Zwei Jahre nach Hanau: Fraktionen sagen Rechtsextremismus Kampf an
Zwei Jahre nach dem Terroranschlag von Hanau vom 19. Februar 2020, bei dem der Täter zehn Menschen und anschließend sich selbst tötete, haben im Bundestag Vertreter der Regierungskoalition und der Opposition am Mittwoch zu einer entschlossenen Bekämpfung des Rechtsextremismus in Deutschland aufgerufen. Dieser sei die „schlimmste Bedrohung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Mittwoch, 16. Februar 2022, in einer von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP beantragten Aktuellen Stunde zum Thema „Zwei Jahre nach den rechtsterroristischen Morden von Hanau – Den Kampf gegen Rechtsextremismus und Hass entschieden weiterführen“. Deshalb habe seine Bekämpfung „höchste Priorität“.
Ministerin kündigt Aktionsplan gegen Rechtsextremismus an
Faeser verwies darauf, dass das Bundeskabinett am Vormittag beschlossen habe, dass der 11. März künftig als nationaler Gedenktag für Opfer terroristischer Gewalt begangen werde. Der Staat schulde den Familien der Opfer von Hanau eine transparente und lückenlose Aufarbeitung aller Hintergründe dieses Anschlags.
Die Ressortchefin bekräftigte zugleich, bis Ostern einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus vorlegen zu wollen. Man setzte alles daran, Radikalisierung zu stoppen und rechtsextreme Netzwerke zu zerschlagen, und werde den Extremisten ihre Einnahmequellen nehmen und „ konsequent die Waffen entziehen“.
CDU/CSU: Der Hass darf in Deutschland niemals siegen
Andrea Lindholz (CDU/CSU) unterstrich, dass der Anschlag von Hanau eine rechtsextremistische und klar rassistisch motivierte Tat gewesen sei. Der Hass dürfe in Deutschland aber „niemals siegen“. Der politische Auftrag heiße, dass sich jeder Mensch in Deutschland sicher fühlen können soll.
Um diese Sicherheit zu gewährleisten, bräuchten die Sicherheitsbehörden aber auch moderne Befugnisse, um beispielsweise „Hass in seinen digitalen Resonanzräumen wirksam bekämpfen zu können“. Ideen, wie die Behörden hier besser werden könnten, habe sie indes weder im Koalitionsvertrag der „Ampel“ gefunden noch am Vormittag im Innenausschuss einem Bericht der Bundesinnenministerin entnommen.
Grüne: Wir lassen uns nicht an der Nase herumführen
Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) klagte, die Opfer von Hanau seien aus dem Leben gerissen worden, weil „aus Hass Schandtaten“ geworden seien. Es sei gemeinsame Aufgabe der Demokraten, allen, „die diesen Hass verbreiten, ein klares Stoppschild aufzustellen“.
Derzeit liefen durch die Pandemie verunsicherte Menschen gemeinsam mit Rechtsextremen durch die Straßen. Rechtsextreme nutzten diese Verunsicherung, doch seien sie „weder das Volk noch die Mehrheit in diesem Land“. Die Demokratie sei wehrhaft, fügte Nouripour hinzu und betonte: „Wir lassen uns nicht an der Nase herumführen.“
AfD: Es darf keinen Platz für Extremismus geben
Dr. Christian Wirth (AfD) sagte, es dürfe in Deutschland keinen Platz „für irgendwelchen Extremismus“ geben. „Das sollte eigentlich Konsens in diesem Hause sein“, fügte er hinzu. Zugleich sprach er mit Blick auf den Anschlag von Hanau von einer „schrecklichen Tat“ eines „offenkundig psychisch zutiefst gestörten Täters“, der neben rassistischem Gedankengut auch abstruse Verschwörungstheorien geäußert habe.
Nichts könne indes absurd genug sein, als dass die politische Konkurrenz diese Gedankenwelt nicht mit der AfD in Verbindung bringen wolle.
FDP: Verschwörungsmythen und Radikalisierung
Konstantin Kuhle (FDP) verwies darauf, dass sich nicht jedes der vom Hanauer Täter verbreiteten Motive eindeutig dem Rechtsextremismus zuordnen ließen. Es sei aber das „Zusammenspiel aus Verschwörungserzählungen und gewaltorientierten, extremistischen Radikalisierungsprozessen, das die besondere Gefährlichkeit von Tätern wie im Fall des Anschlags von Hanau ausmacht“.
Es gebe Überlappungen von Verschwörungsmythen und Radikalisierung, mit denen sich zahlreiche Studien auseinandersetzten. Er sei dankbar, dass diese Erkenntnisse nun auch im Bundesinnenministerium angekommen seien.
Linke: Hanau muss die Endstation sein
Janine Wissler (Die Linke) kritisierte, wer Muslime, Migranten und Geflüchtete diffamiere und die Verbrechen der Nazi-Zeit relativiere, „wie die AfD das tut“, schaffe einen Nährboden für rechte Gewalt.
Dabei sei die Tat von Hanau kein Einzelfall gewesen sei. Seit 1990 seien mehr als 200 Menschen durch rechte Gewalt getötet worden, doch sei der rechte Terror seien viel zu lange verharmlost worden. Die Opfer-Familien von Hanau forderten „Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung und Konsequenzen“. Hanau dürfe „keine weitere Station des rechten Terrors“ sein, sondern müsse „die Endstation sein“.
SPD: Ein Anschlag auf uns alle
Hakan Demir (SPD) sagte, der Anschlag auf die Opfer von Hanau sei ein „Anschlag auf uns alle“ gewesen. Nach der Tat sei von einem fremdenfeindlichen Anschlag gesprochen, obwohl die Opfer in Offenbach oder Hanau geboren worden seien. Sie seien keine Fremden gewesen, sondern „ein Teil von uns“.
Er sei 35 Jahre alt gewesen und habe Deutschland noch nie in seinem Leben verlassen wollen, „doch dann kam Hanau“, fügte Demir hinzu. Er sei aber wie viele andere geblieben, „denn das hier ist auch unser Land, denn das ist auch unsere Sache“. (sto/16.02.2022)