Zeit:
Mittwoch, 24. März 2021,
14
bis 15 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 300
Der Umgang mit sogenannten Risikogruppen bei Blutspenden sorgt weiter für kontroverse Diskussionen zwischen Medizinern und Verbänden. Während die Bundesärztekammer (BÄK) die befristete Rückstellung bestimmter Menschen mit sexuellem Risikoverhalten von der Blutspende rechtfertigt, sehen Schwulenverbände in der jetzigen Praxis eine Form der Diskriminierung, die neuere medizinische Erkenntnisse unberücksichtigt lasse. Die Experten äußerten sich anlässlich einer Anhörung des Gesundheitsausschusses unter Leitung von Erwin Rüddel (CDU/CSU) am Mittwoch, 24. März 2021, über Anträge der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und FDP in schriftlichen Stellungnahmen.
Die Sitzung wird am Donnerstag, 25. März, ab 12 Uhr zeitversetzt im Internet auf www.bundestag.de übertragen.
Anträge der Grünen und der FDP
Nach Ansicht der Grünen-Fraktion dürfen von der Blutspende nicht ganze Gruppen pauschal ausgeschlossen werden. Stattdessen sollten die tatsächlichen Risiken nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen rational abgewogen werden, heißt es in einem Antrag der Fraktion (19/19497). Die Abgeordneten fordern eine Änderung des Transfusionsgesetzes (TFG), wonach die BÄK zur Überprüfung der Richtlinie Hämotherapie mindestens einmal im Jahr verpflichtet wird. Dabei solle ein Verbot ungerechtfertigter direkter oder indirekter Diskriminierung verankert werden. In einem weiteren Antrag (19/17797) fordern die Grünen, die Diskriminierung von homosexuellen und transgeschlechtlichen Menschen bei der Blutspende zu beenden.
Ähnlich lautet die Forderung der FDP-Fraktion, die in einem Antrag (19/15260) dafür plädiert, das Blutspendenverbot für homosexuelle und transgeschlechtliche Menschen abzuschaffen. Die Nachfrage nach Blutspenden sei sehr hoch, die Versorgung mit Blutpräparaten werde zu einer immer größeren Herausforderung. Die Abgeordneten fordern, das Transfusionsgesetz so zu ändern, „dass eine Diskriminierung potenzieller Blutspender wegen ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität ausgeschlossen wird“.
„Von einem Blutspendeverbot kann keine Rede sein“
Die BÄK stellte klar, von einem Blutspendenverbot für homosexuelle und transgeschlechtliche Menschen könne keine Rede sein. Es sei ein Missverständnis, wenn verhaltensassoziierte, epidemiologisch begründete Infektionsrisiken, die ab der Beendigung des Risikoverhaltens zu einer zeitlich begrenzten Rückstellung von der Blutspende führten, fälschlicherweise mit einem Verbot oder gar mit Diskriminierung verwechselt würden.
Es sei notwendig, Personen mit sexuellem Risikoverhalten nicht zur Blutspende zuzulassen, um die Sicherheit der Empfänger zu gewährleisten. Nach Beendigung des Risikoverhaltens sei eine Zulassung zur Blutspende mit einer Latenzzeit möglich. Die BÄK fügte hinzu, die Zulassungskriterien zur Blutspende könnten und dürften nicht aus ihrem Regelungskontext gerissen und als Gradmesser für gesellschaftliche Akzeptanz oder Diskriminierung herangezogen werden.
„Sicherheit bei Blutprodukten und Plasmaderivaten gut“
Die Deutsche Hämophiliegesellschaft (DHG) erinnerte an das Leid, das durch die Blutübertragung gefährlicher Infektionskrankheiten in der Vergangenheit entstanden sei und nannte als Beispiele Hepatitis und Aids. Heute sei in Deutschland die Sicherheit bei Blutprodukten und Plasmaderivaten gut. Durch eine Lockerung des Ausschlusses von Personen mit sexuellen Infektionsrisiken würden die Sicherheitskriterien teilweise infrage gestellt.
Männer, die Sex mit Männern hätten (MSM), blieben aufgrund ihrer höheren Infektionslast bezüglich HIV und Syphilis Risikospender im Sinne der Blut- und Plasmasicherheit. Es gehe nicht um Diskriminierung von Minderheiten, sondern darum, den erreichten Sicherheitsstandard nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen.
„Aktuelle Regelung europarechts- und verfassungswidrig“
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) argumentierte hingegen, der dauerhafte Ausschluss von sogenannten Hochrisikogruppen sei in 1980er-Jahren mit dem Auftreten von Aids eingeführt worden. Seit 1984 könne HIV durch einen Bluttest nachgewiesen werden. Seither hätten sich die Nachweistechniken, Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten stark verbessert. Neuinfektionen bei MSM gingen seit Jahren deutlich zurück.
Die pauschale Einstufung aller MSM als Risikogruppe und eine Rückstellung für zwölf Monate sei heute nicht mehr nötig, um die Sicherheit der Blutspende zu gewährleisten, zudem sei die aktuelle Regelung europarechts- und verfassungswidrig.
„Rückstellungsfrist wissenschaftlich nicht zu begründen“
Die Deutsche Aidshilfe erklärte, die Definition des Sexualverhaltens schwuler Männer als pauschales Risikoverhalten sei inhaltlich falsch und diskriminierend. Eine Rückstellungsfrist zur Blutspende von mehr als einem Monat für alle sogenannten Risikogruppen sei wissenschaftlich nicht zu begründen.
Im Übrigen werde auch das sexuelle Risikoverhalten heterosexueller Menschen nicht näher definiert. (pk/24.03.2021)