Millionen Schüler sind seit Dezember im Homeoffice. Experten, Lehrer und Eltern warnen davor, dass viele Kinder nicht nur unter psychischen Folgen von Einsamkeit und mangelnden Begegnung leiden, sondern auch bezüglich des Lernstoffes große Rückstände aufbauen. Praktisch alle Fraktionen beklagten diese Situation in der Debatte zum Nationalen Bildungsbericht „Bildung in Deutschland 2020“, über den der Bundestag am Donnerstag, 4. März 2021, nebst der Stellungnahme der Bundesregierung dazu eine Stunde lang beraten hat (19/24780).
Obwohl Bildung in erster Linie in die Kulturhoheit der Länder fällt, engagiert sich der Bund seit ein paar Jahren immer stärker im Bildungsbereich. Aus Sicht der Opposition allerdings mit mangelndem Erfolg und auch mit zu geringem Engagement. Dr. Götz Frömming (AfD) warf Bundesministerin Anja Karliczek (CDU) Beschönigung der Situation vor, der FDP-Abgeordnete Dr. h. c. Thomas Sattelberger nannte den Bundesbildungsbericht 2020 einen „Armutsbericht“, Birke Bull-Bischoff (Die Linke) warf Karliczek vor, die Rede einer „Märchentante“ gehalten zu haben, und Margit Stumpp (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von „eklatanten Mängeln des Bildungssystems“.
Bildung in einer digitalisierten Welt
Auch wenn der Bildungsbericht Titelthema der Debatte war, so merkten mehrere Redner an, dass die erhobenen Daten noch von vor der Pandemie stammen, der Bericht also die aktuellen Entwicklungen in der Bildungslandschaft nicht abbilde. Der Bericht, der zum achten Mal vorliegt, bietet einen Überblick über das gesamte Bildungswesen in Deutschland – von der frühen Bildung über schulische, hochschulische und berufliche Bildung bis zur Weiterbildung von Erwachsenen.
Schwerpunktkapitel des Berichts ist das Thema „Bildung in einer digitalisierten Welt“. Der Bericht erscheint alle zwei Jahre und wird von einer unabhängigen wissenschaftlichen Autorengruppe erstellt. Die Autoren unterstreichen, dass die Bildungsausgaben seit 2010 kontinuierlich steigen und 2018 bei rund 218,3 Milliarden Euro gelegen haben. Allerdings verbleibe ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit 2014 auf relativ konstantem Niveau von circa 6,5 Prozent.
Ministerin: Überall herrscht Aufbruchstimmung
Bundesministerin Anja Karliczek (CDU) hob in der Sitzung die Chancen der Digitalisierung des Bildungssystems hervor. Sie gestand ein, das es eine Weile gedauert habe, bis der Digitalpakt Schule, der mit 6,5 Milliarden Euro ausgestattet ist, ins Laufen gekommen sei. Inzwischen aber arbeite die große Mehrheit der Schulen mit digitalen Arbeits- und Lernplattformen. Der Digitalpakt Schule wurde 2019 mit ursprünglich fünf Milliarden Euro für den Aufbau der digitalen Infrastruktur an den Schulen aufgelegt, um etwa schuleigenes WLAN installieren zu können oder auch um Smartboards anschaffen zu können.
In der Corona-Krise war er dann um 1,5 Milliarden Euro aufgestockt worden. Unter anderem sollte das Geld für die Anschaffung von Leihgeräten für bedürftige Schüler genutzt werden, Dienstlaptops für Lehrer sollten angeschafft und die IT-Administratoren für die Schulen finanziert werden. Lange war jedoch kaum Geld aus diesem Topf in den Schulen angekommen. Karliczek betonte, das habe sich geändert, die jüngsten Berichte aus allen Ländern zeigten Fortschritte. Die Ministerin sagte: „Natürlich macht mich der aktuelle Zustand nicht zufrieden, und natürlich hätten wir uns schnellere Umsetzung gewünscht. Aber mein Blick nach vorne ist positiv. Überall herrscht Aufbruchstimmung.“
Karliczeks Rede wurde von großer Unruhe seitens der Opposition begleitet. Unter anderem warf die Abgeordnete Bull-Bischoff (Die Linke) in einem Zwischenruf ein, dass der Abfluss aus dem Digitalpakt bis in die Gegenwart lediglich bei 28 Prozent liege.
AfD: Permanenter Schullockdown „nicht alternativlos“
Götz Frömming (AfD), der sich direkt an Anja Karliczek richtete, sagte: „Sie haben versucht zu beschönigen, wo es nichts mehr zu beschönigen gibt.“ Etwas mehr Mut zur Wahrheit hätte der Ministerin in der derzeitigen Lage gut zu Gesicht gestanden. Frömming rechnete vor, dass die Zahl der psychisch erkrankten Schüler während des Lockdowns dramatisch zugenommen habe, wie eine Studie der Universitätsklinik Hamburg nachweise. Fast jedes dritte Kind zeige inzwischen Hinweise auf psychische Belastungsstörungen. Eine aktuelle Auswertung der DAK komme zu dem Ergebnis, dass sich im ersten Halbjahr 2020 Einweisungen junger Menschen in die Psychiatrie fast verdoppelt hätten. Frömming machte deutlich, dass man auch andere politische Wege hätte einschlagen können. Der Blick nach Frankreich zeige, dass der permanente Schullockdown „nicht alternativlos“ sei. In Frankreich seien die Schulen offen geblieben.
Des Weiteren ging Frömming auf den Bildungsbericht ein und kritisierte, dass es immer weniger Hauptschulen gebe und immer mehr Abgänger ohne Schulabschluss. Die Gruppe der Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss sei noch einmal um 20 Prozent gestiegen, obwohl es das Ziel des Bildungsgipfels in Dresden im Jahr 2008 gewesen sei, die Zahl der Schulabbrecher zu halbieren.
SPD: Bildungssystem ist durchlässiger geworden
Auch Bärbel Bas (SPD) zeigte sich mit der Situation im Bildungsbereich unzufrieden, wenngleich sie am Anfang ihrer Rede die Erfolge herausstellte. Auch sie wies darauf hin, dass die Bildungsausgaben insgesamt gestiegen seien und der Bildungsstand sich verbessert habe, das Bildungssystem durchlässiger geworden sei. Man müsse aber auch die Defizite ansprechen, die beispielsweise im Bereich der Digitalisierung vorhanden seien. Es sei gut, dass die Koalition den Digitalpakt Schule ins Leben gerufen und mit viel Geld ausgestattet habe.
Sie kritisierte jedoch, dass nach wie vor zu viele Mittel liegen bleiben würden. Sie warf Karliczek vor, nicht genug Initiative zu ergreifen. Bas forderte die Koalition insgesamt auf, sich stärker für mehr gleichwertige Bildungschancen einzusetzen und sagte: „Das muss besser werden, das ist ein großes Defizit.“ Auch sie betonte, dass zu viele Kinder ohne Abschluss aus der Schule gehen würden. Sie sagte: „Das war vorher schon so, und die Pandemie wird das noch verschärfen.“ Bas forderte ein zeitnahes Konzept für Nachhilfe und mehr Kräfte, die die Lehrer und Lehrerinnen unterstützen.
FDP: Untaugliches Übergangssystem rasch reformieren
Man wolle sich gar nicht vorstellen, wie der Bildungsbericht 2022 ausfallen werde, der das Bildungsfiasko in voller Tragweite abbilden werde, sagte Thomas Sattelberger (FDP). Schon der Bildungsbericht 2020 sei ein „Armutsbericht“, wenn man ihn mit dem von 2018 vergleiche. Auch er erwähnte die hohe Zahl der Hauptschulabgänger ohne Abschluss und betonte, dass darüber hinaus rund 30 Prozent der Schulabgänger keine voll qualifizierende Ausbildung beginnen und im „Dschungel des Übergangssystems“ landen würden.
Von dort gelinge gerade mal der Hälfte der Sprung in eine Ausbildung. Mittlerweile sei die Zahl von jungen Menschen zwischen 20 und 35 Jahren, die keine berufliche Ausbildung hätten, auf 1,5 Millionen gestiegen. Sattelberger warnte: „Die Kompetenzverluste durch die Pandemie werden die Situation dramatisch verschlechtern.“ Nachhilfe allein reiche nicht. Sattelberger forderte, das „untaugliche Übergangsystem“ rasch zu reformieren.
Linke: Regierung hat ein Glaubwürdigkeitsproblem
Birke Bull-Bischoff (Die Linke) fragte in Richtung Karliczek: „In welcher Welt leben Sie?“ Und forderte sie auf: „Lassen Sie sich die Anrufe aus den Schulen durchstellen.“ Bull-Bischoff betonte, dass Schüler aus armen Verhältnissen dies auch in den Schulen und in ihrer Schullaufbahn spüren würden. Sie sagte: „Kinder werden in Deutschland abhängig von den Verhältnissen platziert, aus denen sie kommen.“ Das sei ein jahrzehntelanger beschämender Befund.
Bull-Bischoff sagte: „Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Glaubwürdigkeitsproblem, allen voran die Bundesregierung.“ Sie forderte, den Mangel an Lehrern, an Schulsozialarbeit und an digitaler Infrastruktur zu beheben. Geld, Ressourcen, öffentliche Aufmerksamkeit und auch der Mangel selbst seien ungleich verteilt. Geld und Ressourcen müssten vor allem dahin fließen, wo sie gebraucht werden. Sie forderte einen Sozialindex und sprach sich gegen den Königsteiner Schlüssel aus. Im Königsteiner Schlüssel ist festgelegt, wie die einzelnen Bundesländer an gemeinsamen Finanzierungen zu beteiligen sind. Der Anteil, den ein Land tragen muss, richtet sich zu zwei Dritteln nach dem Steueraufkommen und zu einem Drittel nach der Bevölkerungszahl.
Grüne: Bildungserfolg hängt vom Elternhaus ab
Der Nationale Bildungsbericht zeige, dass die Regierung die eklatanten Mängel des Bildungssystems hinnehme, ohne sich darum zu kümmern, sagte Margit Stumpp und resümierte: „Die Analyse bezieht sich noch auf die Zeit vor der Pandemie. Man kann sich heute schon ausmalen, wie verheerend die nächste Zustandsbeschreibung ausfallen wird.“ Offensichtliche Mängel seien jahrzehntelang ignoriert worden. An die Adresse von Karliczek gerichtet sagte sie, wer jetzt einen bildungspolitischen Aufbruch spüre, dem könne man ruhig „Realitätsverlust bescheinigen“.
Auch sie kritisierte, dass der Bildungserfolg nach wie vor vom Elternhaus abhänge. Risikolagen wie geringe Finanzen und formal gering qualifizierte Eltern seien gerade bei Alleinerziehenden und Familien mit Migrationshintergrund besonders zahlreich. Das Ergebnis sei, das die Zahl der Abiturienten stagniere und die Zahl der Abgänger ohne Abschluss steige, die Lebenschancen der Kinder würden sinken. Sie sagte: „Das Versprechen des Aufstieg durch Bildung wird immer seltener eingelöst.“
CDU/CSU: Digitalisierung unzureichend
Gegen die Vorwürfe der Opposition zum Nationalen Bildungsbericht wehrte sich Albert Rupprecht (CDU/CSU). An den FDP-Abgeordneten Sattelberger gerichtet sagte Rupprecht: Der Bericht biete überhaupt keinen Grund für eine „derartige Skandalisierung“. Er warf Sattelberger vor, keine Lösungen vorzuschlagen. Rupprecht zählte noch einmal die Erfolge wie die Erhöhung des Bildungsstands und die Erhöhung der Durchlässigkeit des Bildungssystems auf. Die Ausgaben für Bildung hätten sich gegenüber 2010 um 30 Prozent erhöht. Zudem gehe die Zahl der Schulkinder zurück, während gleichzeitig die Zahl der Lehrkräfte steige.
Auch er kritisierte unter anderem die Digitalisierung als „unzureichend“. Rupprecht fasste zusammen: Man müsse fragen, welche politischen Konzepte funktionieren und welche nicht. Dabei verwies er darauf, dass überall da, wo die Union lange regiert, wie etwa in Bayern und Sachsen, die Schulqualität und die Mathematikkompetenz höher sei und auch die Integration deutlich besser klappe als in SPD-geführten Ländern. Auch wenn Rupprecht den Ländern an sich durchaus zugestand, die Möglichkeiten und Mittel zu haben, gute Bildungspolitik zu gestalten, regte er an, den kooperativen Föderalismus weiterzuentwickeln.
Vier neue Oppositionsanträge
Ebenfalls erstmals beraten wurden ein Antrag der AfD zu den Konsequenzen aus dem Bildungsbericht (19/27203) und zwei Anträge der FDP-Fraktion, die Übergangssystem und duale Berufsausbildung erneuern will (19/22298) und fordert, die Arbeitswelt durch „individuelle Bildungswege, Digitalisierung und Internationalisierung fit für die Zukunft“ zu machen (19/27120). Den ersten FDP-Antrag (19/22298) überwies der Bundestag zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales. Die FDP konnte sich mit ihrem Wunsch auf Federführung beim Bildungs- und Forschungsausschuss nicht durchsetzen, obwohl sie darin von den anderen Oppositionsfraktionen unterstützt wurde. Die beiden anderen Anträge werden federführend im Bildungs- und Forschungsausschuss weiterberaten.
Neu auf der Tagesordnung stand auch ein Antrag der Fraktion Die Linke, die sich ebenfalls für eine Reform des Übergangssektors von der Schule in die Berufsbildung ausspricht (19/24688). Auch hier entschied sich die Koalitionsmehrheit gegen das Votum der Opposition für eine federführende Beratung im Ausschuss für Arbeit und Soziales, obwohl die Antragsteller die Federführung beim Bildungs- und Forschungsausschuss bevorzugt hätten.
Oppositionsanträge abgelehnt
Abgestimmt wurde zudem über vier Anträge der Liberalen: Darin forderten sie unter anderem mehr und frühere Förderung Künstlicher Intelligenz (19/14033, 19/14034). Den ersten Antrag lehnten alle übrigen Fraktionen ab, den zweiten nur die Koalitionsfraktionen, während sich AfD, Linke und Grüne enthielten. Der Ausschuss für Bildung, Folgen und Technikfolgenabschätzung hatte zu beiden Vorlagen Beschlussempfehlungen vorgelegt (19/16957, 19/15757).
Weitere Forderungen der FDP bezogen sich auf ein Corona-Programm für berufliche Bildung (19/19514) und die Bewahrung von „Pandemie-Erfahrungen und Know-how von Lehrer und Zivilgesellschaft“ (19/23119). Den ersten Antrag lehnten die Koalitionsfraktionen und die Linksfraktion ab, während AfD und Grüne sich enthielten. Den zweiten lehnten die Koalitionsfraktionen, die AfD und die Linksfraktion ab, während die Grünen mit der FDP dafür stimmten. Zum letztgenannten Antrag lag eine Beschlussempfehlung des Bildungs- und Forschungsausschusses vor (19/27176 Buchstabe a).
Abgelehnt wurde überdies mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen ein Antrag der AfD-Fraktion zur Stärkung der beruflichen Bildung (19/22193), zu dem eine Beschlussempfehlung des Bildungs- und Forschungsausschusses vorlag (19/27048). Einen Antrag der Linken zur Unterstützung für Schulen in der Pandemie (19/24450) lehnten die Koalitionsfraktionen und die AfD ab, während die Grünen mit der Linken dafür stimmten und die FDP sich enthielt. Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hatte dazu eine Beschlussempfehlung vorgelegt (19/27176 Buchstabe b).
Nationaler Bildungsbericht 2020
Im Nationalen Bildungsbericht (19/24780) heißt es, der langjährige Trend zu höherer Bildungsbeteiligung und höheren Abschlüssen schlage sich in einem steigenden Bildungsstand der Bevölkerung nieder. Immer mehr Menschen verfügten über Hochschulreife und einen Hochschulabschluss, betonen die Autoren. Sie unterstreichen die sehr guten Arbeitsmarktchancen für junge Menschen nach dem Abschluss eines Studiums. Die neuen Abschlüsse Bachelor und Master seien inzwischen fest etabliert und führten größtenteils in eine qualifikationsangemessene Erwerbstätigkeit.
Zudem heben die Experten die zunehmende Durchlässigkeit im Bildungssystem hervor. Eine Entkopplung von Schulabschlüssen bestimmter Schularten sowie die Verknüpfung beruflicher Bildungsgänge mit höher qualifizierenden Bildungszertifikaten etwa durch den Erwerb von Studienberechtigungen an Fachoberschulen oder beruflichen Gymnasien ermöglichten den Menschen flexible Bildungswege.
Mehr junge Menschen ohne Hauptschulabschluss
Allerdings setzt sich der langjährige Trend zu höheren Bildungsabschlüssen laut Bericht nicht überall fort. Mit Sorge sei zu betrachten, dass neuerdings wieder mehr junge Menschen die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen. 2018 waren es 6,8 Prozent im Gegensatz zu 2013, wo ein bisheriger Tiefststand von 5,7 Prozent erreicht worden war.
Unter den Abgängern ohne Abschluss seien immer weniger Förderschülerinnen und Förderschüler. „Das heißt, dass der Anstieg ausschließlich auf vermehrte Abgänge ohne Abschluss aus den anderen Schularten zurückgeht“, schreiben die Autoren. Um diesem Trend zu begegnen, verweist die Bundesregierung auf zahlreiche Initiativen zur Unterstützung und betont, dass frühe Förderung ein wichtiger Grundstein für Bildungserfolg sei.
Neuer Antrag der AfD
Die Zahlen zum Bildungsstand der Bevölkerung, die im Nationalen Bildungsbericht genannt seien, seien alarmierend, schreibt die AfD in ihrem überwiesenen Antrag (19/27203). Gemeinsam mit den Bundesländern solle die Bundesregierung deshalb Maßnahmen in die Wege leiten, die etwa darauf zielen, den Anteil der Schüler ohne Hauptschulabschluss wieder zu verringern.
So sollten Jugendliche ohne Abschluss nicht zuletzt nachträglich für einen Hauptschulabschluss qualifiziert werden. Hierbei gelte es insbesondere junge Männer in den Blick zu nehmen. Des weiteren fordert die Fraktion Konzepte, „die eine hochwertige frühkindliche Betreuung sicherstellen“.
Erster neuer Antrag der FDP
Der erste überwiesene Antrag der FDP-Fraktion (19/22298) zielt darauf ab, das Übergangssystem und die duale Berufsausbildung zu erneuern. Um die Zahl der jungen Menschen ohne berufsqualifizierenden Abschluss drastisch zu reduzieren, soll das berufliche Übergangssystem so reformiert werden, dass die Maßnahmen im Übergangssystem so schnell wie möglich input- wie outputbasiert evaluiert und die dabei erhobenen Daten in die jährlichen Berufsbildungsberichte ab 2021 integriert werden.
Ferner solle das Übergangssystem übersichtlich und effizient gestaltet und mittelfristig auf nur ein erfolgversprechendes Programm reduziert werden, sodass am Ende eine große, individuell wie regional auszugestaltende Lösung mit einem Titel, einem Zertifikat, einer Dachmarke, einer Finanzierung und einer Evaluierung bestehen bleibt.
Zweiter neuer Antrag der FDP
In ihrem zweiten überwiesenen Antrag (19/27120) fordert die FDP die Bundesregierung unter anderem auf, eine selbstbestimmte berufliche Entwicklung und ein breiteres Spektrum beruflicher Bildungswege zu fördern, indem berufsübergreifende Kernkompetenzen und die Definition gemeinsamer Ausbildungsmodule gestärkt werden. Dazu sollen die Sozialpartner für alle Berufe gemeinsame Berufsfelder, also Gruppen ähnlicher Berufe, identifizieren.
Stärken wollen die Liberalen auch Brücken für Ungelernte in eine formale Qualifikation durch die optionale Verlängerung der Ausbildungsdauer auf vier Jahre. Sie schlagen zudem einen Ausbau der Einstiegsqualifizierung und eine bundesweite wissenschaftliche Evaluation mit dem Ziel vor, die Bund- und Länderprogramme im Übergangssystem zu bündeln sowie die Teilqualifizierung einschließlich der Werbung für ihre tarifliche Anerkennung auszubauen. Bildungsgänge mit doppelt qualifizierenden Abschlüssen (Schul- plus Berufsabschluss, Berufs- plus Studienabschluss, Berufs- plus Fortbildungsabschluss) und zielgruppenspezifische Fast-Track-Programme mit verkürzter Ausbildungsdauer will die Fraktion ausweiten. Sie plädiert überdies dafür, die Aufstiegsfortbildungsförderung dadurch zu verbessern, dass die Förderungsfähigkeit mehrerer Fortbildungen auf derselben Fortbildungsstufe erweitert wird. Auch für Teilzeitfortbildungen sollte der Beitrag zum Lebensunterhalt ausgezahlt werden können.
Neuer Antrag der Linken
Eine „Reform des Übergangssektors von der Schule in die Berufsausbildung“ fordert die Fraktion Die Linke in ihrem überwiesenen Antrag (19/24688). Die Fraktion tritt dafür ein, eine wissenschaftliche Evaluation der bisherigen Reformen des Übergangsbereichs in den Bundesländern vorzunehmen, um Erfolgsfaktoren flächendeckend zu übertragen und erfolglose Maßnahmen zu beenden. Zudem soll eine regelmäßige Evaluation durchgeführt werden, die die Effektivität und Effizienz aller Bildungsangebote im Übergangssektor überprüft.
Der Übergangssektor in seiner derzeitigen Form und Ausrichtung ist nach Ansicht der Linken „zum Verschiebebahnhof und zur Warteschleife“ für junge Menschen geworden. Im Dickicht der Maßnahmen des Übergangsbereichs und seiner Selektionsmechanismen scheiterten junge Menschen an diesen Strukturen, anstatt gezielte Unterstützung zum schnellen Übergang in eine gute und qualitative hochwertige Berufsausbildung zu erhalten. Es liege hier ein dringender Reformbedarf vor.
Erster abgelehnter Antrag der FDP
Der erste abgelehnte Antrag der Liberalen (19/14033) enthielt die Forderung an die Bundesregierung, die Entwicklung klarer Standards zu fördern, in welcher Form „Learning Analytics“ – also die Sammlung, Analyse und Auswertung von Lerndaten – an Schulen eingesetzt werden darf. Eltern sowie Schülerinnen und Schüler sollten aufgeklärt werden, wie Learning Analytics funktioniert, wie Daten verwendet werden, welche Chancen sich daraus ergeben und welche Rechte sie haben, schrieb die FDP-Fraktion.
Zudem sollte der Einsatz von Learning Analytics durch eine Weiterentwicklung der Qualitätsoffensive Lehrerbildung unterstützt werden, hieß es in dem Antrag.
Zweiter abgelehnter Antrag der FDP
Im zweiten abgelehnten Antrag (19/14034) verlangte die FDP-Fraktion, die Bürger beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) fit zu machen. „Je weiter das Grundverständnis über die Funktionsweise von Algorithmen und ihre Anwendungsmöglichkeiten und -grenzen verbreitet ist, desto besser ist unsere Bevölkerung auf die Arbeitswelt von morgen vorbereitet“, schrieben die Abgeordneten.
Die Bundesregierung forderten sie unter anderem dazu auf, eine deutsche Übersetzung des finnischen „Elements of AI“-Kurses zu vereinbaren, den Kurs für Zielgruppen mit unterschiedlichen Bildungsabschlüssen zu differenzieren und die Finanzierung der Infrastruktur und regelmäßige Aktualisierungen der Kursinhalte dauerhaft im Rahmen der KI-Strategie oder des Zukunftsfonds Digitale Arbeit und Gesellschaft sicherzustellen.
Dritter abgelehnter Antrag der FDP
Die FDP forderte in ihrem dritten abgelehnten Antrag (19/19514) unter anderem, die Ausbildungsfähigkeit von Unternehmen mit einer Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung zu stärken. Dazu schlug sie transparent kommunizierte Öffnungsstrategien für alle Branchen vor. Die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgeschäden der Corona-Pandemie seien zu minimieren, auf willkürliche Detailregelungen für einzelne Branchen sollte verzichtet werden.
Auch verlangte die Fraktion die Einführung einer negativen Gewinnsteuer, durch die von der Corona-Krise betroffenen Unternehmen durch die Finanzämter eine Liquiditätssoforthilfe ausgezahlt werden kann. Dabei sollte der letzte Steuerbescheid als Bemessungsgrundlage dienen. Auszubildende und Ausbildungsbetriebe sollten bei der Überbrückung eingeschränkter Ausbildungsmöglichkeiten unterstützen werden, indem etwa die Einstiegsqualifizierung als betriebsnahe Maßnahme gestärkt wird. Sie müsse auf einen zeitnahen, anrechenbaren Übergang in eine reguläre betriebliche Ausbildung ausgerichtet sein. Auszubildenden sollte bereits in den ersten sechs Wochen der betrieblichen Kurzarbeit Kurzarbeitergeld gezahlt werden. Die gesetzliche Pflicht der Betriebe zur Auszahlung der vollen Vergütung wollten die Liberalen beibehalten.
Vierter abgelehnter Antrag der FDP
„Pandemie-Erfahrungen beim Schulunterricht nicht vergessen – Know-how von Lehrern und Zivilgesellschaft auf Dauer heben“ lautete der Titel eines Antrags des vierten abgelehnten Antrags der FDP-Fraktion (19/23119). Danach sollten zusammen mit den Ländern Abstimmungen in die Wege geleitet werden, um die positiven Erfahrungen mit digitalen Unterrichtsangeboten im Regelbetrieb nicht verloren gehen zu lassen. Hierzu sollten „Best-Practice-Konzepte“ zu digitalen Lernkonzeptionen für Unterrichtseinheiten bundesweit zusammengeführt und deren Nutzung im Unterricht ermöglicht werden. Hierbei könnten nach Ansicht der FDP-Fraktion jahrgangs- oder schultypbezogene Lösungen, beispielsweise Art und Weise des Einsatzes von „Blended Learning“-Modulen oder ähnlichem genutzt werden.
Ferner sollte hierarchieübergreifendes gemeinschaftliches Out-of-the-Box-Denken forciert und es sollten gegebenenfalls temporäre Lösungen ermöglicht werden, um Gruppengrößen zu verkleinern. Dies erfordere zunächst einen organisatorischen Mehraufwand, vor allem in Bezug auf den Personaleinsatz bei Betreuung und Beschulung, aber auch bei Reinigung und Catering. Doch kleinere Gruppen stellten einen besseren Infektionsschutz dar.
Gleichwohl machte die FDP deutlich, dass die 5-Tage-Schulwoche für Schüler und die 40-Stunden-Woche für Lehrerinnen und Lehrer erhalten bleiben sollte. Ferner sollte eine Auftaktveranstaltung „Best-Practice-Schulorganisationen in Pandemie-Zeiten“ durchgeführt werden, um das in Bildungsinstitutionen vorhandene Know-how zusammenzutragen und kurzfristig organisatorische Empfehlungen zu erarbeiten, um den Regelschulbetrieb zu optimieren.
Abgelehnter Antrag der AfD
Die AfD wollte mit ihrem abgelehnten Antrag (19/22193) die berufliche Bildung stärken und so Deutschlands Wohlstand sichern. Die Fraktion setzte sich dafür ein, dass Ausbildungsbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern dauerhaft – und nicht nur während der Corona-Pandemie – finanziell entlastet werden, damit diese in wesentlich größerem Umfang ausbilden können. Zudem sollten Studien in Auftrag gegeben werden, um Erkenntnisse zu gewinnen, wie die Zahl der Ausbildungsbetriebe erhöht werden kann, um so die berufliche Ausbildung zu stärken und langfristig zu sichern.
Außerdem sollte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, einen staatlich geförderten Fortbildungspool für Ausbilder in Ausbildungsbetrieben aufzustellen, um damit die Qualität der Ausbildung zu verbessern und das berufliche Fortkommen der Auszubildenden zu sichern. In ihrem Antrag bezog sich die AfD-Fraktion auch auf den Berufsbildungsbericht 2020. Danach setze sich der Rückgang der abgeschlossenen Ausbildungsverträge für die Berufe der Handwerkskammer und des Industrie- und Handelskammertages weiter fort. Dieser Trend wird laut AfD durch die Betriebsaufgaben bestärkt, da das Gros der deutschen Unternehmen weniger als zehn Mitarbeiter habe.
Abgelehnter Antrag der Linken
Die Fraktion Die Linke wollte mit ihrem abgelehnten Antrag (19/24450) erreichen, dass die „Mangelwirtschaft in der Bildung“ beendet wird und Schulen in der Pandemie mehr Unterstützung bekommen. Danach sollte die Bundesregierung die bedarfsdeckende, niedrigschwellige und bürokratiearme Förderung bei der Anschaffung von FFP2-Masken unterstützen. Ebenso sollte die Bundesregierung die Anschaffung von CO2-Messgeräten sowie mobiler Raumluftfiltersysteme unterstützen, die unabhängig von den baulichen Voraussetzungen im Schulgebäude einsetzbar sind und einen Luftaustausch ermöglichen.
Ferner sollten niedrigschwellige und schnelle, kostenfreie Testverfahren bei Infektionsfällen in einer Gruppe auch für symptomfreie Lehrende und Lernende sowie Grippeschutz-Impfungen für Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher sichergestellt werden. Schulen sollten laut Fraktion ein prioritärer Anwendungsort für Antigen-Schnelltests sein, wenn sich diese Tests auch bei Anwendung durch medizinische Laien als sicher erweisen. Ansonsten sollten sie durch medizinisches Fachpersonal durchgeführt werden. (rol/hau/sas/ste/04.03.2021)