Aufhebung des Verbots der Werbung für Schwangerschaftsabbruch
Die Bundesregierung plant die Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch. Der Bundestag hat am Freitag, 13. Mai 2022, erstmals über einen dazu vorgelegten Gesetzentwurf „zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (Paragraf 219a StGB), zur Änderung des Heilmittelwerbegesetzes und zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch“ (20/1635) beraten. Die Abgeordneten haben darüber hinaus über einen von der CDU/CSU-Fraktion vorgelegten Antrag mit dem Titel „Interessen der Frauen stärken, Schutz des ungeborenen Kindes beibehalten“ (20/1017) diskutiert. Ebenfalls erstmals beraten wurde ein Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „§ 219a StGB aufheben – Selbstbestimmung, Entscheidungsfreiheit und ausreichende Versorgung sicherstellen“ (20/1736). Der Gesetzentwurf sowie die Anträge wurden im Anschluss der Debatte an den federführenden Rechtsauschuss zur weiteren Beratung überwiesen.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche in Paragraf 219a des Strafgesetzbuches (StGB) soll gestrichen werden. Urteile, die aufgrund dieser Norm erlassen worden sind, sollen aufgeboben werden. Zudem sollen Regelungen in des Heilmittelwerbegesetzes so angepasst werden, dass sowohl medizinisch indizierte als auch medizinisch nicht indizierte Schwangerschaftsabbrüche erfasst werden. Laut Entwurf soll zum einen Paragraf 219a StGB („Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“) in Gänze aufgehoben werden. Zur Begründung führt die Bundesregierung an, dass Ärztinnen und Ärzte nach der aktuellen Rechtslage mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen müssten, „wenn sie sachliche Informationen über Ablauf und Methoden des Schwangerschaftsabbruchs öffentlich (etwa auf ihrer Homepage) bereitstellen oder in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 StGB) darüber berichten“. Auch eine Reform der Norm im Jahr 2019 habe daran nichts geändert, wie die Bundesregierung mit Verweis auf die Verurteilung einer Gießener Ärztin schreibt. Durch die Einschränkungen für Ärztinnen und Ärzte werde betroffenen Frauen „zum einen der ungehinderte Zugang zu sachgerechten fachlichen Informationen über den sie betreffenden medizinischen Eingriff und zum anderen das Auffinden einer geeigneten Ärztin oder eines geeigneten Arztes erschwert“.
Vor dem Hintergrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Schwangerschaftsabbruch betont die Bundesregierung in der Begründung, dass die geplante Streichung des Paragrafen 219a StGB mit „der grundgesetzlichen Schutzpflicht für das ungeborene Leben vereinbar“ sei. Der Paragraf sei „kein tragender Bestandteil des danach gebotenen Schutzkonzepts, dem der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Rechts des Schwangerschaftsabbruchs Rechnung zu tragen hat“. Die Aufhebung stehe zudem im Einklang mit dem sogenannten Beratungskonzept.
Änderungen am Heilmittelwerbegesetz
Der Entwurf sieht zum anderen Änderungen am Heilmittelwerbegesetz (HWG) vor, um zum einen der Gefahr zu begegnen, dass nach der Aufhebung des Paragrafen „unsachliche oder gar anpreisende Werbung für Schwangerschaftsabbrüche betrieben wird“. Dessen in Paragraf 1 geregelter Anwendungsbereich soll demnach auch auf „Schwangerschaftsabbrüche ohne Krankheitsbezug“ erweitert werden. Durch eine Anpassung in Paragraf 12 Absatz 2 HWG soll zum anderen das bisher geltende Verbot für Publikumswerbung für medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche aufgehoben werden. Damit solle künftig „die Möglichkeit der Information über medizinisch indizierte und medizinisch nicht indizierte Schwangerschaftsabbrüche im Rahmen der allgemeinen Vorgaben des HWG“ bestehen. Damit sei insbesondere irrenführende Werbung nach Paragraf 3 HWG verboten.
Zudem griffen die Vorgaben von Paragraf 11 für Publikumswerbung. Die Vorgaben des HWG würden für jedermann gelten, schreibt die Bundesregierung. Für Ärztinnen und Ärzte würden zudem die Regelungen der jeweiligen Berufsordnungen greifen, führt die Bundesregierung aus. „Es gibt daher keine Anhaltspunkte, dass nach der Aufhebung der Strafnorm des § 219a StGB werbende Handlungen für den straffreien Schwangerschaftsabbruch in einem Ausmaß erfolgen werden, das dem Schutz des ungeborenen Lebens zuwiderläuft“, heißt es in dem Entwurf.
Weiter ist laut Entwurf eine Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vorgesehen. Mit dieser Änderungen sollen strafgerichtliche Urteile auf Grundlage von Paragraf 219a StGB in den Fassungen seit dem 16. Juni 1993 beziehungsweise auf Grundlage von Paragraf 219b StGB in der Fassung von 1. Oktober 1997 bis 15. Juni 1993 aufgehoben werden. Die den Urteilen zugrundeliegenden Verfahren sollen zudem gesetzlich eingestellt werden.
Antrag der Unionsfraktion
Die Union lehnt die von der Bundesregierung geplante Streichung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche in Paragraf 219a Strafgesetzbuch (StGB) ab. Stattdessen soll der Paragraf so modifiziert werden, dass Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen „auf ihrer Internetseite wertungsfreie Angaben zu den von ihnen angewendeten Methoden zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches machen können“, heißt es in einem Antrag der Fraktion (20/1017). Weitere Forderungen beziehen sich unter anderem auf die Kostenübernahme für ärztlich verordnete Verhütungsmittel.
Aus Sicht der Fraktion ist die grundsätzliche Beibehaltung des Paragrafen „zum Schutz des ungeborenen Lebens geboten“. Der Paragraf sei ein „wichtiger Bestandteil“ des vom Bundesverfassungsgericht geforderten Schutzkonzeptes. Die Norm solle „vor allem einer Kommerzialisierung und gesellschaftlichen Normalisierung des Schwangerschaftsabbruchs entgegenwirken“, argumentiert die Fraktion.
Nach Auffassung der Union besteht mit Blick auf mögliche Rechtsunsicherheiten für Ärztinnen und Ärzte kein Handlungsbedarf. Die Rechtslage sei „unmissverständlich und einfach einzuhalten“. Ärztinnen und Ärzte könnten öffentlichen auf die Tatsache hinweisen, „dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen und sich auf die Liste der Bundesärztekammer setzen lassen sowie Beratungsstellen über ihr Angebot informieren“. Es habe im Jahr 2020 „nur eine rechtskräftige Verurteilung ... und ein Ermittlungsverfahren“ gegeben, führt die Fraktion an.
CDU/CSU: Berufsrechtliche Regelungen nicht ausreichend
Das Bundeskabinett hatte am 9. März einen Gesetzentwurf zur Streichung des Paragrafen beschlossen. Der Entwurf sieht zudem Änderungen im Heilmittelwerbegesetz vor, um so sämtliche Formen des Schwangerschaftsabbruches zu erfassen. Zudem verweist die Bundesregierung auf berufsrechtliche Regelungen, die vor ungewollter Werbung schützen würden. Aus Sicht der Union sind berufsrechtliche Regelungen nicht ausreichend. Sie untersagten nur „berufswidrige Werbung“. Die danach noch zulässige Werbung „verharmlost bereits den Eingriff“. Zudem handle es sich um Standesrecht, dessen Regeln schwer durchzusetzen seien. „Das verfassungsrechtlich geforderte Schutzkonzept für das ungeborene Leben gebietet es, dass der demokratische Gesetzgeber selbst eine klar erkennbare 'rote Linie' gegen die Werbung für Abtreibungen zieht. Er kann diese Aufgabe nicht auf den ärztlichen Berufsstand delegieren“, heißt es in dem Antrag.
Auch die Änderung im Heilmittelwerbegesetz reicht nach Auffassung der Union nicht aus. Dieses verbiete nur irreführende Werbung. Zudem irritiere die Aufnahme von Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch in dem Gesetz in besonderen Maße. „Denn wer die Beendigung ungeborenen Lebens mit einer Heilbehandlung gleichstellt, beweist, dass er das Konzept und die verfassungsrechtliche Pflicht zum Schutz des ungeborenen Lebens missachtet.“ Weiterhin würde diese Änderung nicht zu mehr Rechtssicherheit führen, denn dann werde streitig werden, „ob die Werbung irreführend ist“. In der Vorlage spricht sich die Fraktion weiterhin unter anderem dafür aus, dass Kosten für ärztlich verordnete Verhütungsmittel künftig von den Kassen bis zum 25. Lebensjahr der Versicherten übernommen werden sollen, „darüber hinaus können die Kosten als freiwillige vertragliche Leistungen erstattet werden“. Auch Sozialleistungsträger sollen die Kosten in bestimmten Fällen übernehmen. Außerdem fordert die Fraktion die Bundesregierung dazu auf, gemeinsam mit den Ländern sicherzustellen, „dass Frauen sowohl Beratungsstellen als auch Ärztinnen und Ärzte, die bereit sind, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen, in allen Regionen Deutschlands finden“.
Linke unterstützt die von der Ampel-Koalition geplante Aufhebung
Die Fraktion Die Linke unterstützt die von der Ampel-Koalition geplante Aufhebung des sogenannten Werbeverbotes für Schwangerschaftsabbrüche in Paragraf 219a des Strafgesetzbuches (StGB). Darüber hinaus fordert die Fraktion in ihrem Antrag, „die vollständige Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen auf Wunsch der schwangeren Person durch Streichung des Paragrafen 218 StGB“. Die bisherige Beratungspflicht soll ferner durch ein Recht auf Beratung ersetzt werden, der „Beratungszwang“ nach Paragraf 218a Absatz 4 und Paragraf 219 StGB abgeschafft werden. „Reproduktive Gerechtigkeit“ will die Fraktion zum Regierungsziel erklärt wissen. Wie die Fraktion zur Begründung ausführt, hätten „das über 150 Jahre geltende grundsätzliche Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen in § 218 StGB sowie die fast ein Jahrhundert andauernde Wirkung des Regelungsinhalts des § 219a StGB [...] tiefe Spuren in der Versorgungslage für Schwangere, die einen Abbruch wünschen, hinterlassen“. Daher seien weitere Maßnahmen von Nöten, „um körperliche und sexuelle Selbstbestimmung, Entscheidungsfreiheit und ausreichende Versorgung mit Schwangerschaftsabbrüchen tatsächlich sicherzustellen“, schreibt die Fraktion.
Neben einem Ausbau von Beratungsangeboten fordert die Fraktion „den wirksamen Schutz vor Belästigung von Schwangeren und medizinischem oder beratendem Personal in Form von Gehsteigbelästigung vor Beratungsstellen und Praxen bzw. Kliniken oder Belästigung im digitalen Raum durch aggressive Fehlinformation und Hassrede, insbesondere den Gebrauch von Holocaust verharmlosender Polemik in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche“.
Zudem sprechen sich die Abgeordneten für eine Verbesserung der „Versorgungslage mit Schwangerschaftsabbrüchen“ ein, etwa durch die Verankerung von Schwangerschaftsabbrüchen in der Ausbildung von Medizinerinnen und Medizinern. Zudem müsse ein flächendeckendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs sichergestellt werden. „Wenn nötig ist dies durch weitere Regelungen, die Kliniken in öffentlicher Hand verpflichten, die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zu ermöglichen, zu realisieren“, fordert die Fraktion. Ferner verlangt die Fraktion, dass die Kosten für Schwangerschaftsabbrüche durch die gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden sollten. (hau/scr/13.05.2022)