20 Jahre nach der Gründung des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) haben Experten die Arbeit des Instituts gewürdigt und gleichzeitig eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung angemahnt. Das wurde deutlich in einem öffentlichen Gespräch im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe unter der Leitung von Gyde Jensen (FDP) am Mittwoch, 24. März 2021.
Die Gründung des Instituts am 8. März 2001 auf Grundlage eines einstimmigen Bundestagsbeschlusses sei ein bedeutsamer Schritt Deutschlands dahin gewesen, seine menschenrechtlichen Verpflichtungen umzusetzen, lobten die Sachverständigen. Seitdem habe sich das DIMR als unabhängige Nationale Menschenrechtsinstitution erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Bundesrepublik die Menschenrechte im In- und Ausland einhalte und fördere.
„Nicht immun gegen menschenrechtliche Herausforderungen“
Dunja Mijatović, Menschenrechtskommissarin des Europarats, hob in ihrem Grußwort die „Schlüsselrolle“ des DIMR bei der Thematisierung der Menschenrechte im Zusammenhang von Asyl und Migration hervor, bei der Bekämpfung von Rassismus und Extremismus und nicht zuletzt beim Schutz der Grundrechte in der Pandemie.
Das Institut könne sich in seiner Arbeit auf eine breite Akzeptanz von Parteien und zivilgesellschaftlichen Akteuren stützen. Doch, so warnte Mijatovic: „Deutschland ist nicht immun gegenüber menschenrechtlichen Herausforderungen.“ Die Arbeit des Menschenrechtsinstituts bleibe auch in Zukunft „extrem wichtig“.
Institut mit „A-Status“
Dieser Meinung schloss sich auch Michael O´Flaherty, Direktor der EU-Grundrechteagentur (FRA) an: Er betonte in seinem Statement, dass das DIMR unter den weltweit mehr als 100 Nationalen Menschenrechtsinstituten eines von nur 17 Instituten sei, die die Vorgaben zu Mandat und Arbeitsweise der „Pariser Prinzipien“ erfüllten. Nach Absolvierung eines von den Vereinten Nationen anerkannten Akkreditierungsverfahrens sei diesen Instituten der „A-Status“ verliehen worden.
Das DIMR habe eine Vorreiterrolle im Kampf gegen den Rassismus, es setze sich zudem für Menschen mit Behinderungen und die Rechte von Kindern ein, betonte O´Flaherty: „Wir verdanken ihm in Europa viel.“ So habe das Institut auch dazu beigetragen, die Situation Nationaler Menschenrechtsorganisationen welt- und europaweit auf die „Agenda“ zu bringen. Ihre Unabhängigkeit sei vielerorts bedroht. Mit Sorge beobachte er auch, dass viele Institute unterfinanziert seien. O´Flaherty kritisierte hier auch das Budget des DIMR: Dieses falle „sehr niedrig“ aus. In den 20 Jahren seines Bestehens sei es kaum verändert worden und passe nicht mehr zu den gewachsenen Aufgaben des Instituts.
Weitere Rechte für das DIMR gefordert
Dr. Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, erinnerte an den Gründungsauftrag des Instituts: Ziel sei die Schaffung einer Institution gewesen, die anwendungsorientierte Forschung betreibe und die Politik berate. Im Bundestag habe damals weitgehend Konsens darüber bestanden, dass sich das Institut dafür kritisch mit der praktischen Politik auseinandersetzen müsse. Entscheidend für den Erfolg des Instituts sei aber die Bereitschaft der Politik, solche kritischen Anmerkungen ernst zu nehmen und Konsequenzen zu ziehen, betonte Rudolf. „Dieses Verständnis ist fundamental.“
Der Bundestag habe sich in der Vergangenheit zwar stets als Hüter der Unabhängigkeit des Instituts erwiesen. Doch dieses könne seinen Beratungsauftrag noch besser erfüllen, wenn es weitere Rechte erhalte, sagte die DIMR-Direktorin: „Es wäre gut, wenn das Institut die Möglichkeit bekäme, in Anhörungen unaufgefordert Stellungnahmen abzugeben oder direkt an Sachverständigenanhörungen teilzunehmen.“
Drei Aufgaben für die Zukunft
Drei zentrale Aufgaben des Instituts in der Zukunft nannte Rudolf zum Schluss ihres Statements: die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts angesichts wachsender Verwerfungen durch die Globalisierung, die menschenrechtliche Gestaltung des „fundamentalen Wandels der Lebensgrundlagen“ durch Klimawandel, Digitalisierung und künstliche Intelligenz sowie eine bessere Wahrung der Menschenrechte und des Rechtsstaats durch die Stärkung des internationalen Menschenrechtsschutzsystems.
In der anschließenden Diskussion unterstrichen Abgeordnete der SPD- sowie der FDP-Fraktion die „wichtige Arbeit“ und „große internationale Reputation“ des Instituts, während ein Vertreter der CDU/CSU-Fraktion Zweifel anmeldete, ob dessen selbstgesetztes Arbeitsprogramm nicht zu groß sei. Ein Mittelaufwuchs, wie ihn ein solches Programm erfordern würde, werde es vermutlich nicht geben, so der Abgeordnete. Er plädierte für eine Konzentration auf zentrale Themen und insbesondere die „Vermittlung menschenrechtlicher Kompetenzen“. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen befürwortete hingegen eine weitere Stärkung des Instituts sowie die konsequentere Einbeziehung seiner Expertise in den Gesetzgebungsprozess. Im Anschluss an das Gespräch wurde der Jahresbericht des DIMR (19/24970) und der Bericht über die Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland im Zeitraum von Juli 2019 bis Juni 2021 (19/24971) diskutiert.
Jahresbericht des Menschenrechtsinstituts
Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und der UN-Kinderrechtskonvention waren zwei Arbeitsschwerpunkte des Deutschen Instituts für Menschenrechte im vergangenen Jahr, wie aus dem Jahresbericht 2019 hervorgeht (19/24970).
Weitere Schwerpunkte der Forschungs- und Beratungsarbeit des Instituts lagen bei den Themen kommunale Unterbringung wohnungsloser Menschen sowie die Begleitung der Verhandlungen über ein internationales Abkommen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte. Der Bericht enthält zudem eine Übersicht zur Jahresrechnung des Instituts: Demnach hatte es 2019 Einnahmen in Höhe von rund 6,01 Millionen Euro, davon rund 3,07 Millionen Euro als Zuwendungen des Bundes, rund 1,27 Millionen Euro aus vermischten Einnahmen sowie rund 1,67 Millionen Euro aus Drittmitteln des Bundes und der Länder.
Zu den größeren Ausgabeposten gehörten dem Bericht zufolge „Aufträge Dritter/Drittmittelprojekte Internationale Menschenrechtspolitik“ (0,88 Millionen Euro), „Menschenrechtspolitik Inland/Europa“ (0,57 Millionen Euro) sowie „Aufträge Dritter/Drittmittelprojekte Abteilung Menschenrechtspolitik Inland/Europa“ (0,44 Millionen Euro). Für die Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention wurden Ausgaben von 0,38 Millionen Euro getätigt, für die Monitoring-Stelle zur UN-Kinderrechtskonvention 0,44 Millionen Euro und die Verwaltungskosten/Gemeinkosten für das Institut schlugen mit rund 1,15 Millionen Euro zu Buche.
Menschenrechtslage in Deutschland
Krankheit und Abschiebung ist eines der Schwerpunktthemen des vom DIMR für den Zeitraum Juli 2019 bis Juni 2020 erarbeiteten Berichts (19/24971). „Auch wenn der Umgang mit der Corona-Pandemie zu Recht große politische und öffentliche Aufmerksamkeit genießt, bleiben menschenrechtliche Herausforderungen in anderen Politikfeldern bestehen“, heißt es darin. So dürften erkrankte Menschen in Deutschland nicht abgeschoben werden, wenn sich dadurch ihr Gesundheitszustand gravierend verschlechtere oder ihr Leben gefährde.
Jedoch: Eine solche Erkrankung nachzuweisen, sei in erster Linie Aufgabe der betroffenen Personen – und damit eine Pflicht, der diese in vielen Fällen nicht nachkommen könnten, kritisiert das Menschenrechtsinstitut. Grund seien beschleunigte Asylverfahren, mangelnder Zugang zu Informationen, Sprachmittlung und Fachärzte sowie bürokratische oder finanzielle Hürden. „Umso wichtiger ist es, dass auch der Staat gründlich prüft, ob ein sogenanntes krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis vorliegt, heißt es weiter im Bericht.
“Diskriminierungsfreier Zugang zu beruflicher Bildung„
Einen weiteren Schwerpunkt setzt das Menschenrechtsinstitut beim Thema berufliche Bildung von behinderten Menschen: Junge Menschen mit Behinderungen sollten – wie alle Jugendlichen – nach Abschluss der Schule die Möglichkeit haben, eine Ausbildung in einem regulären Ausbildungsberuf zu beginnen. Tatsächlich aber absolvierten sie ihre Berufsausbildung mehrheitlich in “Sonderformen„, konstatiert das Menschenrechtsinstitut.
Folge sei, dass die Jugendlichen nach einer solchen Ausbildung nicht den Übergang in den regulären Arbeitsmarkt schafften. Die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichte den Staat, auf diese Situation zu reagieren und einen diskriminierungsfreien Zugang zu beruflicher Bildung für alle Menschen zu gewährleisten, mahnt das Deutsche Institut für Menschenrechte. (sas/25.03.2021)