Núria Quevedo im Deutschen Dom - Künstlerinnen im Exil
Núria Quevedo, geboren 1938, hat Zeichnungen, Radierungen und Gemälde von starker Eindringlichkeit geschaffen, Werke fern aller Anpassung an Zeitströmungen. Ihre zeichenhaften, monumental und zugleich in sich gekehrt wirkenden Menschenfiguren, oft auf die Darstellung von Kopf und Hand reduziert, prägen sich ein. Sie lassen die Verlorenheit eines Exils spüren, eines Fremdseins selbst in der Heimat, eines im Grunde existenziellen Exils. Doch Resignation geht von diesen Kopf-Hand-Figuren nicht aus. Vielmehr fordern sie heraus, sich diesem „In-die Welt-Geworfensein“ unverzagt zu stellen, sich in dieser Welt zu behaupten.
Núria Quevedo machte bereits mit vierzehn Jahren die Erfahrung des Exils, als sie im Jahre 1952 das heimatliche Barcelona in Katalonien verließ und nach Ost-Berlin übersiedelte. Die vertrauten Farben des mediterranen Barcelonas tauschte sie nun gegen die der sandigen Mark Brandenburg, gegen die des grauen Berlin. Ab 1958 studierte sie an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin-Weißensee unter anderem bei Arno Mohr.
Ihre ersten Arbeiten, mit denen sie Aufmerksamkeit erregte, waren Buchillustrationen. Sie gehören „zu dem Schönsten, was das Buchland DDR während seiner vierzigjährigen Dauer hervorgebracht hat“ (Friedrich Dieckmann). Studien als Meisterschülerin an der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin bei Werner Klemke schlossen sich an. Dann begann sie, sich autodidaktisch zur Malerin zu bilden.
In der Folge erregen ihre Arbeiten durch die strenge und ungeschönte Beschreibung menschlicher Existenzialität zunehmende Aufmerksamkeit, bestätigen ihre einzigartige Stellung in der künstlerischen Landschaft der DDR: so 1972 mit dem Gemälde „Dreißig Jahre Exil“ auf der Dresdener Kunstausstellung, mit dem Doppelakt „Paar“ von 1976 oder dem Hanns Eisler gewidmeten Gemälde „Eine Art, den Regen zu beschreiben“ von 1980/81 für das Leipziger Gewandhaus.
Nicht weniger beeindruckend sind ihre kargen Landschaftsbilder aus Mecklenburg-Vorpommern und insbesondere die Kohlezeichnungen. Diese bilden - obwohl oft Vorstudien für Gemälde - im Grunde eine eigene Werkgruppe. Weiterhin bedeutsam bleibt für die Künstlerin die Auseinandersetzung mit literarischen Motiven, die in Zyklen zu Federico Garcia Lorcas „Yerma“, zum Don Quijote, zu Gedichten Volker Brauns oder zu Christa Wolfs „Kassandra“ gipfeln.
In ihrer einzigartigen Synthese von poetischer Vielfalt und unverwechselbarer Beharrlichkeit artikuliert die symbolmächtige Bildwelt Núria Quevedos einen Appell an den Selbstbehauptungswillen des Individuums und an seinen Mut zur selbstbewußten Entscheidung in Freiheit. Mit den Worten der Kassandra aus dem gleichnamigen Roman Christa Wolfs ließe sich über Núria Quevedos Werk sagen: „Mit meiner Stimme sprechen: Das Äußerste. Mehr, andres hab ich nicht gewollt.“
Text: Andreas Kaernbach,
Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages