Anhörung zu Herkunftsnachweisen für Energien
Berlin: (hib/MIS) Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie hat sich am Mittwoch, den 9. November 2022 in einer öffentlichen Anhörung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu Herkunftsnachweisen für Gas, Wasserstoff, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien und zur Änderung der Fernwärme- oder Fernkälte-Verbrauchserfassungs- und -Abrechnungsverordnung (20/3870) befasst.
Wie die Bundesregierung in dem Entwurf des Herkunftsnachweisregistergesetzes (HkNRG) ausführt, soll es voraussichtlich ab dem 1. Januar 2024 neben dem schon bestehenden Herkunftsnachweisregister für Strom aus erneuerbaren Energien auch ein Herkunftsnachweisregister für die gasförmigen Energieträger Gas und Wasserstoff geben. Ein Register soll ferner für Wärme und Kälte aus erneuerbaren Energiequellen eingerichtet werden. Mit dem Gesetz werden unionsrechtliche Vorgaben in Artikel 19 der EU-Richtlinie 2018/2001 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen für die Energiequellen Gas, Wasserstoff, Wärme und Kälte umgesetzt.
„Herkunftsnachweise dienen dazu, einem Endkunden gegenüber dokumentieren zu können, dass ein bestimmter Anteil oder eine bestimmte Menge an Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugt worden ist“, führt die Bundesregierung aus. Herkunftsnachweise machten somit im Wirtschaftsverkehr die Herkunft des Energieträgers aus erneuerbaren Energien transparent. Sie seien ein Instrument der Verbraucherinformation und dienten damit auch dem Verbraucherschutz, heißt es weiter.
Grundsätzlich begrüßten fast alle Sachverständigen die mit dem Gesetz verfolgten Ziele, überwiegend sehen sie in Herkunftsnachweisen auch ein geeignetes Instrument - zum Teil aber gab es massive Kritik an der Konstruktion wie an zahlreichen Details.
So stellte Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft in ihrem Eingangsstatement fest, die Nutzung von Wasserstoff sei „unabdingbar“, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Die Sachverständige hatte aber an der im Gesetz vorgeschlagenen Ausgestaltung von Herkunftsnachweisen doch einiges auszusetzen. Vor allem kritisierte sie einen „erheblichen bürokratischen Aufwand“, dem „kein signifikanter Nutzen“ gegenüber stehe. Gemäß Regierungsentwurf dienten die Herkunftsnachweise lediglich dem Nachweis der Erneuerbaren-Eigenschaft, seien aber nicht für den Nachweis einer mengenmäßigen Zielanrechnung oder einer mengenbezogenen Förderung vorgesehen. „Damit wird eine Chance vergeben, Herkunftsnachweise für den Aufbau eines liquiden Marktes für erneuerbare und dekarbonisierte Gase zu nutzen. Gleichzeitig drohen die zu engen Vorgaben im Wärmebereich Entwicklungen im Sinne des Klimaschutzes zu blockieren“, sagte Andreae.
Annegret-Claudine Agricola von „Zukunft Gas e. V“ nannte den Gesetzentwurf einen ersten Schritt in die richtige Richtung, monierte aber, dass er heute bestehende ordnungspolitische Unsicherheiten und damit einhergehende Investitionshemmnisse für einen aus klima- und energiepolitischer Perspektive erwünschten Markthochlauf erneuerbarer und dekarbonisierter Gase nur unzureichend zu lösen vermöge. Agricola plädierte für eine konzertierte Initiative, um die Kraft des europäischen Binnenmarkts für einen zeitnahen Wasserstoffhochlauf wirksam entfalten zu können. „Eine europäische Wasserstoffunion, fußend auf der EU-weiten Handelbarkeit von Wasserstoff und einem europäischen Wasserstoffnetz, würde den größten Wasserstoffmarkt weltweit schaffen“, sagte Agricola.
Sebastian Bleschke, Geschäftsführer der Initiative Energien Speichern (INES) machte sich für eine zügige Weiterentwicklung des Gesetzesvorhabens aus. Das Thema Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft werde im Zusammenhang mit einer nachhaltigen Wirtschaft immer bedeutsamer. „Vor diesem Hintergrund reicht ein System von Herkunftsnachweisen für grünen Strom nicht mehr aus. Selbst eine Erweiterung des bestehenden Systems durch Herkunftsnachweise für treibhausgasneutrale Gase ist nicht ausreichend, um eine faktenorientierte Transparenz über die Einsatzmöglichkeiten von Energien und weiterer Ressourcen herzustellen und damit eine Grundlage für politisches und marktwirtschaftliches Handeln zu schaffen“, sagte Bleschke und empfahl, ein umfassendes System zur Energie- Zertifizierung einzuführen, das alle Energieträger umfasse und im Hinblick auf alle relevanten Klima- und Umwelt-Externalitäten bewertet. Die Bewertung sollte sich über den vollständigen Lebenszyklus erstrecken, so Bleschkes Vorschlag.
Eindeutigere Gesetzestexte forderte Werner Diwald, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands (DWV). Das gelte insbesondere für Themen wie der Beimischung von grünem Wasserstoff im Erdgasnetz, zu denen sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mehrfach öffentlich ablehnend geäußert habe. „Jetzt darauf zu verweisen, dass die aus unserer Sicht nicht eindeutige Begründung doch ausreichende Klarheit für die Möglichkeit der Beimischung und der Nutzung von Herkunftsnachweisen für Wasserstoff schaffen würde, schafft sicherlich nicht die erforderliche Investitionssicherheit“, stellte Diwald fest. Die Begründung sei bei Weitem nicht eindeutig. Er empfehle daher, dem Änderungsvorschlag zum Artikel 6 §3 HkNRG des Bundesrats zu folgen und den Gesetzestext durch das Anfügen des zweiten Satzes „Dies gilt insbesondere auch, wenn der Wasserstoff zuvor in ein Erdgasnetz eingespeist wurde und anschließend bilanziell entnommen wird“ eindeutiger zu formulieren.
Matthias Dümpelmann, Geschäftsführer von 8KU, nannte das Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden „eine Art Verfassungsrecht“. Alles, was klimaneutrale Energien reinbringe, sei daher begrüßenswert. Aber das vorliegende Gesetz sei leider voller Makel und Unklarheiten. In seiner schriftlichen Stellungnahme nahm er in dem Zusammenhang Bezug auf den „Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft“. Es sei sicherlich richtig, dass der Wirtschaft durch das Gesetz „kein Erfüllungsaufwand“ entstehe. Dass aber schon sehr genau beziffert werden könne, dass im Umweltbundesamt Vollzugs-Kosten von 1,77 Millionen Euro entstünden, zeuge von einer gewissen Nachlässigkeit gegenüber den Bürokratiekosten für die Wirtschaft.
Um noch schneller importunabhängig und klimaneutral zu werden, müssten nicht nur erneuerbare Energien, sondern alle klimaneutralen und nachhaltigen Quellen ausgeschöpft werden, auch die aus der thermischen Entsorgung zurückgewonnene Energie, forderte Alexander Götz vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Gleiches gelte auch für andere Arten von Energien oder Stoffen, die ohnehin anfallen, wie etwa Abwärme. „Insbesondere Abwärme aus der Industrie und thermischen Abfallverwertung sowie aus Rechenzentren sollte ausdrücklich in das Herkunftsnachweissystem einbezogen werden“, sagte Götz. Die hierbei gewonnene und genutzte Energie entstehe als Nebeneffekt im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen oder privaten Entsorgungsauftrags, es handele sich insofern um eine treibhausgasneutrale Energiequelle.
Jochen Wagner sieht vor allem zwei Kritikpunkte aus Sicht des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). Zum einen würden im Zuge des notwendigen massiven Ausbaus der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen, Anlagen, die nach dem EEG eine finanzielle Förderung erhalten oder erhalten können, wenn die Marktpreise unterhalb der garantierten Vergütung liegen, einen Großteil des verfügbaren EEG-Stroms ausmachen. Da gleichzeitig die Verwendung aus Grünstrom produzierter Gase wie Wasserstoff beziehungsweise Wärme und Kälte sowohl im industriellen als auch im Gebäudeenergiesektor zunehmend an Bedeutung gewinne, befürchtet er ein Auseinanderfallen der nachgefragten und über den vorliegenden Entwurf zulässigen Mengen an Grünstrom zur Erzeugung von Gas, Wasserstoff, Wärme und Kälte.
Zum anderen sehe der VCI kritisch, was seine Vorredner zum Teil nachdrücklich forderten: Eine generelle Beimischung von Wasserstoff in Erdgasnetze, da sie bei bestimmten industriellen Anwendungen die Anlagensicherheit gefährden könne. „Eine entsprechende Ergänzung sollte daher nicht gemacht werden“, sagte Wagner.
Besonders hart ins Gericht mit dem Gesetzentwurf ging Fritz Söllner von der Technischen Universität Ilmenau: Er verfehle die mit ihm verfolgten Ziele. Die neuen Herkunftsnachweise für gasförmige Energieträger würden dieselben Schwachstellen aufweisen wie die alten Herkunftsnachweise für Elektrizität aus erneuerbaren Energien, sagte Söllner. Das Gesetz werde gerade nicht zum Verbraucherschutz beigetragen - und eine Verbesserung der Verbraucherinformation über die Herkunft der von ihm verwendeten Energie mitnichten erreicht. Auch das eigentliche Ziel, Treibhausgasemissionen einzusparen werde nicht erreicht werden. Das liege nicht nur daran, dass sich das Verbraucherverhalten durch die neuen Herkunftsnachweise nicht ändern werde, „sondern auch und vor allem daran, dass selbst eine Änderung des Verbraucherverhaltens wirkungslos wäre“. Denn: Insoweit die Produktion der vom Gesetzentwurf betroffenen dem europäischen Emissionshandelssystem unterliegt, seien die Gesamtemissionen auf europäischer Ebene ohnehin gedeckelt. Etwaige Einspareffekte durch die Änderung des Verhaltens der deutschen Verbraucher würden deshalb durch höhere Emissionen an anderer Stelle kompensiert werden, sodass die Höhe der Gesamtemissionen gleich bleiben würde. Aus den genannten Gründen handelt es sich hier „um ein Paradebeispiel für Symbolpolitik“.