Ministerin Schulze hält Etataufwuchs für erforderlich
Der Krieg in der Ukraine macht nach Ansicht von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schule (SPD) Anpassungen bei dem für 2022 geplanten Etat für ihr Ministerium erforderlich. „Wir werden das Engagement in der Ukraine massiv ausbauen müssen, das halte ich für ein Gebot der Menschlichkeit“, betonte die Ministerin am Mittwoch, 23. März 2022, in der Debatte über den Entwurf der Bundesregierung für den Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (20/1000). Die Folgen des Krieges „in der Kornkammer der Welt“ hätten darüber hinaus dramatische Auswirkungen auf die weltweite Ernährungssituation. „Die im Entwurf vorgesehenen 28 Millionen Euro für das Welternährungsprogramm werden nicht reichen, um Hungerkrisen vorzubeugen und Ernteausfälle auszugleichen“, schlussfolgerte Schulze. „Ich zähle auf Sie, dass wir hier noch mal nachlegen können“, appellierte sie an die Abgeordneten.
Als zentrale Politikfelder benannte die SPD-Politikerin die Bewältigung des Klimawandels und die Klimaanpassung sowie Investitionen in eine nachhaltige und widerstandsfähige Landwirtschaft in den Ländern des globalen Südens. Die Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme sei „kein Luxus, sondern aktive Krisenprävention“, sagte sie mit Verweis darauf, dass die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine die „multiplen Krisen der Welt weiter verstärken“ werde.
SPD: Steigende Brotpreise als Problem des globalen Südens
Gabriela Heinrich (SPD) verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass unter anderem Länder wie
Marokko und Tunesien unter steigenden Brotpreisen leiden würden. „Die Folgen für die Stabilität vieler Länder können wir uns vorstellen.“ Die Länder des globalen Südens müssten in die Lage versetzt werden, von Lebensmittelimporten unabhängig zu werden und ihre Produktion an die neuen klimatischen Herausforderungen anzupassen.
Mit Blick auf den Haushaltsentwurf sagte Heinrich, zur Covid 19-Pandemie sei mit dem Krieg in der Ukraine eine weitere Krise dazugekommen. „Deshalb können wir ihn so nicht stehen lassen.“
CDU/CSU: Haushalt bleibt hinter dem eigenen Anspruch zurück
Das unterstützte auch Hermann Gröhe (CDU/CSU). In einer Zeit, in der es mehr globale Solidarität brauche, sinke der Etat um fast 1,6 Milliarden Euro, kritisierte er. Die Beiträge für das Welternährungsprogramm und für den Bereich Krisenbewältigung und Wiederaufbau würden um 40 Prozent sinken, die Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“ solle mit 60 Millionen Euro weniger auskommen.
„Sieht bei Ihnen eigentlich keiner mehr Nachrichten?“, fragte Gröhe und konstatierte: „Dass der Entwicklungshaushalt hinter dem eigenen Anspruch zurückbleibt, gefährdet die Verantwortung unseres Landes für die globale Entwicklung.“
Grüne: Der Hunger nimmt weltweit wieder zu
Felix Banaszak (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte an die Unruhen in Ägypten im Jahr 1977, nachdem die Preise für Grundnahrungsmittel stark gestiegen waren. Dies sei eines von vielen Beispielen, „wo am Beginn von Leid und Konflikten, die Sorge vor Hunger und Mangel standen“.
Aufgrund der Covid 19-Pandemie und des Krieges in der Ukraine nehme der Hunger weltweit wieder zu, die Streichung von 1,6 Milliarden Euro im Entwicklungshaushalt sei daher das „falsche Signal“, betonte Banaszak. „Sicherheit ist offenkundig mehr als militärische Stärke.“
Linke kritisiert höhe des Sonderfonds für die Bundeswehr
Andrej Hunko (Die Linke) zitierte den Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, demzufolge bis zu hundert Millionen Menschen zusätzlich in den Hunger getrieben werden könnten durch die Folgen des Ukraine-Krieges, die Sanktionen und Gegensanktionen.
„Den Etat in dieser Situation um knapp 13 Prozent zu kürzen, ist völlig unverständlich“, sagte Hunko. Dass die Bundesregierung stattdessen 100 Milliarden Euro in einen Sonderfonds für die Bundeswehr investieren wolle, „sei eine völlig falsche Prioritätensetzung“. Er forderte, auf zivile Mittel der Krisenprävention zu setzen, die globalen Klimamittel aufzustocken und das OECD-Ziel, mindestens 0,2 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die ärmsten Länder der Welt zur Verfügung zu stellen, „sofort“ zu erfüllen.
AfD moniert Ineffizienz des Entwicklungshilfesystems
Dr. Michael Espendiller (AfD) kritisierte, dass sich das „Entwicklungshilfesystem trotz offenkundiger Ineffizienz“ kaum verändert habe. Es sei ein System von dauerhaften Abhängigkeiten geschaffen worden, obwohl viele Nehmerländer „ihr Leben und Land selbstbestimmt gestalten wollen“.
Deutschland scheitere an effizienter Hilfe und an wirtschaftlicher Zusammenarbeit, urteilte Espendiller. Dabei sei es für seine Industrie und seinen Wohlstand darauf angewiesen.
FDP: Aus jedem Euro das Maximum hohlen
Für die FDP warnte Claudia Raffelhüschen davor, an „alten Gewohnheiten“ festhalten zu wollen und automatisch immer mehr Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit zu fordern. Gerade weil die Ausgaben wichtig und zukunftssichernd seien, müsse mit „kühlem Kopf“ gewirtschaftet und „aus jedem Euro das Maximum“ herausgeholt werden.
„Wir müssen effizienter werden und mehr Qualitätskontrolle haben“, betonte Raffelhüschen. So dürfe es keine Doppelstrukturen und kein Kompetenzgerangel zwischen den verschiedenen Bundesministerien geben, die entwicklungspolitische Programme durchführten.
Investitionen und Zuweisungen
Der Einzelplan 23 des Bundeshaushalts 2022 (20/1000) enthält Ausgaben von 10,85 Milliarden Euro, das sind 12,6 Prozent weniger als im Vorjahr (12,43 Milliarden Euro). Bundesministerin Schulze erwartet Einnahmen von 747,83 Millionen Euro (2021: 802,53 Millionen Euro). Die Ausgaben für Investitionen summieren sich auf 7,24 Milliarden Euro (2021: 8,42 Milliarden Euro), die Zuweisungen und Zuschüsse auf 3,47 Milliarden Euro (2021: 3,88 Milliarden Euro). Für die bilaterale staatliche Zusammenarbeit sind insgesamt 4,84 Milliarden Euro vorgesehen gegenüber 5,97 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Daran hat die bilaterale finanzielle Zusammenarbeit einen Anteil von 2,09 Milliarden Euro (2021: 2,43 Milliarden Euro).
Das zivilgesellschaftliche, kommunale und wirtschaftliche Engagement will die Ministerin mit 1,31 Milliarden Euro fördern (2021: 1,44 Milliarden Euro). Darin enthalten sind etwa 383 Millionen Euro für die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements (2021: 402,5 Millionen Euro).
Europäische Entwicklungszusammenarbeit
2,22 Milliarden Euro sind eingestellt für die europäische Entwicklungszusammenarbeit sowie für Beiträge an die Vereinten Nationen und an andere internationale Einrichtungen (2021: 2,7 Milliarden Euro). Auf die Vereinten Nationen, deren Sonderorganisationen sowie auf internationale Nichtregierungsorganisationen entfallen dabei 517,21 Millionen Euro (2021: 654,45 Millionen Euro).
Die „entwicklungswichtigen multilateralen Hilfen zum Umweltschutz, Biodiversität und Klimaschutz“ schlagen im Entwurf mit 751,4 Millionen Euro zu Buche (2021: 741,2 Millionen Euro). Für die Hungerbekämpfung sind 465 Millionen Euro vorgesehen (2021: 525 Millionen Euro), für die Bekämpfung von Fluchtursachen und die Wiedereingliederung von Flüchtlingen 420 Millionen Euro (2021: 475 Millionen Euro) und für die Stabilisierung Nordafrikas und des Nahen Ostens 42 Millionen Euro (2021: 63 Millionen Euro). (joh/om/23.03.2022)