Kinderkommission

Jugendliche fordern Handeln statt Reden beim Umwelt- und Klimaschutz

Mit der „Generationenaufgabe Klimawandel“ hat sich die Kinderkommission des Deutschen Bundestages (KiKo) am Mittwoch, 3. März 2021, beschäftigt. Das sei ein Thema, das viele junge Menschen mobilisiert habe, sagte die Vorsitzende Charlotte Schneidewind-Hartnagel (Bündnis 90/Die Grünen), die die Sitzung leitete. 

Zu Gast waren Klimaaktivistinnen von Fridays for Future Berlin. Außerdem Mitglieder des Jugendprojektbeirat der Studie „Zukunft? Jugend fragen! 2019“ sowie Maike Gossen vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung. 

Handeln statt Reden

Die Politik müsse endlich handeln, statt nur zu reden. Das forderten die Schülerinnen und Klimaaktivistinnen Hannah Pirot und Samira Ghandour von Fridays for Future Berlin. Die Zeit dränge, die Herausforderungen würden mit jeder Sekunde, die verstreiche, größer. Und am Ende sei es die jüngere Generation, die den Kopf hinhalten müsse, sagte Ghandour. 

Die Politik müsse „wirklich zuhören mit dem Herzen“, so Pirot. Es fehle an Empathie, an Betroffenheit. Zwar sei Fridays for Future präsent. „Deutschlandweit waren wir 1,4 Millionen Menschen auf den Straßen“, sagte Ghandour. Trotzdem passiere nichts. Die Schülerinnen fordern, dass die Politik Verantwortung übernehme. Schließlich sei es ihre Aufgabe, zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen. 

Stattdessen sei das Klimapaket vielmehr ein „Klimapaketchen“, der Kohleausstieg eher ein Einstieg. Man müsse auf die Wissenschaft hören, sagte Ghandour. „Es gibt langsam keine Ausreden mehr – es reicht.“ Die Schülerinnen fordern unter anderem den Kohleausstieg und eine rein erneuerbare Energieversorgung bis 2030. „Wir sind das erste Symptom und die letzte Warnung“, sagte Pirot. „Wir streiken bis ihr handelt.“

Studie „Zukunft? Jugend fragen!“

Umweltbewegungen wie Fridays for Future verfügten über ein großes Mobilitätspotenzial und eine hohe Akzeptanz, sagte Maike Gossen, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW). Seit 2017 führt das Institut alle zwei Jahre im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und des Umweltbundesamtes die Studie „Zukunft? Jugend fragen!“ durch.

Das Ziel sei, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu Einstellungen und Verhaltensweisen junger Menschen zu verschiedenen Themen des Umwelt- und Klimaschutzes zu erarbeiten, sagte Gossen. Im Mittelpunkt stehe die Onlinebefragung von rund 1.000 jungen Menschen im Alter von 14 bis 22 Jahren. 

Umwelt- und Klimaschutz als wichtigstes Problem 

Die Befragung zeige den hohen Stellenwert, den Umwelt- und Klimaschutz bei Jugendlichen einnähmen, sagte Gossen: In der Studie von 2019 landete das Thema auf Platz eins bei der Frage nach den wichtigsten gesellschaftlichen Problemen, gefolgt vom Zustand des Bildungswesens und sozialer Gerechtigkeit. 

Mehr als 60 Prozent der Befragten gaben zudem an, dass jede und jeder Einzelne einen wichtigen Beitrag für Umwelt- und Klimaschutz in Deutschland leisten könne. Auf Platz zwei landete die Industrie, dicht dahinter die Bundesregierung. Befragt nach ihrem Engagement, antwortete mehr als die Hälfte der Jugendlichen, schon einmal eine Online-Aktion und Online-Petition unterstützt zu haben. Etwa jede oder jeder Dritte sei bereits auf einer Demonstration gewesen und etwa ein Viertel mache bei Fridays for Future mit. 

Corona-Pandemie und Klimawandel

In der diesjährigen Studie, durchgeführt im Januar und Februar, standen laut Gossen folgende Themen im Mittelpunkt: die Wahrnehmung multipler Krisen, Social-Media-Nutzung und Umwelt- und Klimaschutz sowie kollektives Engagement und Fridays for Future. Ein vorläufiges Ergebnis sei, dass aus Sicht der Jugendlichen die Corona-Pandemie die Umwelt- und Klimathematik aus der öffentlichen Diskussion verdränge. 

Sie erwarte jedoch, sagte Gossen, dass das hohe Interesse und Engagement junger Menschen beim Umwelt- und Klimaschutz bestehen bleibe. Jugendpartizipation und politische Teilhabe seien wichtige Bestandteile einer zukunftsfähigen Politik. Auch wenn es nicht „die eine Jugend“ gebe, wie die IÖW-Mitarbeiterin betonte. Weil sich Einstellungen und Verhaltensweisen unterschieden, differenziere das Institut zwischen drei Jugendtypen: den Idealistischen (35 Prozent), den Pragmatischen (39 Prozent) und den Distanzierten (26 Prozent).

Zehn Forderungen an die Umweltpolitik

Auch die Studie setzt auf eine intensive Beteiligung junger Menschen. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Jugendprojektbeirat, der die Studie begleitet. Dante Davis und Nils König, Mitglieder des Beirates, formulierten in der KiKo seine zehn Forderungen an die Umweltpolitik: Internationale Klimaziele müssten eingehalten werden, sagte König. Es brauche eine konsequente Mobilitätswende und ein Umdenken bei der Landwirtschaft, subventioniert werden solle nur noch Bio-Landwirtschaft. Das Thema Nachhaltigkeit müsse fest im Lehrangebot verankert werden, und es brauche eine repräsentative Jugenddelegation auf Bundesebene.

Darüber hinaus müsse die Energiewende konsequent umgesetzt werden, ergänzte Dante. Es brauche zudem einen Fokus auf soziale Gerechtigkeit beim Umwelt- und Klimaschutz. Auch fordere der Beirat, nachhaltiges Leben in der Stadt und auf dem Land zu fördern, eine nachhaltige Digitalisierung, Plastikverbrauch zu reduzieren sowie Mülltrennung und Recycling voranzubringen. 

Wie die beiden Klimaaktivistinnen von Fridays for Future Berlin sehen auch Davis und König eine Diskrepanz zwischen Reden und Handeln. Zwar würden junge Menschen gehört, aber daraus folge nichts. Auch werde das Thema Klimawandel oft verdrängt. „Vieles wird ausgesessen und ignoriert“, sagte König. „Da muss noch viel passieren.“ (irs/03.03.2021)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Hannah Pirot und Samira Ghandour, Fridays for Future Berlin
  • Maike Gossen, Institut für ökologische Wirtschaftsforschung
  • Dante Davis und Nils König, Jugendprojektbeirat Jugendstudie „Zukunft? Jugend fragen! 2019“

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