Die Abschaffung der EEG-Umlage war am Mittwoch, 6. April 2022, Thema einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie. Die Abgeordneten berieten einen Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP „zur Absenkung der Kostenbelastungen durch die EEG-Umlage und zur Weitergabe dieser Absenkung an die Letztverbraucher“ (20/1025). Die Anhörung unter Vorsitz von Klaus Ernst (Die Linke) dauerte zwei Stunden.
Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen
Mit dem Gesetz soll nach dem Willen der Fraktionen eine spürbare Entlastung der Verbraucher bei den Stromkosten erreicht werden. Zu diesem Zweck soll die EEG-Umlage früher als zunächst geplant bereits zum 1. Juli 2022 auf null abgesenkt werden. Dies sei der erste Schritt zur vollständigen Finanzierung der Förderungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz über den Energie- und Klimafonds. Diese erfolge in einem zweiten Schritt durch die bevorstehende EEG-Novelle im Rahmen des „Osterpaket“ genannten Sofortprogramms, das im Bundeskabinett beschlossen wurde. Um sicherzustellen, dass die Entlastung unterjährig auch tatsächlich ab dem 1. Juli 2022 an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wird, sollen laut Entwurf Änderungen im Energiewirtschaftsgesetz vorgenommen werden, die den verschiedenen Vertragsverhältnissen angemessen Rechnung tragen.
Grundsätzlich signalisierten die sieben geladenen Gutachter unter klimapolitischen Gesichtspunkten durchgehend Zustimmung zu dem Gesetzentwurf der Koalition, mahnten aber an verschiedenen Stellen Konkretisierungen, Änderungen und Verschärfungen an. Tenor: Die Abschaffung der EEG-Umlage ist ein richtiger erster Schritt – weitere sollten zügig folgen.
„Spürbare Entlastung von Letztverbrauchern“
Dr. Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht stellte eingangs fest, dass es abweichend von bisherigen EEG-Reformüberlegungen diesmal das zentrale Anliegen des Gesetzgebers sei, dass „eine spürbare Entlastung von Letztverbrauchern bei den Stromkosten erreicht“ wird und diese „allein und ausschließlich“ von der Maßnahme profitieren. Allerdings seien ausgerechnet die Regelungen zur Erreichung dieses Ziels nicht zielführend, sagte Müller. Laut Entwurf bestehe eine Verpflichtung zur Anpassung der vertraglich vereinbarten Strombezugspreise nämlich nur dann, wenn die EEG-Umlage in die jeweilige Preiskalkulation eingeflossen ist.
Dies könne dazu führen, dass letztlich doch die Stromlieferanten und nicht die Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren – zudem lasse sich das als interner Prozess auch nicht transparent nachvollziehen. Ein Punkt, den auch Dr. Martin Winkler, wissenschaftlicher Leiter der Clearingstelle EEG|KWKG wiederholt stark machte.
„Erheblicher Eingriff in die Vertragsfreiheit“
Dr. Paula Hahn vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zeigte sich zuversichtlich, dass mit der Absenkung der EEG-Umlage ein dämpfender Effekt bei den Preisen erzielt werden könne. Kritisch merkte sie aber an, dass durch die Neuregelungen für bereits bestehende Verträge ohne Preisanpassungsrecht ein – wenn auch befristeter – erheblicher Eingriff in die Vertragsfreiheit stattfinde.
Der BDEW sehe zudem das Verbot, die Preise aus anderen Gründen als der verfügten Umlagensenkung zum 1. Juli 2022 anzupassen, sehr kritisch. Im Zuge der deutlichen Preissteigerungen an den Großhandelsmärkten wachse auch die Notwendigkeit der Energieversorger, diese Marktbewegungen in den Tarifen abzubilden.
Kritik an Saldierungsverbot
Dieses sogenannte Saldierungsverbot monierte auch Ingbert Liebing vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU).
Die vorgesehene verpflichtende Senkung der Strompreise am 1. Juli mit dem gleichzeitigen Verbot einer Saldierung mit anderen Belastungen und Kosten lehne der VKU daher als nicht zielführenden, gesetzlichen Eingriff in die Vertragsautonomie und die nach kaufmännisch-wirtschaftlichen Grundsätzen erfolgende Preiskalkulation ab.
Informationskampagne zu Lieferantenwechsel gefordert
Für Thorsten Lenck von Agora Energiewende eigne sich die Verpflichtung der Stromlieferanten, ihren Strompreis zum Stichtag zu mindern und den Senkungsbetrag transparent auf der Stromrechnung auszuweisen, damit die Senkung bei Haushalten und Unternehmen ankommt. Die Regelung verhindere jedoch nicht, dass Stromlieferanten ihren Strompreis vor oder nach dem Stichtag erhöhen und angesichts der stark gestiegenen Börsenstrompreise zur Margenvergrößerung nutzen.
Daher, so seine Forderung, sollte die EEG-Umlagesenkung mit einer Informationskampagne verbunden werden, die Stromverbraucherinnen und - verbraucher über die EEG-Umlagesenkung und ihre Rechte zum Lieferantenwechsel informierte, um so den Wettbewerbsdruck hoch zu halten.
„Hohe Energiepreise haben Dringlichkeit massiv erhöht“
In der Beobachtung von Prof. Dr. Manuel Frondel vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung haben die hohen Energiepreise für die Politik die Dringlichkeit massiv erhöht, die Steuer- und Abgabenlast auf den Strompreis zu verringern. Diese Last mache bei privaten Verbrauchern derzeit über 50 Prozent des Strompreises aus. Dabei sei fragwürdig, dass für energie- und klimapolitische Maßnahmen die Stromverbraucher aufkommen müssen, statt dass diese Maßnahmen aus dem Staatshaushalt finanziert würden.
Da einkommensschwache Haushalte einen höheren Anteil ihres Einkommens zur Deckung ihres Stromverbrauchs auszugeben haben als wohlhabende, hätten einkommensschwache Haushalte in Relation zu ihrem Einkommen aktuell sogar einen höheren Beitrag zur Finanzierung von Maßnahmen wie der Förderung der Erneuerbaren via EEG-Umlage zu leisten als einkommensstarke. Dieselbe Kritik gelte für sämtliche weiteren Abgaben auf den Strompreis, etwa die Offshore-Umlage zur Finanzierung des Netzanschlusses von Offshore-Windparks oder die KWKG-Umlage.
„Absenkung auf null auch energiewirtschaftlich vernünftig“
Für deren Abschaffung mittels eines „Keine-Umlagen-Gesetzes“ inklusive einer Verringerung der Stromsteuer, möglichst auf den EU-Mindestsatz, plädierte auch Dr. Matthias Dümpelmann von der 8KU Gmbh. Für Dümpelmann stellt die beabsichtigte Absenkung der Umlage auf null einen primär preispolitisch richtigen Schritt dar, der aber auch energiewirtschaftlich vernünftig sei – nicht in erster Linie, weil hiermit Strom günstiger werde gegenüber anderen Optionen, sondern weil die derzeitige Struktur der Energiebepreisung dysfunktional sei.
Wenn Wettbewerb über Preise funktionieren solle, dann müssten die Elemente der Preisbildung nach vergleichbaren Strukturen bestimmt werden. Energiepreise sollten deshalb definiert sein über die Elemente Erzeugung (also Anlagen plus Energieträger), Netz (allgemeiner: Logistik) und Klimakosten (insbesondere CO2). (mis/irs/06.04.2022)