Zuspruch, aber auch Kritik hat der Vorstoß der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für eine härtere Bestrafung von Tierquälerei ausgelöst. In einer Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft unter der Leitung von Alois Gerig (CDU/CSU) begrüßte ein Teil der Sachverständigen am Montag, 17. Mai 2021, den von der Fraktion vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches und des Tierschutzgesetzes (19/27752) als wichtigen Schritt, um Lücken im Tierschutzstrafrecht zu schließen. Andere zweifelten den praktischen Nutzen an und verwiesen auf strukturelle Ursachen für bestehende Defizite.
Gesetzentwurf der Grünen
Mit ihrem Gesetzentwurf zielen Bündnis 90/Die Grünen auf eine härtere und häufigere Bestrafung von Tierquälerei. So schlagen sie dazu unter anderem vor, Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes in das Kernstrafrecht zu überführen. Derzeit würden das Tierschutzgesetz und sein Vollzug dem Staatsziel Tierschutz im Grundgesetz nicht gerecht, begründen die Abgeordneten ihre Initiative.
Zentrale Mängel seien „erhebliche Kontrolldefizite“. Auch Vollzugsdefizite bei der Ahndung entdeckter Tierschutzstraftaten und zu geringe Strafandrohungen kritisiert die Fraktion.
„Tierschutzgesetz hat nicht den Stellenwert, den es haben sollte“
Diese Kritik teilte Dr. Kai Braunmiller von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Fleischhygiene, Tierschutz und Verbraucherschutz: Auch er beklagte, dass das Tierschutzgesetz bisher nicht „den Stellenwert“ in Rechtssetzung, Kontrolle sowie in der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten habe, den es als Staatsziel haben müsse.
Besonders augenfällig sei dies etwa im Bereich der gewerblichen Nutztierhaltung. Selbst schwere Verstöße würden „als Bagatelle“ interpretiert und zu selten geahndet, so der Fachtierarzt für Tierschutz und öffentliches Veterinärwesen. Um Kontrolle und Vollzug zu verbessern, plädierte er für die Bildung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften in den Ländern und Tierschutzrecht-Schulungen für Staatsanwälte.
„Personal für Tierschutzüberwachung und Strafverfolgung aufstocken“
Mehr geschultes Personal im Bereich der Tierschutzüberwachung und Strafverfolgung forderte auch die Bundestierärztekammer und begrüßte die Gesetzesinitiative der Grünen. Die Erweiterung des bislang „verhältnismäßig engen Strafrahmes“ könne dazu beitragen, das „Unrecht struktureller und systematischer Tierquälerei in Betrieben“ besser zu erfassen und zu ahnden, so die Arbeitsgemeinschaft der 17 Landes- und Tierärztekammern in Deutschland in ihrer Stellungnahme.
Bedauern äußerte ihre Vertreterin, Dr. Maria Dayen, allerdings darüber, dass der Gesetzentwurf vor allem auf die landwirtschaftliche Nutztierhaltung abstelle und über die Heimtierhaltung hinwegsehe. Gerade hier sei aber das bandenmäßige Vorgehen etwa im Bereich des illegalen Welpenhandels besonders gehäuft zu beobachten.
„Aufweichung von Tierschutzkriterien“ bei Wildtieren
Prof. Dr. Sven Herzog, Professor für Wildökologie und Jagdwirtschaft an der Technischen Universität Dresden, monierte zudem eine „zunehmende Tendenz zur Aufweichung von Tierschutzkriterien“ im Umgang mit Wildtieren: Klassische Elemente einer waidgerechten Jagd wie etwa der Muttertierschutz oder die Einhaltung von Schonzeiten würden zugunsten von ökonomischen Partikularinteressen aufgegeben.
Die geplante Gesetzesänderung löse dieses Problem jedoch nicht. Er monierte zudem eine mangelnde Zielgenauigkeit einzelner Formulierungen: So werde in der Praxis nicht einfach zu klären sein, ab wann man es mit „leichtfertiger und versuchter Tierquälerei“ zu tun habe, gab Herzog zu bedenken.
„Strafrecht ineffektivstes Mittel, um Tierschutz zu erhöhen“
Der Jurist Dr. Walter Scheuerl zog in Zweifel, ob es einer Gesetzesänderung überhaupt bedürfe. Ein flächendeckendes Vollzugsdefizit könne er nicht erkennen. Und selbst wenn – eine Änderung des Strafgesetzbuches sei das „trägste, langsamste und ineffektivste Mittel“, um dem Tierschutz zu dienen, so der Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten Medienrecht, gewerblicher Rechtsschutz und Lebensmittelrecht.
Effizienter ließen sich mögliche Vollzugsdefizite durch eine bessere Ausstattung der Veterinärämter beheben. Diese könnten unmittelbar bei Defiziten in Betrieben eingreifen und zum Beispiel Erträge einziehen. Solche Maßnahmen hätten eine „abschreckende Wirkung in der Branche“ und wirkten schneller als ein Strafverfahren.
„Keine zusätzliche Belastung der Vollzugsorgane“
Auch Dr. Christine Bothmann, Vizepräsidentin des Bundesverbands der verbeamteten Tierärzte, vertrat die Auffassung, härtere strafrechtliche Regelungen „auf dem Papier“ würden dem Anliegen, den Tierschutz in der Praxis zu stärken, nicht gerecht.
Es brauche keine zusätzliche Be-, sondern eine Entlastung der Vollzugsorgane, forderte sie. Sollten Staatsanwaltschaften künftig Fälle an sich ziehen, drohten „mehrjährige Verfahren, viel Ermittlungsarbeit und wenig Messbarkeit“ bei einer Verjährungszeit von drei Jahren.
„Differenzierung zwischen privaten und gewerblichen Tierhaltern fehlt“
Oberstaatsanwalt Dirk Bredemeier, Leiter der Zentralstelle für Landwirtschaftssachen in Oldenburg, kritisierte zudem, es mangele dem Entwurf an einer klaren Differenzierung zwischen privaten und gewerblich agierenden Tierhaltern.
Wenn auch für private eine Strafbarkeit für leichtfertiges Handeln eingeführt werde, könne dies zu einer „nicht abzuschätzenden Zahl von Ermittlungsverfahren gegenüber Bürgern führen“, warnte er.
„Verschiebung von Paragraf 17 systematisch problematisch“
Prof. Dr. Michael Kubiciel, Professor für deutsches, europäisches und internationales Straf- und Strafprozessrecht an der Universität Augsburg, riet von einer Verschiebung von Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes in das Strafgesetzbuch ab: Sie sei systematisch problematisch, da die Vorschrift aus dem Kontext gelöst würde, der Anwendung und Interpretation der Norm leite.
Außerdem sei die Verschiebung auch gar nicht notwendig. Regionale Vollzugsdefizite sah der Experte strukturell bedingt: „Eine Verschiebung eines Straftatbestandes von einem Gesetzestext in den anderen ändert daran nichts.“
„Klares Signal“ für Tierschutz
Dies sah schließlich Prof. Dr. Elisa Marie Hoven, Professorin für deutsches und ausländisches Straf- und Strafprozessrecht an der Universität Leipzig, gänzlich anders: Dass die gegenwärtige Rechtslage dem Staatsziel Tierschutz nicht gerecht werde, liege nicht nur an „praktischen Anwendungswidrigkeiten“, sondern auch an der normativen Ausgestaltung von Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes.
Der Vorstoß der Grünen sei „äußerst begrüßenswert“, insbesondere die im Entwurf vorgesehene Integration von Paragraf 17: Diese setze ein „klares Signal an Öffentlichkeit und Justiz, dass der Tierschutz ernst genommen wird“, so Hoven. „Symbolik“ sei dies keineswegs, denn ein Grund für die zurückhaltende Anwendung durch die Staatsanwaltschaften sei deren fehlende Vertrautheit mit dem Tierschutzstrafrecht. Die darin vorgesehene Schaffung des Straftatbestands der „leichtfertigen und versuchten“ Tierquälerei schließe zudem eine Lücke. (sas/18.05.2021)