Fraktionen einig über Rentenerhöhung
Der Bundestag hat am Freitag, 13. Mai 2022, zum ersten Mal über die geplante Rentenerhöhung zum Sommer und damit verbundene weitere rentenrechtliche Neuerungen debattiert. Zur Diskussion stand der Gesetzentwurf (Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz) (20/1680) der Bundesregierung zur Rentenanpassung 2022 und zur Verbesserung von Leistungen im Erwerbsminderungsbestand. Der Entwurf wurde im Anschluss der Debatte an den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales zur weiteren Beratung überwiesen.
Während das Rentenplus von den Abgeordneten fraktionsübergreifend nicht in Zweifel gezogen wurde, gab es von der Opposition deutliche Kritik in Bezug auf die Erwerbsminderungsrente und generell an der ihrer Ansicht nach zu geringen Beachtung der Gruppe der Rentner und Rentnerinnen in den Entlastungspaketen.
Aktivierung des Nachholfaktors
Mit der diesjährigen Rentenerhöhung wird der Nachholfaktor, der eigentlich bis 2025 ausgesetzt worden ist, wieder aktiviert, wobei gleichzeitig die Haltelinie für das Rentenniveau eingehalten werden soll. Das bedeutet, dass die nicht stattgefundene Rentenminderung des vergangenen Jahres vollständig mit der diesjährigen Rentenerhöhung verrechnet wird. Da die Höhe der Renten der Entwicklung der Löhne folgt, hätten die Renten im vergangenen Jahr eigentlich sinken müssen, weil die Löhne pandemiebedingt deutlich gesunken waren. Die seit 2009 geltende Rentengarantie verhinderte das jedoch. Als Ausgleich für eine solch verhinderte Senkung gilt der Nachholfaktor, der dafür sorgt, dass die künftige Rentenerhöhung nach Lohnsteigerungen niedriger ausfallen, als sie es eigentlich müssten. Diesen zeitweilig ausgesetzten Dämpfungseffekt will die Bundesregierung nun wieder einführen.
Darüber hinaus sind Änderungen an der Berechnungsweise des Nachhaltigkeitsfaktors geplant, um Schwankungen bei den Rentenanpassungen nach oben und unten zu dämpfen. Zudem wird ein statistischer Sondereffekt aus dem Jahr 2019, der dazu führte, dass das Rentenniveau um rund einen Prozentpunkt höher ausgewiesen wurde, bereinigt. Außerdem sollen diejenigen unterstützt werden, die schon seit längerer Zeit eine Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) beziehen und die von den verschiedenen gesetzlichen Verbesserungen seit 2014 nicht oder nur teilweise profitieren konnten. So sollen künftig diejenigen Rentner, die von 2001 bis 2018 in eine Erwerbsminderungsrente gingen, einen Zuschlag von 4,5 Prozent beziehungsweise 7,5 Prozent und somit eine höhere monatliche Rente erhalten. Insgesamt sollen von diesen Zuschlägen rund drei Millionen Rentnerinnen und Rentner profitieren.
Regierung: Bei Preisanstieg auch Entlastungen
Bundesarbeits- und sozialminister Hubertus Heil (SPD) wehrte sich gegen den Vorwurf, die Rentner würden bei den diese Woche ebenfalls beschlossenen Entlastungen der Bürger für steigende Energiekosten nicht mitgedacht.
Sie würden von sinkenden Preisen bei Sprit und im Öffentlichen Personennahverkehr sehr wohl profitieren, sagte er. Zugleich ging er auf die Kritiker zu: Wenn es bei einem dauerhaften Preisanstieg bleibe, werde es auch dauerhaft strukturelle Entlastungen geben müssen, kündigte der Minister an.
CDU/CSU: 300 Euro Energiepauschale auch für Rentner
Max Straubinger (CDU/CSU) lobte die Union dafür, durch ihre Politik in der Vergangenheit den Grundstein für die kräftige Rentensteigerung in diesem Jahr gelegt zu haben. Aber seine Fraktion werde es nicht akzeptieren, dass die Rentner bei der 300-Euro-Energiepauschale, die alle Arbeitnehmer bekommen, nicht mitgedacht würden.
Außerdem nannte er es nicht nachvollziehbar, warum nur Bestandsrentner ab 2001 von den Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente profitieren sollen.
Grüne: Hoffen auf die parlamentarischen Beratungen
Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen) hielt dem entgegen: „Wer hat denn in den letzten Jahren sämtliche Verbesserungen für Bestandsrentner in der Erwerbsminderungsrente blockiert?“ Das sei die Union gewesen, die nun immer mehr Leistungsausweitungen fordere, seit sie in der Opposition sei.
Natürlich könne man sagen, das sei nicht genug und er persönlich denke auch, dass es im parlamentarischen Verfahren noch einmal zu Nachbesserungen kommen solle, betonte Kurth.
AfD: Überfällige Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentner
Ulrike Schielke-Ziesing (AfD) verwies auf das überdurchschnittlich hohe Armutsrisiko bei Erwerbsminderungsrentnern und nannte die Regelungen „längst überfällig“.
Sie kritisierte jedoch deutlich, dass die Menschen erst ab 2024 davon profitieren sollen. „Das ist Politik nach Kassenlage.“ Eine Behörde wie die Rentenversicherung müsse in die Lage versetzt werden, diese Pläne eher umzusetzen, forderte sie.
FDP: Die Belange auch der kommenden Generationen im Blick
Anja Schulz (FDP) bezeichnete das Gesetz als einen Erfolg, denn ihre Fraktion hatte die Aussetzung des Nachholfaktors sehr kritisiert.
Nun habe man ein faires Gesetz: „Es ist fair gegenüber den Rentnern, die jahrzehntelang unseren Wohlstand erarbeitet haben, fair gegenüber jenen, die Erwerbsminderungsrente beziehen und es ist fair gegenüber den kommenden Generationen, denn auch ihre Belange werden mit der Rentenanpassungsformel nun wieder besser berücksichtigt.“
Linke: Erwerbsminderungsrente macht trotzdem weiter arm
Matthias W. Birkwald (Die Linke) sagte: „Krankheit darf nicht arm machen. Aber dafür sind die Zuschläge viel zu gering. Es ist auch nicht akzeptabel, diese erst 2024 auszuzahlen.“
Die Bundesregierung lasse die viel zu lange vergessenen Erwerbsminderungsrentner weitere zwei Jahre im Regen stehen. Er forderte, die Zuschläge dann wenigstens rückwirkend ab 2022 auszuzahlen.
SPD: Beginn der Auszahlung überdenken
Michael Gerdes (SPD) betonte, seine Fraktion habe die Verbesserungen für Bestands-Erwerbsminderungsrentner lange herbeigesehnt, denn in der Vorgänger-Koalition mit der Union sei dies nicht machbar gewesen. „Wir korrigieren nun eine Gerechtigkeitslücke, die uns seit Jahren umtreibt.“
Es sei in der Tat ein Wermutstropfen, dass die Auszahlung erst 2024 stattfinden solle, aber die Umsetzung durch die Rentenversicherung müsse machbar sein. Er kündigte allerdings an, den späten Beginn zu überdenken und verwies auf die kommenden Beratungen dazu im Bundestag.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Der Gesetzentwurf regelt unter anderem die Reaktivierung des Nachholfaktors, die jährliche Rentenanpassung zum 1. Juli 2022 sowie Verbesserungen für Erwerbsminderungsrenten im Bestand. Die Reaktivierung des Nachholfaktors soll dazu führen, dass künftig jede aufgrund der Rentengarantie unterbliebene Rentenkürzung bei einer darauffolgenden positiven Rentenanpassung verrechnet wird. Zum 1. Juli 2022 werden dementsprechend der aktuelle Rentenwert auf 36,02 Euro und der aktuelle Rentenwert (Ost) auf 35,52 Euro angehoben. Damit sollen die Renten im Westen um 5,35 Prozent und im Osten um 6,12 Prozent steigen.
Weiterhin geplant sind Verbesserungen für Erwerbsminderungsrenten im Bestand. Hier sieht der Entwurf einen pauschalen prozentualen Zuschlag zur Rente vor, der sich in der Höhe danach richtet, wann erstmalig eine Erwerbsminderungsrente bezogen wurde. (che/hau/13.05.2022)