Minister Heil: Wir dürfen nicht Rente und Rüstung gegeneinander ausspielen
Kaum wurde der Schatten der Corona-Pandemie über dem Haushalt für Arbeit und Soziales etwas kleiner, da zieht mit dem Ukraine-Krieg ein neuer Schatten über dem Sozialetat, dem größten Einzelposten des Bundeshaushalts, auf. Dass man darauf nicht unvorbereitet sein dürfe, machten alle Abgeordneten in der Debatte über den Haushaltsplan des Bundesarbeitsministeriums am Freitag, 25. März 2022, deutlich. Der Etat des Ministeriums muss in diesem Jahr mit einem leichten Rückgang von 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auskommen. Laut Haushaltsentwurf 2022 (20/1000) kann Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) 160,12 Milliarden Euro (2021: 164,92 Milliarden Euro) ausgeben.
116 Milliarden Euro für die Rente
Die größten Ausgabenposten sind Kosten für die Rentenversicherung und die Zuschüsse des Bundes für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung: Dafür sieht der Entwurf insgesamt 116,15 Milliarden Euro (2021: 114,67 Milliarden Euro) vor. Diese Summe setzt sich zusammen aus den Leistungen an die Rentenversicherung von 107,67 Milliarden Euro (2021: 106,23 Milliarden Euro). Für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gibt der Bund 8,35 Milliarden Euro (2021: 8,3 Milliarden Euro) aus.
Ebenfalls ein Schwergewicht im Haushaltsplan sind die Kosten für arbeitsmarktpolitische Leistungen und Programme: Dafür plant der Bund einschließlich eines Darlehens an die Bundesagentur für Arbeit – zusätzlich zu den Mitteln der Bundesagentur für Arbeit – 42 Milliarden Euro ein und damit deutlich weniger als 2021 (48,8 Milliarden Euro). 40,61 Milliarden Euro (2021: 45,03 Milliarden Euro) entfallen auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Dazu gehören wiederum Leistungen in Höhe von 20,99 Milliarden Euro (2021: 23,7 Milliarden Euro) für das Arbeitslosengeld II. Für die Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung sind 9,7 Milliarden Euro und damit deutlich weniger als im Vorjahr eingeplant (2021: 11,2 Milliarden Euro).
Minister: Diese Krise darf den Sozialstaat nicht schwächen
Bundesminister Heil bezeichnete es als seine wichtigste Aufgabe, in diesen Krisenzeiten dafür zu sorgen, dass ein sozialer Ausgleich sichergestellt wird. „Wir werden unsere Werte nicht aufgeben. Gerade jetzt geht es darum, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, gerade jetzt geht es darum, dass sich alle auf soziale Sicherheit verlassen können“, sagte Heil.
Stabilität durch sichere Arbeitsplätze, Abfederung der durch den Krieg entstehenden Folgen, Solidarität mit den Geflüchteten seien die Gebote der Stunde. „Diese Krise darf nicht missbraucht werden, um den Sozialstaat zu schwächen. Wir dürfen nicht Rente gegen Rüstung gegeneinander ausspielen“, warnte der Minister.
Union: Kurzarbeitergeld allein löst nicht die Probleme
Stephan Stracke (CDU/CSU) verwies auf die Herausforderungen, die mit der Ankunft tausender ukrainischer Flüchtlinge verbunden sind. Die Menschen bräuchten eine schnelle Integration in Kita und Schule, aber auch, wenn möglich, in den Arbeitsmarkt.
Stracke betonte die wirtschaftlichen Folgen des Krieges, die sich schon jetzt in vielen Firmen bemerkbar machten. Das Kurzarbeitergeld allein werde nicht ausreichen, die Probleme zu lösen, gerade für energieintensive Betriebe brauche es weitergehende Lösungen als die von der Koalition geplanten Entlastungen.
Grüne: Am Ende muss man Kompromisse finden
Andreas Audretsch (Bündnis 90/Die Grünen) verwies auf die Zuschläge in der Grundsicherung und die Energiekostenpauschale im Entlastungspaket der Bundesregierung. „Das ist das, was wir jetzt brauchen“, auch wenn er sich mehr Entlastung in der Grundsicherung gewünscht und die Spritpreisbremse so nicht umgesetzt hätte, betonte er.
„Aber es geht hier um was anderes. In einer solchen Krise kommt es darauf an, dass man am Ende Kompromisse findet. Zudem schaffen wir damit den Einstieg in ein Energiegeld“, sagte Audretsch.
AfD: Der Bedarf in der Grundsicherung wird steigen
Ulrike Schielke-Ziesing (AfD) kritisierte die Kürzungen im Haushaltsplan, vor allem bei den Kosten der Grundsicherung: „Was verleitet Sie zu der Annahme, dass wir dort weniger Kosten haben werden? Der Bedarf wird steigen, denn die Rezession durch den Krieg wird kommen. Das sehen wir doch schon nach vier Wochen Krieg.“
Außerdem bezeichnete sie die „Rentenpolitik nach Kassenlage“ als „Fahren auf Sicht“. So spare die Bundesregierung immer noch nicht für kommende Kosten wie die Rentenlücke ab 2025, kritisierte die Abgeordnete.
FDP: Mit weniger Mitteln zu besseren Ergebnissen
Claudia Raffelhüschen (FDP) betonte: „Kein Einzelplan ist so relevant für fiskalische Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit wie dieser.“ Sie verwies auf die „höchste Steuerquote am Bruttoinlandsprodukt in unserer Geschichte“ und darauf, dass der Bund nun dennoch gezwungen sei, neue Schulden aufzunehmen.
„Dabei darf es auf Dauer nicht bleiben“, warnte sie und appellierte daran, an einer nachhaltigen Haushaltsplanung zu arbeiten, die „mit weniger Mitteln bessere Ergebnisse“ erziele.
Linke: Nicht streichen, sondern vorsorgen
Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) nannte es angesichts der aktuellen Krisenlage „falsch“, die Ausgaben für Arbeit und Soziales zu kürzen. Der Rüstungsetat werde erhöht, was aber nichts mit dem Krieg zu tun habe, sondern „lange vorbereitet“ gewesen sei.
„Die Bundesregierung geht mit diesem Haushaltsentwurf von sinkenden Arbeitslosenzahlen aus. Aber in Anbetracht einer globalen Wirtschaftskrise und von Kriegen ist das mehr als fraglich. Hier muss also vorgesorgt und nicht gestrichen werden“, sagte Lötzsch.
SPD: Keine Bundesagentur der Schulden
Kathrin Michel (SPD) sagte: „Es muss unser Anspruch sein, alle mitzunehmen, es ist Zeit für eine fraktionsübergreifende Zusammenarbeit.“ Es sei existenziell, mit dem Kurzarbeitergeld weiter eine Möglichkeit zu haben, auf die nach Corona nun neue Krise durch den Ukraine-Krieg reagieren zu können und die Risiken für Arbeitnehmer abfedern zu können. „Wir finanzieren Arbeit statt Arbeitslosigkeit“, sagte sie. Dafür brauche auch die Bundesagentur für Arbeit die finanziellen Mittel und dürfe keine Agentur der Schulden werden. (che/25.03.2022)