Um die Stärkung des Verbraucherschutzes ging es am Montag, 19. April 2021, bei einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. In der vom stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Prof. Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU) geleiteten Sitzung begrüßten die acht eingeladenen Sachverständigen die mit Gesetzentwürfen der Bundesregierung (19/27873, 19/27655) geplante Umsetzung der EU-Richtlinien zum Verbraucherschutz, machten aber gleichzeitig eine Reihe von Änderungsvorschlägen. Während Unternehmensverbände sich gegen eine zu weitgehende Umsetzung aussprachen, forderten Verbraucherschützer ergänzende Maßnahmen.
„Unnötige Belastungen des Einzelhandels vermeiden“
Dr. Peter Jens Schröder vom Handelsverband Deutschland betonte, dass sich die Unternehmen des Einzelhandels durch die Covid-19-Pandemie in einer schweren Krise befänden. Daher sei es umso wichtiger, dass der Gesetzgeber unnötige Belastungen des Einzelhandels durch neue Regulierungen vermeidet.
Schröder regte einige Klarstellungen und geringfügige Änderungen an, um mehr Rechtssicherheit zu gewährleisten und unnötige Belastungen des Einzelhandels zu verhindern. Es gelte, nicht über die EU-Vorgaben hinauszugehen.
„Belastungen vermeiden“
Jochen Clausnitzer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Direktvertrieb Deutschland (BDD), ging in seiner Stellungnahme unter anderem auf den geplanten Schadensersatzanspruch des Verbrauchers ein. Nach Auffassung des BDD sollte dies nur möglich sein, wenn nicht bereits das geltende Recht einen Ausgleich von Schäden ermögliche, die durch eine unlautere geschäftliche Handlung entstehen.
Eine über die Verjährungsfrist von sechs Monaten hinausgehende Verjährungsfrist für den Schadenersatzanspruch, wie sie noch im Referentenentwurf enthalten gewesen sei, wie auch ein Verbot des unbestellten Hausbesuchs lehne der BDD ab. Clausnitzer sprach sich dafür aus, „Abzockern“ die Gewerbeerlaubnis zu entziehen.
„Influencer und Blogger in die Verantwortung nehmen“
Dr. Peer-Robin Paulus von der Vereinigung der Familienunternehmer begrüßte die Bemühungen der Bundesregierung, das bestehende Recht behutsam an die Entwicklungen der Digitalökonomie anzupassen. Er halte es für wünschenswert, wenn große Plattformen mit einer starken Marktdominanz auf ein Mindestmaß an technischen Vorkehrungen zur Bekämpfung von „fake reviews“ verpflichtet werden würden.
Influencer und Blogger sollten mehr in Verantwortung genommen werden. Auch Paulus sprach sich gegen ein pauschales Verbot des unbestellten Hausbesuchs aus.
Kritik von Verbraucherschützern
Die Verbraucherschützer begrüßten die Gesetzesänderungen, hielten jedoch einige Punkte für kritikwürdig. Roland Stuhr vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) unterstützte die Einführung eines Schadensersatzanspruchs für Verbraucherinnen und Verbraucher im Lauterkeitsrecht. Für eine praxisnahe und unionsrechtskonforme Ausgestaltung seien allerdings einige Anpassungen erforderlich.
Die Verjährungsfrist beim Schadensersatzanspruch müsse verlängert werden, sie sei mit sechs Monaten viel zu kurz. Außerdem sollte eine Pflicht zur Einwilligung für Haustürbesuche eingeführt werden. Der Schutz bei sogenannten Kaffeefahrten müsse zudem nachgebessert werden.
„Eingriff mit erheblichen Auswirkungen“
Prof. Dr. Felix Buchmann von der Hochschule Pforzheim nahm Stellung zum geplanten Schadensersatz für Verbraucher. Die Änderung stelle zwar keinen Paradigmenwechsel im deutschen Lauterkeitsrecht dar, weil es ähnliche Regelungen in der Vergangenheit bereits gab, sei jedoch ein Eingriff, der erhebliche Auswirkungen haben werde. Die geplante Umsetzung dürfte in der vorgeschlagenen Form europarechtswidrig sein.
Buchmanns Pforzheimer Kollege Prof. Dr. Tobias Brönneke sprach sich für die Schaffung von Rechtsgrundlagen aus, die ein konsequentes gewerberechtliches Vorgehen gegen solche Unternehmer ermöglichen, die systematisch gesetzlich geschützte Verbraucherinteressen missachten, sowie für die Möglichkeit, von Verbänden erstrittene Gerichtsurteile ohne „unsinnige gerichtliche Parallelprozesse gegen inhaltsgleich rechtswidrig Handelnde“ verbindlich zu machen.
„Personalisierte Preise, überschießende Informationspflichten“
Professor Niko Härting vom Deutscher Anwaltverein (DAV) erklärte, der DAV habe sich nachdrücklich kritisch geäußert zu der stückweisen Umsetzung verschiedener Richtlinien in unterschiedlichen Gesetzespaketen. Dies erschwere allen Beteiligten den Überblick. Gesetzesänderungen, die nicht der Umsetzung der Richtlinie dienen und daher einer besonders kritischen Prüfung bedürfen, beträfen unter anderem personalisierte Preise sowie überschießende Informationspflichten für Online-Marktplätze.
In der Anhörung ging es um Gesetzentwürfe zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht (19/27873) und zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in Umsetzung der EU-Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union und zur Aufhebung der Verordnung zur Übertragung der Zuständigkeit für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 2006 / 2004 auf das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (19/27655) sowie einen Antrag der Fraktion der AfD mit dem Titel „Co-Regulierung als ergänzendes Instrument des Wettbewerbsrechts und des Verbraucherschutzes“ (19/25808).
Erster Gesetzentwurf der Bundesregierung
Mit dem Gesetzentwurf zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht (19/27873) will die Bundesregierung das deutsche Recht an die europäischen Entwicklungen anpassen. Verwiesen wird auf die EU-Richtlinie 2019 / 2161, die auf eine effektivere Sanktionierung grenzüberschreitender Verstöße gegen Verbraucherschutz-Vorschriften, den Zugang von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu Rechtsbehelfen sowie auf eine bessere Transparenz im Online-Handel abzielt.
Zudem ermögliche die Richtlinie den EU-Mitgliedstaaten, Regelungen zur Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken im Zusammenhang mit Verkaufsfahrten einzuführen. Unabhängig von diesen europäischen Entwicklungen hätten eine Reihe divergierender Entscheidungen deutscher Gerichte aus der jüngeren Vergangenheit gezeigt, so der Entwurf, dass im Hinblick auf das Influencer-Marketing gesetzgeberischer Klarstellungsbedarf dazu bestehe, in welchen Fällen Inhalte im Internet einem kennzeichnungspflichtigen kommerziellen Zweck dienen.
Zweiter Gesetzentwurf der Bundesregierung
Verschiedene Anpassungen des Bürgerlichen Gesetzbuches an eine EU-Richtlinie zum Schutz der Verbraucher sieht der zweite Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/27655). Dabei geht um missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klauselrichtlinie) sowie Anpassungen der EU-Verbraucherrechterichtlinie im Hinblick auf Verträge über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen.
Weitere wesentliche Änderungen, die mit diesem Gesetz umgesetzt werden sollen, betreffen die Einführung neuer Sanktionsvorschriften, die Einführung zusätzlicher Informationspflichten für Betreiber von Online-Marktplätzen und die Einführung einer Informationspflicht bei Personalisierung des Preises aufgrund automatisierter Entscheidungsfindung.
Antrag der AfD
Die AfD fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag mit dem Titel „Co-Regulierung als ergänzendes Instrument des Wettbewerbsrechts und des Verbraucherschutzes“ (19/25808) auf, einen rechtlichen Rahmen zu entwickeln, der es erlaubt, freiwillige Verhaltenscodes für die Gestaltung der Beziehungen zwischen Anbietern und Verbrauchern zu entwickeln und zu formulieren.
Die Einhaltung dieser Verhaltenscodes müsse die Regierung garantieren. Auch müsse sie Sanktionsmechanismen wie Vertragsstrafen oder Entzug von Gütesiegeln für den Fall der Nichtbeachtung durch die unterzeichneten Anwender der Codes einführen, heißt es in dem Antrag. (mwo/19.04.2021)