Parlament

Koalitionsmehrheit lehnt Aufsetzung einer Afghanistan-Debatte ab

Der Bundestag hat zu Beginn der Plenarsitzung am Dienstag, 7. September 2021, Anträge der FDP-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Tagesordnung abgelehnt. Die beiden Fraktionen hatten beantragt, am gleichen Tag eine einstündige Afghanistan-Debatte auf die Tagesordnung zu setzen. Grundlage sollten der Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „EU-Sondergipfel für eine gemeinsame europäische Afghanistanpolitik einberufen“ (19/32313) und der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Löschstopp jetzt – Alle Dateien, Akten und Datenträger mit Bezug zu Afghanistan müssen gesichert werden“ (19/32308) sein. Die Oppositionsfraktionen stimmten geschlossen für die Geschäftsordnungsanträge, die Koalitionsmehrheit lehnte sie ab.

Grüne fordern Löschstopp für Afghanistan-Akten 

In der 20-minütigen Aussprache unterstrich die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen, Britta Haßelmann, es gebe ausreichend Gründe, um darüber zu debattieren, wie es in Afghanistan weitergeht und wie die „Aufarbeitung dieses Desasters“ stattfinde.

Haßelmann verwies auf den Antrag ihrer Fraktion, in dem ein „Löschstopp“ aller Daten, Akten und Datenträger mit Bezug zu Afghanistan gefordert wird. Eine Aussprache im Rahmen der vorgesehenen dreistündigen Debatte zur Situation in Deutschland reiche nicht aus.

FDP: Koalition fürchtet Afghanistan-Debatte

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff sagte, Union und SPD hätten Angst vor einer Afghanistan-Debatte und wollten diese verhindern. „Wir wissen, dass die Bundesregierung in der Afghanistan-Krise versagt hat“, betonte der Außenpolitiker: „Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, eine ehrliche Debatte zu führen.“

Der Regierung sei es nicht gelungen, die Mehrheit der afghanischen Ortskräfte der Bundeswehr außer Landes zu bringen. Es müsse debattiert werden, weshalb die Bundesregierung Warnungen nicht beachtet habe.

CDU/CSU: Wir brauchen kein Löschmoratorium

Dagegen hielt der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Michael Grosse-Brömer, die Geschäftsordnungsanträge für unbegründet. Erst am 25. August habe der Bundestag 90 Minuten lang über Afghanistan debattiert.

Die Opposition habe in der heutigen dreistündigen Deutschland-Debatte ausreichend Gelegenheit, alles anzusprechen. „Wir brauchen kein Löschmoratorium“, sagte Grosse-Brömer, denn es gebe in der Bundesregierung klare Regeln für den Umgang mit Akten.

AfD fordert einen Untersuchungsausschuss 

Unterstützung erhielten FDP und Grüne vom Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Dr. Bernd Baumann. Baumann bezeichnete den Bundeswehreinsatz in Afghanistan als „größtes militärisches und außenpolitisches Versagen“ in der Geschichte der Bundesrepublik.

Nie zuvor hätten Minister so fundamental versagt: „Wir werden von Dilettanten und Blendern regiert.“ Die Gründe für das Scheitern müssten umfassend aufgearbeitet werden: „Wir müssen heute einen Untersuchungsausschuss beschließen.“

SPD: Klare Rechtsgrundlagen für die Aktenführung

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dr. Nils Schmid, bot der Opposition an, in der nächsten Wahlperiode über die Einsetzung einer Enquete-Kommission zum Thema und über weitere Schritte zur Aufarbeitung zu reden.

Was die Löschstopp-Forderungen angehe, seien die Rechtsgrundlagen für die Aktenführung in Bundesbehörden klar. Er gehe davon aus, dass sich die Bundesregierung an geltendes Recht hält. Auch der von der FDP geforderte EU-Sondergipfel würde keine neuen Erkenntnisse bringen.

Linke: Koalition macht sich „schlanken Fuß“

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion Die Linke, Jan Korte, warf der Koalition vor, sich einen „schlanken Fuß“ zu machen. Immerhin habe das Verteidigungsministerium im Gegensatz zum Auswärtigen Amt ein Löschmoratorium erlassen.

Die Linke unterstütze die Anträge von FDP und Grünen. Zu fragen sei, was das „Desaster“ in Afghanistan für laufende Bundeswehreinsätze wie in Mali bedeute. (vom/07.09.2021)