Debatte über den Pharmastandort Deutschland
Der Bundestag hat am Freitag, 7. Juli 2022, erstmals über einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Deutschland als Innovations-, Biotechnologie- und Pharmastandort stärken, EU-Mittel sichern, IPCEI Health beitreten“ (20/2376) beraten. Im Anschluss der Debatte wurde die Vorlage zur Federführung an den Wirtschaftsausschuss überwiesen.
Union: Prioritäten richtig setzen
Um den Wohlstand in Deutschland für die nächsten Jahrzehnte zu sichern, sei es laut Thomas Jarzombek (CDU/CSU) wichtig, dass Deutschland ein Standort bleibe, der Spitzentechnologie beherrscht. Das EU-Vorhaben IPCEI Health sei ein Projekt „von großem gemeinsamen europäischen Interesse“ so Jarzombek.
500 Millionen Euro solle Deutschland laut Antrag der Union in die Forschung von Biotechnologie investieren. Er kritisierte, dass im Haushaltsplan keine Gelder für IPCEI Health vorgesehen seien und forderte die Regierung auf, „endlich den Schwerpunkt auf Forschung, Technologie und Transfer“ zu setzen.
SPD: Wären gerne dem IPCEI Health beigetreten
Die angespannte finanzielle Lage in Deutschland habe dazu geführt, dass bei der Verteilung von Haushaltsmittel anders priorisiert werden musste und keine Mittel für IPCEI Health zur Verfügung gestanden hätten, sagte Lena Werner (SPD). Ihre Fraktion hätte sich laut Werner gerne an dem EU-Vorhaben beteiligt und hoffe, dass dies nächstes Jahr möglich sein wird.
Deutschland habe ein „enormes Innovationspotential“ und solle führender Biotechnologie-Standort werden, sagte Werner. Die Erfahrungen der Pandemie hätten gezeigt, dass schnelle Forschungsergebnisse, wie die Entwicklung des Corona-Impfstoffes, ohne „intensive Forschung und ausreichende Finanzierung“ nicht möglich gewesen wären.
AfD: Müssen lernen, national zu denken und zu handeln
Dass das Instrument des Antrags, der IPCEI Health, rein europäisch sei, kritisierte Dr. Götz Frömming (AfD). Die Pandemie habe gezeigt, dass sich jeder selbst in der Krise am nächsten sei. Daher müsse Deutschland wieder lernen, national zu denken und zu handeln.
Laut Frömming seien 90 Prozent der Forschungsgelder in ausländische Firmen beziehungsweise internationale Projekte geflossen. Außerdem merkte der AfD-Politiker an, dass statt großer Unternehmen gefördert werden sollte, wo Förderung benötigt werde.
Linke: Förderung da einsetzen, wo der Markt versagt
Dr. Petra Sitte (Die Linke) kritisierte, dass es in dem Antrag im Kern um eine Kommerzialisierung von Wissen gehe, das durch öffentliche Förderung erworben wurde. Statt undifferenzierter Finanzierung von privaten Biotech-Unternehmen und Start-ups sollten Fördermittel dort eingesetzt werden, wo der Markt versagt.
Wegen „pessimistischer Renditeerwartung von Pharmakonzernen“ werde beispielsweise bei seltenen Erkrankungen, in der Alzheimerforschung oder bei Antibiotika-Resistenzen zu wenig geforscht. „Öffentliche Forschungsförderung muss dem Gemeinwohl folgen“, sagte Sitte.
FDP: Wir handeln nicht isoliert, sondern kalkuliert
Manfred Todtenhausen (FDP) betonte, dass die Biotech-Branche aktuell gut aufgestellt sei und zumindest in Deutschland aktuell keine staatliche oder europäische Förderung brauche. Durch die hohen Gewinne des Unternehmens Biontech werde die Stadt Mainz beispielsweise bis Ende des Jahres schuldenfrei sein.
Auch anderen Staaten wie Schweden würden sich laut Todtenhausen nicht an dem IPCEI Health beteiligen: „Wir handeln nicht isoliert, sondern kalkuliert“. Gerade in Zeiten begrenzter finanzieller Mittel müssten Prioritäten richtig gesetzt werden. Daher sei es nicht vertretbar, aktuell einen Wirtschaftszweig zu fördern, der sich gut selbst helfen könne.
Grüne: Antrag nimmt nur ein Instrument in den Blick
Dr. Paula Piechotta (Bündnis 90/Die Grünen) merkte an, dass der Antrag lediglich ein Instrument der Förderung in den Blick nehme. Durch die letzten zwei Jahre hätte die Biotech-Branche einen unglaublichen Boom und „gesellschaftliche Wertschätzung“ erfahren, so die Grünen-Politikerin. Für Stake-Holder aus der Branche sei die finanzielle Förderung wichtig gewesen, es mangele aber noch bei vielen anderen Aspekten.
So gebe es Probleme mit dem nicht funktionierenden Technologietransfer, dem fehlenden Unternehmergeist im Land und durch den Fachkräftemangel. Außerdem merkte die Abgeordnete mit Blick auf die Union an, dass zu einer serösen Oppositionspolitik auch gehöre, herauszuarbeiten, wo die geforderten 500 Millionen Euro herkommen sollen.
Antrag der Unionsfraktion
Deutschland solle sich an dem EU-Vorhaben „Important Project of Common European Interest (IPCEI) Health“ zur Förderung wichtiger Innovationen in der Biotechnologie- und Pharmabranche beteiligen, verlangen die Abgeordneten. In ihrem Antrag schreiben sie, obwohl Deutschland 2021 einer der Initiatoren der gemeinsamen europäischen Anstrengung war, gehöre es nicht zu den europäischen Staaten, die am 3. März die Erklärung unterzeichneten.
Neben dieser Aufforderung fordert die Union unter anderem, dass im Bundeshaushalt „durch Umschichtung mindestens 500 Millionen Euro für die Beteiligung am IPCEI-Health“ bereitgestellt werden sollten.
Besonders der wirtschaftliche Erfolg von Biontech habe das Potential der Biotechnologie zur Stärkung des deutschen Wirtschaftsstandorts verdeutlicht, so die Antragsteller. Im Jahr 2021 betrug „allein der Anteil der Lizenzeinnahmen von Biontech an der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung 0,5 Prozent“. (des/hau/08.07.2022)