepreise sollten nicht nur „abgefedert“, sondern ausgeglichen werden, und massive Kritik übte Lötzsch an der Rettungspolitik der Regierung: wieder einmal würde großen Konzernen geholfen, während man kleine und mittlere Unternehmen „am ausgestreckten Arm verhungern lasse“. 

Union an Minister: Reden und Handeln fallen auseinander

Vertrauen entstehe, wenn Reden und Handeln zusammenpassen, führte Sepp Müller (CDU/CSU) aus – und stellte dann mit Blick auf Minister Habeck fest: „Wir wissen, dass bei Ihnen Reden und Handeln nicht zusammenpasst.“ So habe der Grünenpolitiker Anfang des Jahres davon gesprochen, Deutschland habe sich von russischem Öl getrennt – aktuell aber beziehe das Land immer noch 30 Prozent seines Öls aus Russland.

„Deshalb trauen Ihnen die Menschen in Schwedt keinen Millimeter weit“, so Müller. Im Namen der Union verlangte er einen nationalen Kraftakt – zum Beispiel auch für den Ausbau des Hafens in Rostock und die Pipeline von Rostock nach Schwedt. Da sei die Union dabei. 

Grüne: Die letzten Monate waren ein nationaler Kraftakt

Den Ball nahm Katharina Dröge (Bündnis90/Grüne) auf und hielt Müller entgegen: Was diese Bundesregierung in den vergangenen Wochen und Monaten geschafft habe an entscheidenden Weichenstellungen – das sei ein nationaler Kraftakt, „wie ihn dieses Land noch nicht erlebt hat“.
(mis/22.09.2022)