Erster Schlagabtausch der Fraktionen in der allgemeinen Finanzdebatte
Einen ersten Schlagabtausch haben sich am Dienstag, 22. März 2022, die Fraktionen des Bundestages in der Allgemeinen Finanzdebatte zum Bundeshaushalt 2022 (20/1000) geliefert. Im Anschluss an die Einbringungsrede von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ging es im Einzelnen um die erste Lesung des Einzelplans 08 des Bundesministeriums der Finanzen, des Einzelplans 20 des Bundesrechnungshofes, des Einzelplans 32 der Bundesschuld und des Einzelplans 60 der Allgemeinen Finanzverwaltung.
CDU/CSU: Das ist ein Haushaltsrätsel
Für die Unions-Fraktion kritisierte Alexander Dobrindt (CDU/CSU) zum Einstieg in die Debatte den von Minister Lindner vorgelegten Haushaltsentwurf und den angekündigten Ergänzungshaushalt. Das sei „kein Haushalt zum Beraten, sondern ein Haushaltsrätsel, das es zu erraten gilt“, sagte der Christsoziale. Mit Blick auf das von der Bundesregierung angekündigte Sondervermögen für die Bundeswehr, für die eine Grundgesetzänderung geplant ist, machte Dobrindt deutlich, dass die Koalition noch nicht mit der dafür notwendigen Zustimmung der Union rechnen kann. Dobrindt forderte unter anderem, die geplanten 100 Milliarden Euro nur für Verteidigung, Bündnisverteidigung und die Bundeswehr zur Verfügung zu stellen. Zudem kritisierte er das Fehlen eines Tilgungsplans. „Schuldentilgung ist ein Teil solider Haushaltspolitik“, meinte der Abgeordnete. Das Sondervermögen sei nichts anderes als „100 Milliarden Sonder-Schulden“:
Weiter kritisierte der Christsoziale die fehlende Entlastung der Bürgerinnen und Bürger angesichts hoher Spritpreise. Unter anderem schlug er die Senkung der Mehrwertsteuer auf Kraftstoffe vor. Betreffend der Aufnahme Geflüchteter sprach Dobrindt von einer „historischen Kraftanstrengung“ mit erheblichen Auswirkungen auf den Haushalt. Der Abgeordnete forderte zudem, jeden Geflüchteten zu registrierten.
SPD will Sicherheit im Wandel geben
Für die SPD-Fraktion sagte Dennis Rohde, dass eigentlich alle die Hoffnung gehabt hätten, dass die Planungsunsicherheiten kleiner werden würden. Angesichts des Kriegs in der Ukraine sei das aber nicht der Fall. Noch nie hätten die verschiedenen Wachstums- und Inflationsprognosen so weit auseinandergelegen, sagte der Sozialdemokrat. Dies sei ein Moment, inne zu halten, um „die Maximen der eigenen Haushaltspolitik“ zu überdenken. Für seine Fraktion sei Haushaltspolitik kein Selbstzweck. Den Sozialdemokraten gehe darum, dass ein „vorsorgender und fürsorgender Staat“ Sicherheit im Wandel geben könne.
Rohde verwies unter anderem auf die geplante Weiterentwicklung des Energie- und Klimafonds zum Klima- und Transformationsfonds. Dieser unterstütze Unternehmen bei „notwendigen Transformationsprozessen“, aber auch den Menschen, ihren „persönlichen Beitrag“ zur Energiewende zu leisten. Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien solle einerseits Versorgungssicherheit geschaffen werden, andererseits Unabhängigkeit von Drittstaaten gesichert werden. Zudem diene der Fonds auch weiterhin der Pandemiebekämpfung.
Zum geplanten Sondervermögen sagte Rohde, dass die Bundeswehr in den vergangenen drei Jahrzehnten eine Friedensdividende gezahlt habe, der Ausrüstungszustand sei allen im Haus bekannt. Die Kritik der Union konterte Rohde scharf: „Wenn man mit Blick auf das Sondervermögen nur von Schulden spricht, dann frage ich mich, welches Bild sollen Soldatinnen und Soldaten noch von dieser Unionsfraktion haben?“.
AfD kritisiert Ausnahmen von der Schuldenregel
Für die AfD-Fraktion kritisierte Peter Boehringer die Etat-Planung scharf. Erneut sei ein verfassungsrechtlich bedenklicher Haushalt vorgelegt worden. Die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) jüngst erklärte „Zeitenwende“ habe im Haushalt schon 2020 begonnen, meinte der ehemalige Vorsitzende des Haushaltsausschusses.
Künftig werde der Krieg in der Ukraine wie aktuell Corona als „Ausrede“ genutzt, um Schulden zu machen, meinte Boehringer weiter. „Eine außergewöhnliche Notlage liegt in Omikron-Zeiten nicht vor“, kritisierte der Abgeordnete die geplante Ausnahme von der Schuldenregel. Auch mit Blick auf die Entlastungen sei der Haushalt unzureichend.
Grüne: Entlastungspaket soll sozial gerecht sein
Für die Grünen-Fraktion betonte Sven-Christian Kindler (Bündnis 90/Die Grünen), dass die Koalition die Herausforderungen der Corona- und der Ukraine-Krisen annehme und als Auftrag für die Haushaltsberatungen verstehe. Es sei zentral, dass der Staat die Menschen in diesen Zeiten mit den Folgen der Krise nicht alleine lasse. Es werde nicht am Geld scheitern. „Das Prinzip ‚too little, too late‘ hat ausgedient“, sagte Kindler. Wie auch andere Redner der Koalition kündigte Kindler ein weiteres Entlastungspaket an: „Wir wollen, dass dieses Paket sozial gerecht ist.“ Es müsse zielgerichtet sein und dürfe nicht dazu führen, die Rendite der Mineralölkonzerne zu steigern.
Scharf kritisierte Kindler Dobrindts Vorschlag, die Mehrwertsteuer auf Kraftstoffe zu senken. Diese Regierung werde das Europarecht nicht brechen, sagte der Grünen-Abgeordnete mit Verweis auf die entsprechenden europarechtlichen Vorgaben. Zum Sondervermögen sagte Kindler, dass es ein hartes Controlling und Strukturreformen benötige. Zudem warb er für einen erweiterten Sicherheitsbegriff.
Linke: Kein Verfassungsrang für Wettrüsten
Für die Fraktion Die Linke kritisierte Dr. Gesine Lötzsch, dass die Koalition keine Antworten auf steigende Strompreise, die Klimakrise, Altersarmut und Wohnungsnot liefere. Soziale und ökologische Fragen würden in den Hintergrund zur geplanten Aufrüstung treten. „Das neue Wettrüsten soll ins Grundgesetz und damit Verfassungsrang bekommen“, kritisierte Lötzsch.
Sie warf dem Finanzminister vor, an der „ökonomisch unsinnigen Schuldenbremse“ festzuhalten, nur für „das Wettrüsten“ solle sie nicht gelten. Sie forderte zudem, „Millionäre und Kriegsgewinnler“ müssten zur Kasse gebeten werden.
FDP freut sich über „letzten Pandemiehaushalt“
Für die FDP-Fraktion drückte Christoph Meyer seine Freude darüber aus, dass Finanzminister Lindner nunmehr den „letzten Pandemiehaushalt“ vorgelegt habe und damit eine Ausnahmesituation ende. Die Norm sei finanzpolitische Stabilität, nur sie habe das Land in die Lage versetzt, die Herausforderungen der Pandemie und die, „die vor uns liegen“, zu schulten. „Solide Finanzen und Wettbewerbsfähigkeit sind die Grundvoraussetzung für die Handlungsfähigkeit Deutschlands in Krisenzeiten“, sagte der Liberale. Mit Blick auf die kommenden Haushaltsjahre sprach Meyer von der Notwendigkeit, Ausgaben zu priorisieren, um sich Handlungsspielräume zu erarbeiten.
Meyer warf Dobrindt vor, mit seiner Kritik am Sondervermögen einen Grund zu suchen, „warum sie die Truppe im Regen stehen lassen wollen, wie die letzten 16 Jahre, wo sie sie kaputt gespart haben“. Die Union werde zustimmen müssen, wolle sie sich „einen Rest an Glaubwürdigkeit als Oppositionsfraktion erhalten“.
Ausgaben des Bundesfinanzministeriums
Das Bundesfinanzministerium soll in diesem Jahr 8,82 Milliarden Euro ausgeben können. Das sind 0,9 Prozent weniger als 2021, als sich der Etatansatz auf 8,74 Milliarden Euro belief. Die Einnahmen sollen von 620,45 Millionen Euro auf 622,49 Millionen Euro ansteigen.
Knapp die Hälfte der Ausgaben des Ministeriums sind Personalausgaben in Höhe von 4,04 Milliarden Euro (2021: 3,71 Milliarden Euro). Die Ausgaben für die Zollverwaltung schlagen mit 3,11 Milliarden Euro zu Buche (2021: 2,97 Milliarden Euro). 1,13 Milliarden Euro sollen für das Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) bereitgestellt werden, das IT-Leistungen für Behörden und Organisationen des Bundes bereitstellt (2021: 849,27 Millionen Euro). Das Bundeszentralamt für Steuern darf mit 782,47 Millionen Euro rechnen (2021: 777,67 Millionen Euro).
Bundesrechnungshof und Bundesschuld
Der Bundesrechnungshof kann einen Zuwachs der Ausgaben um 2,4 Prozent erwarten. Für 2022 sind im Etatentwurf 172,91 Millionen Euro eingestellt (2021: 168,88 Millionen Euro). Die Einnahmen sind mit 2,22 Millionen Euro veranschlagt gegenüber 3,93 Millionen Euro 2021.
Die Ausgaben der Bundesschuld sollen um 14 Prozent sinken. Vorgesehen sind 13,13 Milliarden Euro, im vergangenen Jahr waren es 15,27 Milliarden Euro. Auf der Einnahmenseite dieses Einzelplans ist ein weit größerer Rückgang um 58 Prozent zu verzeichnen. Sie sollen aufgrund der geplanten Senkung der Nettoneuverschuldung von 241,3 Milliarden Euro auf 101,41 Milliarden Euro zurückgehen. Kaum verändert soll der Schuldendienst bleiben. Dafür sind 10,89 Milliarden Euro eingestellt nach 10,26 Milliarden Euro im vergangenen Jahr.
Allgemeine Finanzverwaltung
Stark rückläufig sind auch die Ausgaben im Einzelplan der Allgemeinen Finanzverwaltung. Statt 146,8 Milliarden Euro wie 2021 sind in diesem Jahr nur noch 40,06 Milliarden Euro eingestellt, was einem Rückgang um 72,7 Prozent gleichkommt.
Auf der Einnahmenseite ist allerdings ein Zuwachs um 7,7 Prozent von 316,07 auf 340,42 Milliarden Euro angestrebt. Davon entfallen 332,45 Milliarden Euro auf die Steuereinnahmen (2021: 284,02 Milliarden Euro), von denen wiederum 98,09 Milliarden Euro auf die Lohnsteuer zurückzuführen sind (2021: 93,84 Milliarden Euro). (scr/vom/22.03.2022)