Konsequenzen aus dem Paritätischen Armutsbericht 2022
Mit dem aktuellen Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbands befasste sich der Bundestag am Freitag, 8. Juli 2022, in seiner letzten Debatte vor Beginn der Sommerpause. Auf Antrag der Fraktion Die Linke diskutierten die Abgeordneten über Wege der Armutsbekämpfung in Deutschland.
Laut Paritätischem Armutsbericht 2022 hat die Armut in Deutschland mit einer Armutsquote von 16,6 Prozent einen traurigen neuen Höchststand erreicht. 13,8 Millionen Menschen müssen demnach hierzulande derzeit zu den Armen gerechnet werden, 600.000 mehr als vor der Pandemie. Der Wohlfahrtsverband rechnet angesichts der Inflation mit einer weiteren Verschärfung der Lage und appelliert an die Bundesregierung, umgehend ein weiteres Entlastungspaket auf den Weg zu bringen. Dies müsse bei den fürsorgerischen Maßnahmen ansetzen. Grundsicherung, Wohngeld und BAföG müssten bedarfsgerecht angehoben und deutlich ausgeweitet werden, um zielgerichtet Hilfe für einkommensarme Haushalte zu gewährleisten, fordert der Verband.
Linke: Wir brauchen die Kindergrundsicherung jetzt!
Janine Wissler, Parteivorsitzende der Linken, betonte vor dem Hintergrund dieser Zahlen: „Es muss endlich etwas getan werden gegen die wachsende Ungleichheit.“ Sie warf dem Bundeskanzler vor, in der Regierungsbefragung am Mittwoch keine Antwort auf die Frage gewusst zu haben, ob denn der aktuelle Regelsatz in der Grundsicherung von 449 Euro reiche, um den monatlichen Bedarf eines Erwachsenen zu decken.
Dies sage viel, so Wissler. Sie forderte außerdem, dass die Kindergrundsicherung nicht erst 2025 eingeführt werden soll. „Wir brauchen sie jetzt, Kinder haben nur eine Kindheit“, sagte sie.
SPD: Kampf gegen prekäre Beschäftigung hat Priorität
Natalie Pawlik (SPD) nannte die Ergebnisse des Berichts ebenfalls „erschreckend“. Weiter sagte sie: „Armut macht krank, Armut schafft Leid, Armut zerstört Potentiale. Das muss ein Ende haben!“ Die aktuellen Entlastungsmaßnahmen würden jetzt erst anfangen zu wirken, beseitigten Armut aber nicht strukturell.
„Der Kampf gegen prekäre Beschäftigung bleibt das nachhaltigste Mittel gegen Armut“, betonte sie und verwies auf die Erhöhung des Mindestlohns im Oktober.
Union: Warum bekommen Staatssekretäre 300 Euro geschenkt?
Dr. Ottilie Klein (CDU/CSU) sagte, Alleinerziehende und kinderreiche Familien, aber auch Rentner seien besonders von Armut betroffen. Aber die Regierung tue für diese Gruppen viel zu wenig beziehungsweise lasse sie, wie die Rentner, bei den Entlastungspaketen ganz außen vor.
„Warum bekommen Staatssekretäre eine Energiepauschale von 300 Euro“, fragte sie und erklärte, der Paritätische Gesamtverband fordere zu Recht, dass die Politik mit der Gießkanne aufhöre und durch gezielte Hilfen ersetzt werde.
Grünen: Armutsproblem nicht erst seit gestern
Stephanie Aeffner (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, es sei nicht verwunderlich, dass die Wut unter den Armutsbetroffenen steige, denn Armut schaffe dauerhafte Ausgrenzungserfahrungen. „Wir müssen jetzt handeln. Wir haben ein Armutsproblem und das nicht erst seit der Pandemie und dem Ukraine-Krieg.“
Nötig sei eine umfassende Strategie, die Sozialleistungen, aber auch die Wohnungs- und Mietenpolitik und den öffentlichen Nahverkehr in den Blick nehme. „Das künftige Bürgergeld muss deutlich höher sein als der jetzige Regelsatz und zudem inflationssicher“, forderte sie.
AfD: Es geht seit 15 Jahren bergab
Gerrit Huy (AfD) warf Regierung und Medien vor, ein beschönigendes Bild von der Realität in Deutschland zu entwerfen. Fast 14 Millionen Menschen seien von Armut betroffen und dabei seien die aktuellen Entwicklungen noch nicht berücksichtigt. Es gehe aber nicht erst seit gestern, sondern seit 15 Jahren bergab, seitdem sich die Merkel-Regierungen entschlossen hätten, sich lieber mit der „Weltenrettung“ als den heimischen Problemen zu befassen, kritisierte sie.
Sie verwies auf die steigende Altersarmut und forderte eine Rentenreform, die sich nicht mit Haltelinien begnüge.
FDP: Das Aufstiegsversprechen muss erneuert werden
Jens Teutrine (FDP) verteidigte die Entlastungspakete der Bundesregierung. Damit bekomme eine vierköpfige Familie im Grundsicherungsbezug insgesamt 600 Euro mehr Geld in diesem Monat.
Für einige sei das vielleicht nicht erwähnenswert, aber für diese Menschen mache es einen Unterschied, sagte er. Außerdem appellierte er, nicht, wie in dem Bericht, nur von relativer Armut zu reden, sondern weitere Indikatoren wie Bildungschancen mit einzubeziehen. „Das Aufstiegsversprechen ist der wichtigste Indikator zur Armutsbekämpfung“, so Teutrine. Es müsse dringend erneuert werden. (che/08.07.22)