Kritik an FDP-Vorstoß für mehr Parlamentsrechte in Pandemie-Zeiten
Ein Vorstoß der FDP-Fraktion für eine stärkere Parlamentsbeteiligung in der Corona-Krise ist bei den meisten anderen Fraktionen auf teilweise heftige Gegenwehr und Skepsis gestoßen. Nur die Linksfraktion signalisierte bei der ersten Aussprache am Donnerstag, 28. Januar 2021, im Bundestag grundsätzliche Zustimmung.
Gesetzentwurf der FDP
Die FDP-Fraktion fordert in epidemischen Lagen von nationaler Tragweite eine Stärkung des Parlaments. Derzeit würden Einschränkungen des Grundrechts über Verordnungsermächtigungen und damit durch die Exekutive vorgenommen, heißt es in einem Gesetzentwurf der Fraktion (19/26180). Die Ergebnisse der Bund-Länder-Koordination könnten nur nachvollzogen werden. Die Rolle des Parlaments sei erheblich verringert.
Die Bundesregierung solle daher verpflichtet werden, eine Zustimmung des Bundestages einzuholen, wenn beabsichtigt sei, im Rahmen der Bund-Länder-Koordinierung bundeseinheitliche Maßnahmen herbeizuführen. Sei dies nicht möglich, müsse die Zustimmung nachträglich eingeholt werden. Auch solle offengelegt werden, mit welchen Vorschlägen die Bundesregierung in die Bund-Länder-Koordination hineingehe und wie sich dies im Ergebnis widerspiegele.
FDP: Mehr parlamentarische Demokratie wagen
Dr. Marco Buschmann (FDP) kritisierte, das Vorgehen der Bundesregierung in der Pandemie sei ebenso weitreichend wie undurchsichtig. Die Gewaltenteilung werde untergraben. Die Bund-Länder-Gespräche seien seit Monaten schon die Hauptinstanz der politischen Willensbildung. Die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) sei jedoch auf Dauer kein gutes Entscheidungsformat. Die Ministerpräsidenten seien keine Spezialisten, sondern Generalisten.
Er fügte hinzu: „Das Parlament ist die Herzkammer unserer Demokratie, behandelt wurde es aber in den vergangenen Wochen wie ein Wurmfortsatz.“ Bundesweite Angelegenheiten bedürften einer bundespolitischen Legitimation. Buschmann betonte: „Wir wollen mehr parlamentarische Demokratie in der Pandemie wagen.“
Linke: Kanzlerin muss ihre Pläne im Bundestag vorstellen
Zustimmung zu der Initiative kam von der Linksfraktion. Jan Korte (Die Linke) erinnerte daran, dass die Bund-Länder-Runde zur Corona-Pandemie, auf deren Ergebnisse das ganze Land immer gespannt warte, in der Verfassung gar nicht vorgesehen sei. Die Sitzungen seien nicht öffentlich, und auch die Vorbereitungen blieben intransparent. Wenn Grundrechte eingeschränkt werden müssten, dann dürfe das nicht durch Verordnungen der Regierung geschehen, sondern durch Beschlüsse des Bundestages.
Korte beklagte, ohne den Druck der Opposition und Öffentlichkeit würde die Bundesregierung ihre Politik womöglich gar nicht mehr erläutern. Die Kanzlerin müsse vor den Bund-Länder-Runden im Bundestag ihre Pläne vorstellen und nicht nachträglich. Dies sei entscheidend auch für die Akzeptanz der Beschlüsse in der Bevölkerung.
Grüne: Bundestag würde nur zum „Schlaumeier am Spielfeldrand“
Skeptisch äußerten sich die Grünen, die freilich auch für eine Stärkung des Parlaments in der Pandemie eintreten. Dr. Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, die Informationen durch die Regierung müssten deutlich verbessert werden. Kritisch seien auch die Verordnungsermächtigungen. Die wesentlichen Entscheidungen müssten vom Bundestag beschlossen werden. Die FDP-Vorlage sei für die notwendigen Änderungen aber unbrauchbar, weil der Bundestag auf diese Weise nicht gestärkt, sondern allenfalls zu einem „Schlaumeier am Spielfeldrand“ würde.
Ihre Fraktionskollegin Britta Haßelmann fügte hinzu, im Ziel sei man sich einig, im Weg dorthin nicht. So dürfe die MPK-Runde nicht noch aufgewertet werden. Es sei aber sinnvoll, dem Bundesgesundheitsminister ein paar Kompetenzen wegzunehmen.
AfD: Entscheidungsträger haben krachend versagt
Die AfD-Fraktion hielt den politischen Entscheidungsträgern erneut totales Versagen vor. Tobias Matthias Peterka (AfD) sagte, das vorgebliche Ansinnen der FDP, die Gewaltenteilung zu retten, sei unseriös, zumal die FDP die epidemische Lage von nationaler Tragweite mitbeschlossen habe. „Die Entscheidungsträger haben auf allen Ebenen krachend versagt.“
Die politische Reaktion auf die neue Sachlage sei unverhältnismäßig, panisch und arrogant gewesen. Bund und Länder liefen kopflos in Maximalmaßnahmen hinein und bildeten ein verfassungsfremdes Direktorium, das die Grundrechte, die Wirtschaft und die Parlamente für zweitrangig erkläre. Das sei gefährlich. „Das Direktorium Bund-Länder-Runde ist verfassungswidrig“, betonte Peterka.
CDU/CSU: Bundestag berät ausführlich über die Pandemie
Redner von Union und SPD machten deutlich, dass niemand ein Interesse daran haben könne, in dieser Gesundheitsnotlage die Parlamentsrechte einzuschränken. Rudolf Henke (CDU/CSU) sagte, die wesentlichen Forderungen der FDP seien schon im Infektionsschutzgesetz (IfSG) vorgesehen und würden in der Praxis umgesetzt. Basis dafür sei das im Bundestag mehrheitlich beschlossene dritte Bevölkerungsschutzgesetz.
Im Bundestag werde im Übrigen ausführlich über die Pandemie beraten. Er hielt der FDP vor, sich mit dem Gesetzentwurf nur auf Verfahrensfragen zu konzentrieren. Das sei „etwas inhaltsarm“.
SPD: Vorlage der FDP nur ein Feigenblatt
Auch Sabine Dittmar (SPD) ging auf die zahlreichen Corona-Beratungen im Parlament einschließlich der Fachausschüsse ein. Der Bundestag habe vielfältige Beteiligungsmöglichkeiten und nutze sie auch, sagte sie und nannte neben der Regierungsbefragung auch die zahlreichen Fachdebatten zur Pandemie in den Sitzungswochen.
Die FDP-Vorlage sei „ein Feigenblatt, mehr auch nicht“. Die Parlamentsbeteiligung auf Bundesebene sei immer wieder diskutiert worden und spiegele sich in der Gesetzgebung. Wichtig seien Transparenz, Information und Aufklärung. Deswegen werde im Parlament in der Krise auch fraktionsübergreifend beraten. Die Pandemie lasse sich nur gemeinsam bekämpfen. (pk/28.01.2021)